Kolumne
Verbotene Konflikte
Kolumne
© Markus Hartung / Frank Eidel

Andere Länder …: Im Vereinigten Königreich sind Tätigkeitsverbote wegen Interessenkonflikten anders geregelt als bei uns. Besser für mögliche Mandanten. In Italien auch, Niederlande und Belgien dito, überhaupt in vielen europäischen Mitgliedstaaten, und auch der Model Code of Conduct des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) schlägt in grenzüberschreitenden Mandaten weitergehenden Schutz vor, indem Anwälte auch dann einem Tätigkeitsverbot unterliegen sollen, wenn ein heutiges Mandat mit Pflichten aus einem alten kollidiert, auch dann, wenn es nicht dieselbe Sache ist.

27. Aug 2024

Auch die American Bar Association befasste sich unlängst in ihrer Formal Opinion 510 mit der Frage, wie eingehend man mit einem möglichen neuen Mandanten im Vorfeld einer Mandatierung sprechen dürfe, ohne sich selbst oder seine Sozietät für ein anderes Mandat zu blockieren, was also „disqualifying information“ sein können und wie man sich in solchen Situationen am besten verhält. Sehr interessante Lektüre auch für nicht-amerikanische Anwälte. Diese Formal Opinions haben es in sich, immer sehr praxisnah, eingehend und gut begründet, sie genießen hohen Respekt, ohne ihrerseits verbindlich zu sein.

Das deutsche Recht ist anders: Gespräche im Vorfeld eines Mandats unterfallen der Verschwiegenheitspflicht, lösen aber kein Tätigkeitsverbot aus, auch dann nicht, wenn sich ein möglicher Mandant sehr weit geöffnet hat. Nach dem deutschen Recht muss sich ein möglicher Mandant im Anbahnungsgespräch gut überlegen, wie viele Informationen er offenbaren möchte, bevor es zur Mandatierung kommt. In den USA und in anderen Ländern ist es umgekehrt, da muss der Anwalt sich gut überlegen, wie viel er sich erzählen lässt, bevor er weiß, ob das Mandat überhaupt zustande kommt. Geht er zu weit, ist er raus, die Sozietät auch. Der Gesetzgeber wollte das im Zuge der BRAO-Reform übernehmen, quasi auf Weltniveau bringen, aber da stand die Anwaltschaft geschlossen dagegen.

Was hat das mit dem Rechtsmarkt zu tun? Mehr als man denkt, denn gerade internationale Wirtschaftskanzleien mit Sitz in Deutschland unternehmen erhebliche Anstrengungen, um mögliche Konflikte zu klären; rechtlich nach verschiedenen Rechtsordnungen, dann auch mandatsstrategisch, oft „politisch“ genannt, denn niemand möchte sich aus einem Mandat oder sogar einem Markt „rausschießen“, da klingt es manchmal arg martialisch. Die verärgerte Bemerkung eines früheren Sozietätspartners, er sei nicht Anwalt geworden, um Mandate abzulehnen, ist verständlich, aber romantisch. Interessenkonflikte sind gerade für Kanzleien, die ihren Markt strategisch betrachten, ein Megathema, man bewegt sich sehr vorsichtig. Auch beim Recruitment, denn der Umgang mit importierten Tätigkeitsverboten durch Sozietätswechsler ist durch das neue Recht nicht einfacher geworden. Obwohl es inzwischen zwei Jahre in Kraft ist, stellt es uns gerade bei Interessenkonflikten noch vor Herausforderungen.

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Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.