Kolumne
Kündigungsschutz light
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Foto_Gregor_Thuesing_WEB
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Vielleicht sollte man nicht jedes Interview im Sommerloch so ernst nehmen. Aber der Vorstandsvorsitzende der Münchener Rück verband den Hinweis, dass sein Unternehmen noch nie so gut verdient habe wie im letzten halben Jahr (Gratulation!), mit Rundumkritik. Feiertage sollten abgeschafft werden, Höchstarbeitszeiten gelockert. 

23. Sep 2024

Und vor allem fragte er: "Wofür brauchen wir eigentlich bei nicht vorhandener Arbeitslosigkeit noch den Kündigungsschutz von vor 50 ?Jahren? De facto zwingt er Unternehmen, Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, mit denen es nicht weiterarbeiten möchte."

Genau das ist der Zweck des Kündigungsschutzes, und der bleibt auch wichtig in Zeiten, in denen der Gekündigte bessere Chancen für einen neuen Arbeitsplatz hat als ehemals. Wenn der Wille des Arbeitgebers zur Beendigung genügen soll, dann wäre das „Employment-at-will“, das Recht der USA: Fire for no reason or any reason. Das ist in Deutschland nicht möglich, selbst wenn man es wollte. Das Verfassungsrecht setzt hier Schranken – zu Recht. Schon 1998 stellte das BVerfG fest: „Bei einer Regelung des Kündigungsschutzes sind aufseiten des Arbeitnehmers gewichtige Belange in die Waagschale zu werfen. Berufliche Tätigkeit, für die Art. 12 I GG den erforderlichen Freiraum gewährleistet, kann er ausschließlich durch den Abschluss und den Fortbestand von Arbeitsverträgen realisieren (…). Der Arbeitsplatz ist die wirtschaftliche Existenzgrundlage für ihn und seine Familie. Lebenszuschnitt und Wohnumfeld werden davon bestimmt, ebenso gesellschaftliche Stellung und Selbstwertgefühl. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird dieses ökonomische und soziale Beziehungsgeflecht infrage gestellt.“ Auch wo das KSchG nicht greift, muss es demnach Kündigungsschutz geben – sichergestellt durch die Generalklauseln des Zivilrechts: „Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit in jedem Fall gewährleistet“ (NJW 1998, 1475).

Das heißt nicht, dass alles so bleiben muss, wie es ist. Reformen sind möglich. Die Koalition hat hierzu in ihren Wachstumsimpulsen einen Aufschlag gemacht. Sie will den Kündigungsschutz für Bezieher sehr hoher Einkommen im Finanzsektor lockern, indem die gegenwärtigen Regelungen für „Risk-taker“ in systemrelevanten Banken (§ 25a Va KWG) auch auf nicht-systemrelevante Banken, Versicherungen, Wertpapierinstitute und Kapitalanlagegesellschaften ausgeweitet werden: Abfindungs- statt Bestandsschutz. Dadurch will sie den deutschen Finanzstandort im Wettbewerb mit anderen europäischen Finanzplätzen stärken, die solche Beschränkungen nicht kennen. Die Gewerkschaften haben sich bislang hiergegen massiv gewehrt: Sie befürchten den Einstieg in einen breitflächigen Abbau des Kündigungsschutzes. Die Politik sollte sich hier nicht entmutigen lassen. Der verfassungsrechtliche Freiraum bei der Gestaltung des Kündigungsschutzes ist weit, wenn man seine Ziele nicht schlicht negiert. 

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Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.