Die Rede ist von einer Einschüchterung, einer Drohung an die demokratische „Zivilgesellschaft“, man will autoritäre Züge einer künftigen Regierung erkennen, befürchtet offenbar Rachefeldzüge Trumpschen Ausmaßes. Dass von den betroffenen Organisationen ein Großangriff auf die emanzipatorische Zivilgesellschaft, was immer man darunter verstehen mag, durch die künftige Regierung beklagt wird, überrascht nicht – man denkt unwillkürlich an das chinesische Sprichwort von den Fröschen.
Der Vorwurf der Einschüchterung wiegt schwer. Angst essen – frei nach R. W. Fassbinder – Freiheit auf; dies gilt in besonderem Maße für die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG, wo es jenen „chilling effect“ zu vermeiden gilt, der von Sanktionsdrohungen ausgehen kann. Dies gilt auch für das Recht zu demonstrieren aus Art. 8 GG. Im Verlangen der Opposition nach Transparenz über finanzielle Zuwendungen wird, so steht zu vermuten, eine Drohung der künftigen Regierung mit deren möglichen Entzug gesehen. Wenn bereits dies als Angriff auf demokratische Freiheiten gewertet wird, so offenbart sich hierin gleichwohl eine verkürzte Sicht auf die verfassungsrechtlichen Gegebenheiten. Die demokratischen Rechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind Freiheitsrechte im klassisch-liberalen Sinn, sie verleihen kein Recht auf Leistungen des Staates, im Gegenteil. Sie stehen im Widerspruch zu Art. 5 GG als Gewährleistung staatsfreier Meinungsbildung „von unten nach oben“; bereits der Möglichkeit klandestiner staatlicher Einflussnahme über staatlich geförderte Organisationen unter Missachtung des Neutralitätsgebots gilt es zu begegnen. Vor allem nach den jüngsten Massenkundgebungen „gegen rechts“ wurden Vermutungen in dieser Richtung geäußert, ein „deep state“ beschworen. Hier Transparenz herzustellen, ist im Interesse der Offenheit des demokratischen Prozesses auch verfassungsrechtlich geboten und legitimes Anliegen der Opposition. Weder ist der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung als Schranke parlamentarischer Fragerechte betroffen noch sprechen schutzwürdige Belange der Zuwendungsempfänger gegen eine Offenlegung etwa bestehender Nähebeziehungen. Gewisse Zweifel mögen jedoch erlaubt sein, was die Ernsthaftigkeit des Auskunftsbegehrens betrifft, angesichts des schieren Umfangs der immerhin 551 Einzelfragen umfassenden „Kleinen Anfrage“ und des Zeitpunkts, zu dem sie gestellt wurde. •
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