Urteilsanalyse
Klage auf materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch
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Die klagende Partei kann nach einem Urteil des BGH hilfsweise einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch für den Fall geltend machen, dass ihr aufgrund der Abweisung des Hauptantrags kein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegen die beklagte Partei erwächst.

25. Mai 2021

Anmerkung von
Richter am KG Dr. Oliver Elzer

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 10/2021 vom 14.05.2021

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Sachverhalt

Nach Einspruch gegen ein klageabweisendes Versäumnisurteil stellt die Klägerin ihre Klage um. Der Beklagte soll jetzt nicht mehr wegen eigener Täterschaft, sondern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Klägerin durch bewusstes Verschweigen der Identität eines ihm bekannten Täters in Anspruch genommen werden. Sie beantragt außerdem hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr die durch seine gerichtliche Inanspruchnahme im Streitfall entstandenen Kosten zu erstatten. 

Das AG hält das klageabweisende Versäumnisurteil aufrecht. Nach zunächst unbeschränkt eingelegter Berufung nimmt die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung die Klage mit dem auf Zahlung gerichteten (Haupt-)Antrag zurück und hält nur noch an dem auf Feststellung gerichteten (früheren Hilfs-)Antrag fest. Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt gestellten Feststellungsantrag weiter. Fraglich ist ua, was der Streitgegenstand ist.

Entscheidung: Streitgegenstand ist ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der Kosten, die der Klägerin durch den (früheren) Hauptantrag entstanden sind!

Der Feststellungsantrag sei dahin auszulegen, dass die Klägerin einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch für den Fall geltend mache, dass ihr aufgrund der Abweisung des Hauptantrags kein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten erwachse. Der ehemalige Hilfsantrag habe sich auf den Hauptantrag in seiner geänderten Fassung bezogen, da die Klageänderung dazu geführt hatte, dass der Klagegrund für den bisherigen Hauptantrag seine Bedeutung verloren habe. Durch die Rücknahme des geänderten Hauptantrags in zweiter Instanz habe sich an dieser Auslegung nichts geändert. Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch der Klägerin sei aufgrund ihrer entsprechend § 269 III 2 ZPO eingetretenen Kostentragungspflicht ausgeschlossen. 

Da der frühere Hauptantrag auch in zweiter Instanz zunächst noch rechtshängig gewesen sei, umfasse der Feststellungsantrag die aus dem Hauptantrag entstandenen Prozesskosten erster und zweiter Instanz. Soweit die Klägerin nach Schluss der Berufungsverhandlung schriftsätzlich vorgebracht habe, Gegenstand des Feststellungsantrags sei nur das Kosteninteresse erster Instanz, sei diese nachträglich geäußerte Rechtsansicht für dessen Auslegung ohne Bedeutung.

Praxishinweis

Der BGH bestätigt im Kern, dass die klagende Partei im Laufe des Rechtsstreits im Wege der Klageänderung ihre Kosten zum Gegenstand an einer Feststellungsklage machen kann. 

Nach seiner ggf. eigenwilligen Antragsdeutung (gegen die Erklärung der Partei?) war allerdings zu fragen, ob ein Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) vorliegt. Das hat BGH bejaht! Das Feststellungsinteresse fehle nicht wegen des Vorrangs der Leistungsklage. Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage genüge es nämlich, dass das Feststellungsinteresse ursprünglich gegeben gewesen sei. Sei eine Feststellungsklage in zulässiger Weise erhoben worden, so sei der Kläger nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Schaden bezifferbar werde. Das Feststellungsinteresse bestehe auch dann (insgesamt), wenn der Anspruch teilweise schon bezifferbar sei. Nach diesen Grundsätzen liege im Fall das Feststellungsinteresse vor. Für dessen Annahme genüge es, dass die Schadenentwicklung zum Zeitpunkt der nur hilfsweisen Erhebung des Antrags nicht abgeschlossen und dessen abschließende Bezifferung nicht möglich gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei es insbesondere noch offen gewesen, ob es zu Rechtsmittelverfahren kommen würde.

Eine Klage ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses freilich unzulässig, wenn dem Kläger ein einfacherer und billigerer Weg zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels zur Verfügung steht. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf der Kläger allerdings nicht verwiesen werden. Das Kostenfestsetzungsverfahren stellt gegenüber der Geltendmachung des materiell-rechtlichen Anspruchs auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten im Wege einer gesonderten Klage einen einfacheren und schnelleren Weg zur Erreichung des Rechtsschutzziels dar. Im Fall bezog sich Feststellungsantrag indes auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch für einen früheren Hauptantrag, für den ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch ausgeschlossen war.

BGH, Urteil vom 17.12.2020 - I ZR 228/19, GRUR-RS 2020, 40306