Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 19/2023 vom 28.09.2023
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Sachverhalt
Die Kläger sind Mieter einer Zweizimmerwohnung eines Mehrfamilienhauses, die Beklagte ist die Vermieterin. Die Kläger halten in der Wohnung einen Hund. Nachdem die Beklagte ihnen die nach § 11 des Mietvertrages vorausgesetzte Zustimmung zur Haltung des Tieres versagt hatte, kündigte sie das Mietverhältnis.
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass sie den Hund auch ohne Zustimmung der Beklagten halten dürften, hilfsweise auf Erteilung der Zustimmung zur Hundehaltung. Die Beklagte begehrt widerklagend Räumung und Herausgabe der Wohnung, hilfsweise, die Entfernung des Hundes aus der Wohnung.
Das Amtsgericht hat die Klage vollständig sowie die Widerklage mit dem Hauptantrag – mangels vorheriger Abmahnung – abgewiesen; dem Hilfswiderklageantrag auf Entfernung des Tieres aus der Wohnung hat das Amtsgericht stattgegeben.
Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren Berufungen.
Entscheidung
Die Berufung der Kläger hat, im Gegensatz zur Berufung der Beklagten, Erfolg.
Die in § 11 des Mietvertrags vorgesehene Regelung über ein Zustimmungserfordernis zur Hundehaltung sei gemäß § 307 BGB unwirksam, da sie die Mieter entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen seien vorliegend anwendbar. Die Klausel verstoße jedenfalls bei der gemäß § 305c Abs. 2 BGB gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung gegen § 307 BGB, weil sie die Zustimmung des Vermieters zur Haustierhaltung mangels definierten Entscheidungsmaßstabs in dessen freies Belieben stelle.
Fehle es an sachlichen Kriterien, an denen sich die Entscheidung des Vermieters auszurichten habe und sei die Klausel – mieterfeindlich – dahin auslegbar, dass die Entscheidung des Vermieters „in dessen freies, das heißt an keine nachprüfbaren Voraussetzungen gebundenes Ermessen“ gestellt werde, liege eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor, sodass die Klausel unwirksam sei und die Zulässigkeit der Haustierhaltung nicht von einer Zustimmung des Vermieters abhänge.
Dies sei vorliegend der Fall, da die Klausel überhaupt keine Kriterien vorgebe, an der sich die Entscheidung des Vermieters über die Erteilung oder Versagung der Zustimmung auszurichten habe und deshalb gemäß § 305c Abs. 2 BGB dahin verstanden werden kann, dass die Erteilung der Zustimmung im freien Belieben des Vermieters stehe.
Dies werde auch durch die Antwort der Beklagten auf die Zustimmungsanfrage der Kläger deutlich, in der es heiße, die Hundehaltung sei „in all unseren Objekten nicht gewünscht“, weil es erfahrungsgemäß „immer wieder zu Problemen“ führe. Die Antwort zeige, dass die Beklagte erkennbar keine sachlichen Prüfungskriterien in Form einer irgendwie auf den Einzelfall konkretisierten Störungsprognose zu Grunde gelegt, sondern jegliche Hundehaltung als grundsätzlich „nicht erwünscht“ abgelehnt habe.
Sei die Klausel über den Zustimmungsvorbehalt in § 11 des Mietvertrages unwirksam, so fehle es an einer vertraglichen Regelung und hänge es von einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten ab, ob die konkrete Hundehaltung vom Mietgebrauch umfasst sei oder nicht. Gleichwohl sei der Feststellungsklage stattzugeben, da die Zulässigkeit der Hundehaltung entgegen § 11 des Mietvertrages jedenfalls nicht von einer Zustimmung der Beklagten abhänge.
