Anmerkung von
Rechtsanwalt Thomas Dömmecke, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft
Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 02/2022 vom 21.01.2022
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Sachverhalt
Die spätere Insolvenzschuldnerin gab Genussrechte aus, die gewinnabhängige Zahlungen an die Zeichner vorsahen. Mit den eingenommenen Mitteln kaufte sie unter anderem Lebensversicherungspolicen an oder schloss selbst solche Versicherungen ab, die sie aber zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs teilweise deutlich vor Eintritt des Versicherungsfalles kündigte. Die festgestellten und testierten Jahresabschlüsse der späteren Insolvenzschuldnerin wiesen jeweils Gewinne aus, auf deren Basis Auszahlungen an die Genussrechtsinhaber erfolgten.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt der klagende Insolvenzverwalter von dem beklagten Genussrechtsinhaber die Rückgewähr der Ausschüttungen aufgrund von Schenkungsanfechtung, hilfsweise aus Bereicherungsrecht.
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision möchte der Kläger die Verurteilung des Beklagten erreichen.
Entscheidung
Die Revision ist erfolgreich. Der BGH hebt das Urteil des OLG auf und weist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Der BGH geht zunächst davon aus, dass dem Beklagten nach den Genussrechtsbedingungen grundsätzlich gewinnabhängige Ausschüttungen zustanden.
Für die Frage, ob ein Gewinn vorlag, komme es nicht auf den Inhalt des jeweiligen Jahresabschlusses an, sondern auf die wahre Ertragslage. Diese sei bei der Insolvenzschuldnerin fraglich, da sie die Versicherungen zu hohen Preisen erworben habe, diese jedoch vorzeitig und daher mit Verlusten gekündigt habe.
Damit aber hätte sich den für die Insolvenzschuldnerin handelnden Personen aufdrängen müssen, dass die Voraussetzung für die Ausschüttungen tatsächlich nicht vorlag. Detaillierte Kenntnisse über die Abweichung zwischen bilanzierten Werten und tatsächlichen Werten seien nicht erforderlich.
Vor diesem Hintergrund komme eine Leistung in Kenntnis der Nichtschuld in Betracht, weshalb nach § 814 BGB ein bereicherungsrechtlicher Anspruch ausscheide.
Zahle ein Insolvenzschuldner im Zwei-Personen-Verhältnis auf einen tatsächlich nicht bestehenden Anspruch und habe er Kenntnis von der Nichtschuld, so könne der Anwendungsbereich der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO eröffnet sein. Denn der Leistung stehe aufgrund § 814 BGB kein Kondiktionsanspruch des Leistenden gegenüber, sie sei daher für den Leistungsempfänger unentgeltlich.
Praxishinweis
Erneut hatte sich der BGH mit der Frage der Unentgeltlichkeit im Zwei-Personen-Verhältnis bei gescheiterten Kapitalanlagemodellen zu befassen.
Er betont erneut, dass auch bei betrügerischen Anlagemodellen den Anlegern grundsätzlich die vertraglich, insbesondere in AGB vorgesehenen Ausschüttungen zustehen können. Erfolgen Ausschüttungen, ohne dass deren vertraglich vereinbarte Voraussetzungen vorliegen, so kann ein bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch nur bestehen, wenn sie in der irrtümlichen Annahme erfolgten, die Voraussetzungen lägen doch vor. Ansonsten kommt die Schenkungsanfechtung in Betracht.
Klagt ein Insolvenzverwalter in einer derartigen Konstellation aus Anfechtungsrecht, so sollte er darlegen, dass der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin tatsächlich keinen oder nur einen geringeren Gewinn erwirtschaften konnte als in den Jahresabschlüssen ausgewiesen. Auf die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse im aktienrechtlichen Sinne kommt es hingegen nicht an.
BGH, Urteil vom 02.12.2021 - IX ZR 112/20 (OLG Jena), BeckRS 2021, 41229