Kolumne
Endspurt
Kolumne

Der Bundesarbeitsminister hat am 15.5. der Abgeordneten Susanne Ferschl (Mitglied der Gruppe Die Linke) im Bundestag geantwortet: „Das Bundestariftreuegesetz wird mithelfen, dafür zu sorgen, dass die, die öffentliche Aufträge des Bundes bekommen, nach Tarif bezahlen und übrigens auch die entsprechenden Arbeitsbedingungen gewährleisten müssen. Der Gesetzentwurf ist quasi fertig. Er wurde vom Bundeswirtschaftsminister und von mir erarbeitet; wir haben die gemeinsame Federführung. Wir müssen ihn jetzt ins Kabinett und dann auch in den Bundestag bringen.“ 

8. Jul 2024

Gesehen hat man den Entwurf noch nicht – selbst in die Ressortabstimmung traute man sich noch nicht.

Dabei ist das Ziel wichtig. Alle Bundesländer – bis auf Bayern und Sachsen – haben solch ein Gesetz bereits. Einige Stimmen verkünden schon die Europa- und Verfassungswidrigkeit des Vorhabens. Das erscheint vielleicht dann doch als ein wenig zu mutig. Dabei hat eine solche Regelung durchaus Tradition. Das erste Gesetz, das Auftragnehmern der öffentlichen Hand vorschrieb, das am Ort vorherrschende Entgelt (die sogenannte prevailing wage) zu zahlen, wurde bereits 1894 im Staat New York erlassen. Gleichzeitig verbot es den Auftragnehmern, Einwanderer und Ausländer zu beschäftigen – die Zielrichtung des damals von den Gewerkschaften massiv geforderten Regelwerks war von Anfang an klar. Andere Staaten schlossen sich dem an; ein Durchbruch erfolgte 1931, als im Zuge der Weltwirtschaftskrise auf Bundesebene der Davis-Bacon Act verabschiedet wurde. Die Diskussion war sehr kontrovers. Dennoch ist dieses Gesetz bis heute gültig – und die gesamte Zeit umstritten geblieben. Man schätzt, dass es zusammen mit den einzelstaatlichen Parallelvorschriften heute etwa 20 bis 25 % des Markts abdeckt. Über die Auswirkungen liegen umfangreiche Studien vor. Das ökonomische Schrifttum reicht zurück bis in die 60er-Jahre. Die Argumente für und gegen die Beibehaltung sind vielfältig und komplex. Auch in Deutschland haben wir diese Diskussion schon seit mehr als 20  Jahren. Führende Wirtschaftsinstitute haben sich damals gegen eine Verabschiedung des Gesetzes ausgesprochen, weil zu befürchten sei, dass sich die Ausgabenstrukturen der Gebietskörperschaften zu Lasten der nach wie vor dringend erforderlichen Investitionen verschieben würden.

In der Tat: Wer marktregulierende Gesetzgebung verabschiedet, der muss plausibel darlegen können, dass das Mehr an Verteilungsgerechtigkeit das Weniger an Wirtschaftlichkeit aufwiegt. Dafür ist eine offene Diskussion erforderlich. Die fehlt bislang. Letztlich geht es um die Frage: Verdient die Allgemeinheit, um deren Steuern es geht, oder der – wegen fehlender Vertretung durch eine tarifdurchsetzungsstarke Gewerkschaft – schwächere Teil der in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer stärkeren Schutz? Hierzu muss ein Konsens gefunden werden. Wo der liegen könnte, ist offen. Warten wir es ab. Endspurt!

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Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.