Die Berufung der Kläger sei auch insoweit begründet, als sie die Abweisung der Widerklage begehren. Die Beklagte habe gegen die Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung der Hundehaltung nach § 541 BGB, denn diese sei nach umfassender Abwägung aller zu berücksichtigenden Interessen vorliegend vom Mietgebrauch nach § 535 Abs. 1 BGB umfasst. Die von den Beklagten vorgebrachten und von dem Amtsgericht übernommenen Bedenken gegen die charakterliche Eignung von Hunden der Rasse X für eine Haltung in Mehrfamilienhäusern seien zwar beachtlich, vermögen aber ein Verbot der Hundehaltung vorliegend nicht zu rechtfertigen. Den aufgezeigten Risiken eines besonders ausgeprägten Bewegungsdrangs, eines starken Beschützerinstinkts und eines schwach ausgeprägten Talents, unbeaufsichtigt in der Wohnung zurückzubleiben, halten die Kläger unter anderem entgegen, dass sie beide im Schichtdienst tätig seien, sich also abwechselnd um die Betreuung des Tieres kümmern könnten und würden, dass sie über langjährige Erfahrung mit der Betreuung und Erziehung von Hunden verfügen und außerdem auf zusätzliche Unterstützung von Nachbarn zurückgreifen könnten. Die Beklagte habe diese besonderen Umstände nicht ausreichend in den Blick genommen und deswegen die aus der Rassezugehörigkeit X fließenden absehbaren Risiken der Hundehaltung zu Unrecht als von vorne herein unbeherrschbar eingeschätzt. Sie habe dabei auch nur unzureichend berücksichtigt, dass die Kläger selbstverständlich für Abhilfe sorgen und die Hundehaltung in der Wohnung notfalls werden beenden müssten, sollten sich die von der Beklagten aufgezeigten Risiken realisieren und es ungeachtet der Bemühungen der Kläger um die Haltung und Erziehung des Hundes zukünftig durch den Hund zu Störungen der anderen Hausbewohner oder sonst zu Beeinträchtigungen der Interessen der Beklagten kommen. Das verbleibende Risiko einer solchen zukünftigen Entwicklung rechtfertige es aber nicht, den Klägern die Hundehaltung von vorne herein unter Berufung auf ein dahingehendes Interesse der übrigen Hausbewohner zu verbieten – zumal unstreitig sämtliche Nachbarn im Wissen darum, dass es sich bei dem Tier derzeit noch um einen Welpen handele, ihr Einverständnis mit der Hundehaltung erklärt hätten.
Praxishinweis
Dem Urteil ist zuzustimmen.
Das LG Berlin folgt der Rechtsprechung des BGH (BeckRS 2013, 4749), wonach Tierhaltungsklausel in Mietverträge, die die Zustimmung des Vermieters vorsehen, immer dann unwirksam sind, wenn die Entscheidung des Vermieters an keine überprüfbaren Beurteilungsvoraussetzungen gebunden ist. Der Vermieter hat kein berechtigtes Interesse an einem derart schrankenlosen Erlaubnisvorbehalt.
Ist die Klausel unwirksam, hängt die Frage, ob die Haltung von Haustieren zum vertragsgemäßen Gebrauch nach § 535 Abs. 1 BGB gehört, von einer umfassenden Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten im Einzelfall ab.
Wirksam sind Tierhaltungsklauseln in Formularmietverträgen somit auch nur, wenn sie eine solche Einzelfallprüfung vorsehen. Maßstab hierfür ist im Wesentlichen die Sicherheit und Ordnung im Haus (Artz, Börstinghaus, AGB in der Wohnraummiete, 2019, Teil II Rn. 353). Umstände, die im Rahmen der Interessensabwägung von Bedeutung sein können, sind zB. Art, Größe und Verhalten des Tieres, Anzahl der Tiere, Zustand und Lage der Wohnung, aber auch persönliche Fähigkeiten des Mieters, insbesondere Alter sowie die berechtigten Interessen der anderen Hausbewohner (Milger MDR 2014, 443, 447).
LG Berlin, Urteil vom 07.12.2022 - 64 S 151/22 (AG Berlin-Köpenick), BeckRS 2022, 50990