Urteilsanalyse
Keine wirksame Unterzeichnung eines Klageerzwingungsantrags durch einen Hochschullehrer, der nicht zugleich Rechtsanwalt ist
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Ein Hochschullehrer, der nicht zugleich Rechtsanwalt ist, ist nach einem Beschluss des OLG Zweibrücken gemäß § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO zur Stellung eines Klageerzwingungsantrags nicht befugt.

9. Mai 2022

Anmerkung von Rechtsanwältin Dr. Ruth Anthea Kienzerle, Ignor & Partner GbR, Berlin

Aus beck-fachdienst Strafrecht 09/2022 vom 06.05.2022

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Sachverhalt

Mit angefochtenem Bescheid gab die GenStA der Beschwerde des Antragstellers (A) gegen die Einstellungsverfügung der StA keine Folge. Hiergegen wandte sich A mit dem von seinem Prozessbevollmächtigtem, einem Hochschullehrer mit der Befähigung zum Richteramt, unterzeichneten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO.

Entscheidung

Der Senat verwarf den Antrag als unzulässig.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 172 Abs. 3 Satz 2 1. HS StPO sei zur Stellung und Unterzeichnung eines Klageerzwingungsantrags ausschließlich der Rechtsanwalt befugt. Im vorliegenden Fall sei der Antrag indes von einem Hochschulrechtslehrer mit Befähigung zum Richteramt unterzeichnet. Dieser stehe einem Rechtsanwalt nicht generell gleich, sondern könne lediglich als Verteidiger gewählt werden. Der Verfahrensvertreter eines Antragstellers im Klageerzwingungsverfahren sei kein Verteidiger. Zwar spreche eine teleologische Auslegung von § 172 Abs. 3 Satz 2 1. HS StPO für die Zulassung von Rechtslehrern. § 138 Abs. 1 StPO beziehe sich aber ausschließlich auf den Verteidiger und § 138 Abs. 3 StPO könne nicht entsprechend auf das Klageerzwingungsverfahren angewendet werden.

Auch inhaltlich erfülle der Antrag nicht die gesetzlichen Anforderungen. Die Einhaltung der zweiwöchigen Beschwerdefrist sei nicht dargetan. Die Antragsbegründung enthalte keine Angaben dazu, wann die StA die Verfahrenseinstellung verfügt habe, wann die Mitteilung zugegangen sei und wann Beschwerde eingelegt worden sei. Den Anlagen lasse sich zwar entnehmen, dass die Mitteilung über die Verfahrenseinstellung an den Verfahrensvertreter vom 6.12.2021 datiere. Dem Bescheid der GenStA lasse sich entnehmen, dass die Beschwerde am 29.12.2021 eingelegt worden sei. Dass die Einstellungsmitteilung erst am 15.12.2021 zugegangen sei, sei indes nicht selbstverständlich. Dass sich der Zeitpunkt des Zugangs der Akte entnehmen lasse, reiche nicht aus.

Praxishinweis

Die Entscheidung entspricht der st. Rspr., der zufolge nur ein zugelassener Rechtsanwalt das Gericht für den Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren anrufen kann. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Norm und des Regelungszusammenhangs ist dagegen de lege lata jedenfalls im Ergebnis nichts zwingend zu erinnern, auch wenn teleologische Gesichtspunkte für die Zulassung von Professorinnen und Professoren im Klageerzwingungsverfahren sprechen (siehe schon FD-StrafR 2021, 440317).

Dem Argument, § 138 Abs. 3 StPO normiere eine generelle Gleichstellung von Rechtsprofessorinnen und -professoren und sei folglich auch auf § 172 StPO anzuwenden (Sobota, StV 2022, 139, 140; LR-StPO/Jahn, § 138 Rn. 65), hat sich der Senat vorliegend nicht angeschlossen. Er begründete das damit, dass § 138 Abs. 3 StPO andere Fälle benenne, die sich dadurch auszeichnen würden, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich gerade nicht vorgeschrieben sei. § 172 Abs. 3 Satz 2 1. HS StPO normiere Anwaltszwang indes für ein Verfahren, in dem der Antragsteller mit den Ermittlungsbehörden (und nicht dem Beschuldigten) konfrontiert sei.

Dieses Argument dürfte ebenso vertretbar und gleichwohl nicht zwingend sein, wie es auch die Gegenargumentation ist (a.A. Sobota, a.a.O., demzufolge es „mit dem geltenden Recht unvereinbar“ sei, § 138 Abs. 3 StPO nicht auf § 172 Abs. 3 StPO anzuwenden). Um den Rechtsschutz der Betroffenen zu stärken, erscheint es daher erfolgsversprechender, den Fokus auf die vielfach überspannten Anforderungen zu lenken, die die Judikatur an die Antragsinhalte in anderer Hinsicht stellt (Kudlich, JA 2021, 779, 781). Die hohen Anforderungen, beispielweise im Hinblick auf den notwendigen Vortrag, sind ersichtlich an die Erfordernisse einer Verfahrensrüge bei der Revision angenähert. Die hochschwellige Auslegung der Rspr. findet jedoch – anders als der hier in Rede stehende Anwaltszwang – vielfach keinen Niederschlag im Wortlaut von § 172 Abs. 3 StGB. Die von den überzogenen Anforderungen ausgehende abschreckende Wirkung, die sich auch in äußerst geringen Erfolgsaussichten im Klageerzwingungsverfahren niederschlägt, steht ferner im Widerspruch zur Funktion des Klageerzwingungsantrags: Dieser ist kein reiner Individualrechtsbehelf, sondern dient auch der Kontrolle der Strafverfolgungsbehörden und der Gewährleistung des Legalitätsprinzips (MüKo-StPO/Kölbel, § 172 Rn. 65). Stellt man das in Rechnung fällt es schwer sich dem Eindruck zu erwehren, dass die Rspr. v.a. deshalb so strenge Anforderungen an Klageerzwingungsanträge (und deren Unterzeichnung) stellt, um sich möglichst wenig mit justizeigenen Fehlern auseinandersetzen zu müssen.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.03.2022 - 1 Ws 36/22, BeckRS 2022, 7482