Kolumne
Ein Brecheisen namens Quote

„Migranten-Quote für Beamte und Richter“ titelte „Bild“ mit merkbarem Unwohlsein. Die SPD-Bundestagsfraktion will noch vor Weihnachten einen Entwurf für ein Partizipationsgesetz vorlegen, der eine Quote für Migranten im öffentlichen Dienst vorsieht. Man verweist darauf, dass es sich dabei um ein Vorhaben handle, auf das sich die Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt habe. Da aber stand nichts von Quote. 

21. Okt 2024

Sondern: „Für mehr Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Partizipationsgesetz vorlegen mit dem Leitbild ‚Einheit in Vielfalt‘ und die Partizipation der Einwanderungsgesellschaft stärken (etwa durch Einführung eines Partizipationsrates). In der Bundesverwaltung und in den Unternehmen mit Bundesbeteiligung führen wir eine ganzheitliche Diversity-Strategie mit konkreten Fördermaßnahmen, Zielvorgaben und Maßnahmen für einen Kulturwandel ein.“

Will der Gesetzgeber jetzt aber tatsächlich zur Quotenlösung greifen, so sollte ihm klar sein: Sie ist immer eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Angehörigen des anderen Geschlechts oder einem Menschen anderer Herkunft, der bei gleicher Qualifikation zurückgestellt wird. Er wird schlechter behandelt aufgrund eines Umstands, für den er nichts kann – im Interesse eines politisch-gesellschaftlichen Ziels. Jede Quote muss daher dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen: Formelle Gleichbehandlung und ihre Durchbrechung hin zur faktischen Gleichstellung müssen in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt werden. Dies schließt nicht aus, sogar Regelungen zu erlassen – wie etwa im US-amerikanischen Arbeitsrecht –, die bei hinreichender Rechtfertigung auch eine Bevorzugung von schlechter Qualifizierten zulassen. Feste Anteilsvorgaben unabhängig von der Eignung der Bewerber würden aber noch weiter gehen und sind daher nach bestätigter Rechtsprechung des EuGH unzulässig. Die Luxemburger Richter haben dies mit Blick auf Arbeitnehmerinnen mehrfach so entschieden.

Für das Merkmal des Migrationshintergrunds und für den öffentlichen Dienst kann nichts anderes gelten, denn die Anti-Diskriminierungsrichtlinien gelten auch hier. Somit kann der Staat nicht dafür bestraft werden, wenn er etwa den besser geeigneten Kandidaten ohne Migrationshintergrund bevorzugt – sofern er nicht unzulässig diskriminiert. Mit der Qualität des öffentlichen Diensts könnte anderes auch kaum begründet werden. Der Weg zum Ziel ist also ein steiniger: Quoten sind immer ein Brecheisen. Will man das Risiko der Europarechtswidrigkeit umschiffen, mag man über intelligentere – und gesellschaftlich konsensfähigere – Maßnahmen nachdenken. Gezielte Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund schon von frühester Kindheit an, mehr Studienförderung für einkommensschwache Familien, intensive öffentliche Werbung mit Role Models, die es vorgemacht haben – ganz das, was der Koalitionsvertrag schon unter dem Stichwort Diversity-Strategie angedeutet hat. Das wäre nicht weniger als die Quote und sicherlich besser als diese. Ans Werk! 

Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wo­chen gra­tis tes­ten inkl. On­line-Modul NJW­Di­rekt.

Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.