Kolumne
Jobturbo

Papst Franziskus hat sich an französische Unternehmer gewandt, die im vergangenen August zu ihrem Jahrestreffen zusammengekommen sind. "Eine der wichtigsten Möglichkeiten, sich am Gemeinwohl zu beteiligen, ist heute die Schaffung von Arbeitsplätzen; von Arbeitsplätzen für alle, besonders für junge Menschen", beginnt seine Botschaft an die Wirtschaftsschaffenden.

22. Apr 2024

Und er ergänzt: "Jeder neu geschaffene Arbeitsplatz ist geteilter Reichtum. Ein Reichtum, der nicht in den Banken landet, die Finanzinteressen produzieren, sondern der investiert wird, damit mehr Menschen arbeiten und ihr Leben menschenwürdiger gestalten können. Und wenn es stimmt, dass die Arbeit den Menschen ,veredelt’, dann stimmt es umso mehr, dass es der Mensch ist, der die Arbeit veredelt. Wir, und nicht die Maschinen, sind der wahre Wert der Arbeit."

Das Gesagte mag auch den zum Nachdenken anregen, dem das Framing zu fromm ist. Verglichen mit dem Januar des vorigen Jahres ist die Arbeitslosenzahl um 189.000 höher. Die Arbeitslosenquote stieg von Dezember auf Januar um 0,4 Prozentpunkte auf 6,1 %. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich die Quote im selben Maß erhöht. Von einer Massenarbeitslosigkeit sind wir damit weit entfernt; im historischen Vergleich sind die Zahlen immer noch niedrig, aber die Prognose verheißt nichts Gutes. Es braucht push and pull. Die Neuregelung der Bürgergeldsanktionen bei Verweigerern gehört genauso dazu wie der "Jobturbo" für geflüchtete Ukrainer. Auch das Bürokratieentlastungsgesetz kann seinen Beitrag dazu leisten. Aber anderes ist noch auf dem Weg und droht zu versanden. Regelungen zur Stärkung der Tarifautonomie etwa sind im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt, aber wie sie dann konkret aussehen, ist offen. Arbeitszeitflexibilisierung soll erprobt werden – doch auch ein Experimentierraum hierfür bleibt geschlossen.

Den meisten ist es längst bewusst: Die aktuell größten Probleme unserer Gesellschaft sind nicht die Klimakrise und erst recht nicht das Gendersternchen. Es ist der soziale Sprengstoff, an den die Parteien der Ränder schon die Lunte gelegt haben. Gesellschaftlicher Friede braucht sozialen Frieden. Der braucht soziale Sicherheit. Soziale Sicherheit braucht Arbeit, von der man leben kann. Die Integration in den Arbeitsmarkt muss weiterhin ein zentrales Ziel der Weiterentwicklung des Arbeits-, aber auch des Sozialrechts sein. Arbeit muss sich lohnen – und sie muss so gestaltet sein, dass sie dem Menschen dient. Es wird vielleicht nicht ohne Schweiß und Tränen gehen. Die Modifizierung und die Flexibilisierung müssen in Angriff genommen werden; sicherlich behutsam, aber doch konsequent und ohne Furcht vor dem Druck derer, deren Blick allein auf die gerichtet ist, die den Status quo bewahren wollen. Arbeitsrechtlicher Schutz auf dem Rücken derer, die den Weg in den Arbeitsmarkt nicht finden, ist kein Fortschritt in der sozialen Entwicklung, keine Errungenschaft, die zu verteidigen ist, sondern ein Schutzwall um die Gefilde der Seligen.

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Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.