Kolumne
Olga, Frida und Frauke
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Vor Kurzem lud der Bundesjustizminister zu einem Legal Tech/KI-Roundtable. Gäste waren Experten aus Kanzleien und Rechtsabteilungen. Überwiegend Rechtsanwälte, aber auch Ökonomen und Informatiker, auch einige Gründer. Ziel des Gesprächs, das der Minister persönlich leitete, war es, von den Erfahrungen der Start-ups, Kanzleien und Rechtsdienstleister zu lernen; denn diese seien oft Vorreiter der Digitalisierung und könnten IT-Lösungen schneller entwickeln und erproben als staatliche Institutionen. 

19. Feb 2024

Im Vordergrund stand der Erfahrungsaustausch über den Stand der Technik in Kanzleien und Rechtsabteilungen sowie deren Auswirkungen auf die Justiz, Stichwort Massen- und Umfangsverfahren.

Das gut zweistündige Gespräch, an dem der Autor dieses Beitrags teilnahm, zeigte zunächst, dass man angesichts der sprunghaften Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (ChatGPT, Sprachmodelle) kaum noch von „Stand“ der Technik sprechen kann. Viele der großen oder spezialisierten Kanzleien experimentieren oder arbeiten bereits mit KI für Dokumentenanalyse, Recherche und automatische Dokumentenerstellung, wobei die Recherche das eigene Know-how sowie Urteilsdatenbanken umfasst – die trüben Quellen des Internets werden gemieden. Produktivität und Geschwindigkeit haben spürbar zugenommen, auch die Recherchequalität: Wer einmal mit Sprachmodellen in Datenbanken recherchiert hat, will das nie mehr missen.

Treffen so spezialisierte und technisch hochgerüstete Kanzleien in Prozessen aufeinander, zeigt sich einmal mehr, dass die Justiz an Tempo zulegen muss, um mitzuhalten. Wenn es möglich ist, Schriftsätze automatisiert zu erstellen und mit automatischer Beifügung zahlreicher Anlagen über das beA zu versenden – diese Workflows nehmen nur Minuten in Anspruch –, und auf der Gegenseite eine ebenso ausgerüstete Kanzlei steht, dann darf die Justiz in der Mitte nicht als jemand dastehen, der ohne flächendeckend vorhandene E-Akte allein schon durch das Handling dieser Verfahren überfordert wird. Die Justiz muss bundesweit durch entsprechende (und existierende!) Technik in die Lage versetzt werden, solche Verfahren noch zu führen.

Aber es gibt Hoffnung, denn die Justiz bewegt sich, wenn auch langsam. Olga, Frida und Frauke sind Softwareprogramme, die in Pilotverfahren angewendet werden, und hinter ChatGPT-Analogon verbirgt sich ein gemeinsames Forschungsprojekt aus Bayern und NRW zur Schaffung eines Justiz-Sprachmodells. Es gibt weitere Beispiele aus anderen Bundesländern. Das sind gute Nachrichten. Der Erfahrungsaustausch im BMJ zeigte aber auch: Das Tempo muss zulegen, und die Berichte der anwesenden Kanzleivertreter bezeugten, dass das auch geht.

Ein verwandtes Thema wurde nur angedeutet: Die Zeit des Schriftsatzaustauschs in Massen- und Umfangsverfahren scheint vorbei zu sein. Datenbasierte Prozessführung auf Plattformen ist die Zukunft. Gibt es anderswo längst, aber bei uns muss erstmal die E-Akte her.

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Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.