Denn das Gericht stellte dort unter anderem fest, dass Unternehmen etwaige Datenschutzverstöße von Konkurrenten beanstanden und gerichtlich überprüfen lassen können. Ein Urteil, das sehr weitreichende Folgen haben kann.
Im konkreten Fall ging ein Pharmazeut gegen eine Apotheke vor, die Medikamente über eine Online-Verkaufsplattform vertrieb. Der Vorwurf: Der Wettbewerber hole keine Einwilligung bezüglich der Verarbeitung von Gesundheitsdaten seiner Kunden ein. Der EuGH entschied, dass Wettbewerber gegen etwaige Datenschutzverstöße anderer Unternehmen vorgehen und diese gerichtlich überprüfen lassen können, sofern Mitgliedstaaten hierfür entsprechende Vorschriften bereithielten – was das deutsche Recht mit dem UWG tut. Der Bundesrat legte kürzlich einen Gesetzentwurf vor, wonach die Verfolgung datenschutzrechtlicher Verstöße durch Wettbewerber ausgeschlossen werden sollte. Es bestehe „die Gefahr, dass die herrschende Rechtsunsicherheit ausgenutzt wird, um gegenüber Konkurrenzunternehmen zur Förderung eigener geschäftlicher Interessen missbräuchliche Abmahnungen auszusprechen oder gerichtliche Verfahren zu führen“ (Drs. 184/24). Die Bundesregierung sah zunächst kein Bedürfnis für eine Gesetzesänderung und verwies auf die zu dem Zeitpunkt noch ausstehende Entscheidung aus Luxemburg. Die ist nun da.
Parallele Entwicklungen zeigt das Kartellrecht. Nach § 32 IV GWB sind Sektoruntersuchungen auch zulässig bei „begründetem Verdacht des Bundeskartellamts auf erhebliche, dauerhafte oder wiederholte Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften, die nach ihrer Art oder ihrem Umfang die Interessen einer Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern beeinträchtigen“. Bei der Prüfung, ob ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, sind die Behörden nicht auf Vorschriften des Wettbewerbsrechts beschränkt. Vielmehr dürfen, falls dies nötig ist, auch andere Vorschriften wie die DS-GVO herangezogen werden (EuGH NJW 2023, 2997 – Meta Platforms Inc. ua).
Gleiches gilt dann auch für Verbraucherschutzvorschriften. Das heißt aber zugleich: Kartellbehörden können Datenschutz und Verbraucherschutz prüfen, aber nur, wenn ein Wettbewerbsbezug besteht. Die jüngst veröffentlichte Sektoruntersuchung „Scoring im Onlinehandel“ ist dafür ein Beispiel. Das nun ergangene EuGH-Urteil gibt Anlass, den Vorschlag des Bundesrats wieder aufzugreifen. Das ist nötig, denn die Missbrauchsgefahr ist offensichtlich. Zur effektiven Rechtsdurchsetzung ist ein entsprechendes Klagerecht nicht erforderlich.
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