Urteilsanalyse
Kfz-Versicherung deckt Explosion der Batterie beim Startvorgang ab
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Nach dem Sinn und Zweck der Kfz-Versicherung sind nur unmittelbar vom Fahrzeug ausgehende Gefahren abgedeckt. Eine solche Gefahr stellt aber laut Oberlandesgericht Dresden Dresden die Explosion der Batterie des versicherten Fahrzeugs beim Startvorgang dar, auch wenn dieser mit einer Starthilfe durch ein anderes Fahrzeug unterstützt wird.

14. Sep 2021

Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 17/2021 vom 02.09.2021

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VVG § 115; AKB 2015 A.1.1, G.8, H.1

Sachverhalt

Der Kläger begehrt von dem Versicherer des Beklagten Ersatz für erlittenen Personenschaden. Versichert war ein Lkw, der aber nicht mehr zum Verkehr zugelassen war und auf einem Privatgrundstück stand. Der Kläger wollte das Fahrzeug kaufen. Bei einer Besichtigung misslang zunächst ein Startversuch, bei einem zweiten mit Hilfe eines Starthilfekabels explodierte die Batterie und verletzte den Kläger schwer im Gesicht.

Die Beklagte lehnte die Übernahme von Ansprüchen ab. Der Startvorgang sei eine besonders gefährliche Situation gewesen, in die der Kläger sich nicht hätte begeben dürfen. Das Fahrzeug hätte vielmehr in eine Werkstatt verbracht und anschließend wieder zum Verkehr zugelassen werden müssen. Mit der Klage und dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hatte der Kläger beim Landgericht keinen Erfolg. Gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe legte er sofortige Beschwerde ein.

Rechtliche Wertung

Mit seiner Beschwerde hat der Kläger Erfolg. Das Oberlandesgericht bewilligte Prozesskostenhilfe. 

Im Rahmen eines PKH-Verfahrens seien die Erfolgsaussichten lediglich im Weg einer summarischen Prüfung zu beurteilen, so die Richter. Es komme ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 1 BGB, § 7 StVG und § 115 VVG in Verbindung mit A.1.1, H.1 AKB (2015) in Betracht. Die Haftpflichtversicherung müsse Schäden ersetzen, die beim Gebrauch des Fahrzeugs entstanden sind. Der Begriff des Gebrauchs gehe über den Begriff des Betriebs des § 7 StVG hinaus und umfasse jeden Vorgang und jede Handlung, die mit dem Verwendungszweck des Fahrzeugs oder seiner Einrichtung zeitlich oder örtlich in unmittelbarem Zusammenhang stehe.

Unter den Gebrauch des Fahrzeugs fallen danach alle mit der Benutzung typischerweise verbundenen Gefahren. Diese Gefahren müssten in einem adäquaten Zurechnungszusammenhang zum eingetretenen Erfolg stehen. Es sei nicht Zweck der Kfz-Haftpflichtversicherung, andere Haftungsrisiken als die unmittelbar vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren abzudecken. Kein Gebrauch des Fahrzeugs liege zum Beispiel dann vor, wenn es lediglich zur Starthilfe für ein anderes Fahrzeug verwendet werde. Hier allerdings sei es umgekehrt. Das versicherte Fahrzeug sei hier nicht als reine Energiequelle genutzt worden, sondern habe gestartet werden und einen Probelauf absolvieren sollen. Das unterfalle dem versicherten Gebrauch.

Darüber hinaus sei die Versicherung auch zuständig nach der Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs. Der Versicherer habe einen fehlenden Wiederzulassungswillen des Versicherungsnehmers zu beweisen. Die uneingeschränkte Fahrzeugversicherung wandle sich in eine Ruheversicherung um, wenn die Stilllegung länger als zwei Wochen aber nicht länger als 18 Monate andaure.

Darüber hinaus sei auch die Wahl der Feststellungsklage nicht zu beanstanden. Eine Klage auf Feststellung zur Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden sei zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts bestehe. Ein Feststellungsinteresse sei nur dann zu verneinen, wenn aus Sicht des Geschädigten kein Grund gegeben sei, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen. Befinde sich der Schaden aber noch in der Entwicklung, sei es zulässig, von einer Bezifferung auch der bereits eingetretenen immateriellen Schäden abzusehen und diese insgesamt einem Feststellungsantrag vorzubehalten.

Praxishinweis

Für die Praxis ist die Entscheidung von großem Interesse. Die Frage der Haftung ist sehr deutlich gelöst. Auch die Frage des Versicherungsschutzes und zuletzt die Frage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage sind in einem Fall angesprochen und gelöst. Gerade, weil sich ähnliche Fälle in der Praxis ständig wiederholen, sei die Entscheidung zur Lektüre empfohlen.

OLG Dresden, Beschluss vom 19.07.2021 - 4 W 475/21 (LG Leipzig), BeckRS 2021, 21843