Kolumne

Falsche Anwälte
Kolumne
© NJW/Harald Schnauder

Hochwertige Gastroartikel, Baugeräte, Maschinen oder Fahrzeuge zum Schnäppchenpreis aus der Insolvenzmasse – und das direkt vom Anwalt. Nachvollziehbar, dass solche Angebote für viele verlockend klingen, zumal der Insolvenzverwalter topseriös daherkommt: mit schicker Kanzleihomepage, dem Beschluss eines Amtsgerichts, das ihn bestellt hat, glaubwürdiger E-Mail-Kommunikation und einem Telefonanschluss mit passender Bandansage.

24. Mrz 2025

Tatsächlich verbirgt sich dahinter eine perfide Betrugsmasche, vor der die Bundesrechtsanwaltskammer schon im vergangenen Jahr gewarnt hat, die aber offenbar unvermindert fortgesetzt wird. Anfang des Monats berichtete der „Spiegel“ groß darüber (10/2025, S. 44). Und auch die Polizei in München sah sich kürzlich nochmals veranlasst, hierauf hinzuweisen (Pressebericht vom 4.3.). Allein in einem von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahren beläuft sich der bislang festgestellte Vermögensschaden auf einen sechsstelligen Betrag.

Opfer sind nicht nur die geprellten Unternehmer, die nach ihren Zahlungen niemals Ware erhalten, sondern auch einige Anwälte. Denn damit alles möglichst echt wirkt, kopieren die Betrüger Webseiten von Kanzleien und stellen dort Bilder echter Rechtsanwälte ein. Der Identitätsmissbrauch kann unangenehm und rufschädigend sein. Ihn zu unterbinden, ist nicht einfach, wie ein betroffener Kollege dem „Spiegel“ sagte. Selbst nach einer Strafanzeige machten die Betrüger in seinem Fall einfach weiter. Die gefälschten Webseiten löschen zu lassen, erweist sich oft als schwierig, weil sie über ausländische Server laufen. Schaltet ein Diensteanbieter die Fake-Homepage ab, entsteht ziemlich sicher alsbald eine neue.

Man ist geneigt, die Opfer für leichtgläubig zu halten. Aber wenn man sieht, wie professionell die Täter agieren, kann man ihnen Naivität kaum vorwerfen. Nach dem Bericht der Polizei in München fälschen die Betrüger täuschend echt Gerichtsbeschlüsse und Gutachten, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Durch den Identitätsklau real existierender Anwälte gibt es auch keine Auffälligkeiten bei einer Internetrecherche. Sogar die Prüfung im bundesweiten Anwaltsverzeichnis bestätigt dann die Existenz. Anrufe werden entgegengenommen, die regelmäßig aus dem Ausland operierenden Tätergruppen sprechen perfekt Deutsch und kommunizieren in der einschlägigen Fachsprache, so die Polizei. Auf die Schliche kommt man ihnen oft nur durch einen Abgleich sämtlicher Kommunikationsdaten. Aber wer macht das schon, wenn es keine Verdachtsmomente gibt. Und sagen wir Anwälte nicht immer, dass man gerade uns blind vertrauen kann?

Ein geprellter Gastronom sagte gegenüber dem „Spiegel“, er verspüre keine Wut auf die Betrüger. Eher Anerkennung. Dem werden sich die betroffenen Anwälte kaum anschließen. Auch „gut gemachter“ Betrug bleibt Betrug. Mehr noch: Die „professionelle“ Tatausführung in diesen Fällen dürfte sich aus verschiedenen Gründen sogar strafverschärfend auswirken.

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Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a. M.