Urteilsanalyse
Keine Vergütung nach dem RVG für einen ehemaligen Rechtsanwalt
Urteilsanalyse
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Wird ein ehemaliger Rechtsanwalt zum Abwickler seiner eigenen Kanzlei bestellt und wird dieser ehemalige Rechtsanwalt in einem Rechtsstreit durch den Abwickler vertreten, fällt nach einem Beschluss des LG Lübeck keine anwaltliche Vergütung an, die der Prozessgegner im Unterliegensfall zu erstatten hätte.

23. Jul 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 14/2021 vom 15.07.2021

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Sachverhalt

Der Kläger, ein ehemaliger Rechtsanwalt, erlangte in einem Prozess über die Vergütung für eine noch als Anwalt vorgenommene Vertretung in einem Mietrechtsprozess ein rechtskräftiges Versäumnisurteil. In dem Vergütungsprozess war er nicht mehr als Anwalt, sondern als „als bestellter eigener Abwickler“ aufgetreten. Der Kläger begehrte die Erstattung anwaltlicher Gebühren, die das Amtsgericht antragsgemäß festsetzte. Dagegen legte der Beklagte sofortige Beschwerde ein. Er monierte, dass der Kläger kein Rechtsanwalt mehr sei und nicht mehr nach der anwaltlichen Gebührenordnung abrechnen dürfe.

Entscheidung: Vergütung nach RVG steht nur Rechtsanwälten zu

Die Beschwerde war erfolgreich.

Der Kläger könne keine nach dem RVG berechnete Vergütung erstattet verlangen. Die Vergütung nach dem RVG stehe nur Rechtsanwälten (vgl. § 1 RVG) zu. Der Kläger sei jedoch vor Anhängigkeit des Vergütungsprozesses kein Rechtsanwalt mehr gewesen. Ebenso greife § 5 RVG nicht, wonach die Vergütung auch dann nach dem RVG bemessen werde, wenn der Rechtsanwalt durch einen Rechtsanwalt, den allgemeinen Vertreter, einen Assessor beim Rechtsanwalt oder einen zur Ausbildung zugewiesenen Referendar vertreten werde. Ferner sei eine Bemessung der Vergütung nach dem RVG über § 5 RVG auf Fälle der Vertretung durch die dort genannten Personen beschränkt. Der Abwickler einer Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts (§ 55 Abs. 5 BRAO) sei in § 5 RVG aber nicht aufgeführt. Er sei auch nicht der allgemeine Vertreter (§ 53 BRAO) des früheren Rechtsanwalts. Zu diesem bestehe vielmehr ein grundlegender Unterschied.

Der gemäß § 55 Abs. 1 oder 5 BRAO bestellte Abwickler stehe in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zu der ihn bestellenden Rechtsanwaltskammer. Er übe seine öffentlich-rechtliche Berufspflicht fremdnützig wie ein verwaltender Treuhänder aus, ohne dass er bei der Amtsausübung gegenüber Dritten schuldrechtlichen Bindungen unterliege. Hinsichtlich der anwaltlichen Rechte und Pflichten trete der Abwickler an die Stelle des früheren Rechtsanwalts und übernehme dessen anwaltliche Aufgaben und Befugnisse sowohl gegenüber den Mandanten als auch gegenüber den Gerichten und Behörden. Der Abwickler habe die laufenden Mandate eigenverantwortlich fortzuführen und gelte für die schwebenden Angelegenheiten als vom Mandanten bevollmächtigt. Demgegenüber sei der Vertreter gemäß § 53 BRAO lediglich Erfüllungsgehilfe des Vertretenen und trete nicht in Mandatsverhältnisse ein.

Praxishinweis

Der Personenkreis, der berechtigt ist, nach dem RVG abzurechnen, wird durch § 1 RVG bestimmt. Umstritten ist beispielsweise die Vergütung eines anwaltlich tätigen Hochschullehrers (siehe hierzu näher Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 1 RVG Rn. 13). Der Abwickler wird von § 1 RVG nicht erfasst. Er fällt auch nicht in den Personenkreis, der nach § 5 RVG bei Vertretung eines Rechtsanwalts Abrechnung der RVG-Vergütung durch den Rechtsanwalt ermöglicht (siehe hierzu näher Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 5 RVG Rn. 1 ff.).

LG Lübeck, Beschluss vom 22.06.2021 - 7 T 280/21 (AG Eutin), BeckRS 2021, 15638