Urteilsanalyse

Keine Ver­erb­lich­keit der Grab­pfle­ge­auf­la­ge beim Tod des Ver­mächt­nis­neh­mers
Urteilsanalyse
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Die tes­ta­men­ta­risch an­ge­ord­ne­te Be­las­tung eines Ver­mächt­nis­neh­mers mit der Grab­pfle­ge ist eine höchst­per­sön­li­che Auf­la­ge, die nach einem Ur­teil des AG Mün­chen mit dem Tod des Ver­mächt­nis­neh­mers nicht auf des­sen Erben über­geht. 

19. Jan 2024

An­mer­kung von 
JR Dr. Wolf­gang Lit­zen­bur­ger
              
Aus beck-fach­dienst Erbrecht 01/2024 vom 15.01.2024

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des mo­nat­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Erbrecht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Erbrecht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Erb­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

 

Sach­ver­halt

Die Par­tei­en strei­ten um die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Grab­pfle­ge. Der Klä­ger ist ein­zi­ger Sohn und Al­lein­er­be der 2018 ver­stor­be­nen Erb­las­se­rin. Die Be­klag­ten sind Er­bin­nen zu je 1/2 der 2021 ver­stor­be­nen Nich­te der Erb­las­se­rin.

Mit pri­vat­schrift­li­chem Tes­ta­ment vom 28.03.2015 traf die Erb­las­se­rin fol­gen­de letzwil­li­ge Ver­fü­gung:

„Meine Urne soll im el­ter­li­chen Grab in…. bei­ge­setzt wer­den. Mei­ner Nich­te […] ver­ma­che ich 8000 Euro (in W. achtt­aus­send) für die Grab­pfle­ge.“

Die Urne der Erb­las­se­rin wurde bei­ge­setzt und ein Be­trag von 8.000 EUR an die be­schwer­te Nich­te aus­ge­zahlt. Die Nut­zungs­dau­er der Grab­stät­te läuft ak­tu­ell zum 15.03.2030 aus.

Mit Schrei­ben vom 18.05.2021 wand­te sich der Klä­ger an die Be­klag­ten und bat sie in ihrer Ei­gen­schaft als Er­bin­nen der Nich­te der Erb­las­se­rin um die wei­te­re Grab­pfle­ge. Die Be­klag­te zu 2) lehn­te die wei­te­re Durch­füh­rung der Grab­pfle­ge ab. Nach einem Schrift­wech­sel der je­wei­li­gen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten er­klär­ten sich die Be­klag­ten be­reit, „das Grab bis zum Ende des Nut­zungs­rechts am 15.03.2030 ge­mein­sam zu pfle­gen. Dies um­fasst die An­pflan­zung, lau­fen­de Pfle­ge der Be­pflan­zung und das re­gel­mä­ßi­ge Gie­ßen.“

Mit Schrei­ben sei­nes Rechts­an­walts vom 03.03.2022 ließ der Klä­ger er­klä­ren, dass er wei­ter­hin auf dem Ab­schluss eines Grab­pfle­ge­ver­tra­ges be­stehe. Dar­auf­hin er­klär­ten sich die Be­klag­ten be­reit, „das Grab bis zum 30.06.2026 zu pfle­gen“ und lehn­ten wei­te­re Zu­ge­ständ­nis­se ab.

Der Klä­ger be­an­tragt die Fest­stel­lung, dass die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ne­rin­nen ver­pflich­tet sind, das Grab der Erb­las­se­rin bis zum 15.3.2030 gemäß der Auf­la­ge im Tes­ta­ment zu pfle­gen.

Ent­schei­dung

Die tes­ta­men­ta­ri­sche Ver­fü­gung der Erb­las­se­rin ist als Ver­mächt­nis zu Guns­ten ihrer Nich­te ver­bun­den mit der Auf­la­ge, die Grab­pfle­ge des Fa­mi­li­en­gra­bes zu be­sor­gen, aus­zu­le­gen. Die Auf­la­ge ist je­doch nicht auf die Be­klag­ten über­ge­gan­gen.

Die Be­klag­ten sind nicht nach §§ 2192, 2161 BGB an die Stel­le ihrer Freun­din R.K. ge­tre­ten, weil § 2161 Satz 2 BGB mit „Weg­fall“ des Be­auf­lag­ten des­sen Tod vor Ein­tritt des Erb­falls meint.

Auch ein Über­gang der Ver­pflich­tung aus der Auf­la­ge auf die Be­klag­ten im Rah­men der Ge­samt­rechts­nach­fol­ge nach der Nich­te der Erb­las­se­rin § 1922 BGB hat nicht statt­ge­fun­den. Bei der Auf­la­ge han­delt es sich um eine tes­ta­men­ta­ri­sche An­ord­nung, mit wel­cher Erben oder Ver­mächt­nis­neh­mer be­schwert wer­den kön­nen. Die mit der Auf­la­ge ver­bun­de­ne Ver­pflich­tung ist grund­sätz­lich pas­siv ver­erb­lich, so­fern die Auf­la­ge nicht höchst­per­sön­li­chen Cha­rak­ter hat und nur ganz be­stimm­te Be­schwer­te tref­fen soll (vgl. Grü­ne­berg, BGB, 81. Auf­la­ge 2022, § 2192 Rn. 2 m.w.N.). Letz­te­res ist aber vor­lie­gend der Fall. Die Grab­pfle­ge ent­springt einer sitt­li­chen Ver­pflich­tung der Hin­ter­blie­be­nen. Die Erb­las­se­rin hat die Grab­pfle­ge ihrer Nich­te als Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ger über­tra­gen, die auf­grund der fa­mi­liä­ren Ver­bin­dung zur Erb­las­se­rin und der Tat­sa­che, dass auch ihre El­tern dort be­stat­tet sind, einen be­son­de­ren Bezug zur Grab­stel­le hatte. Dass die Erb­las­se­rin auch die Erben ihrer Nich­te, die sie nicht kann­te (und von denen sie vor Ein­tritt des Erb­falls nach Frau K. nicht wis­sen konn­te, dass diese Er­bin­nen der Frau K. wer­den wür­den), und die in kei­nem ver­wandt­schaft­li­chen Ver­hält­nis zur Erb­las­se­rin oder ihrer Nich­te ste­hen, durch die tes­ta­men­ta­ri­sche Ver­fü­gung bin­den und zur Pfle­ge ihrer Fa­mi­li­en­grabstät­te ver­pflich­ten woll­te, ohne dass ihr be­kannt ge­we­sen wäre, in wel­cher Art und Weise die Be­klag­ten die­ser Ver­pflich­tung nach­kom­men wür­den, ent­sprach ge­ra­de nicht dem mut­ma­ß­li­chen Wil­len der Erb­las­se­rin. Damit han­delt es sich vor­lie­gend um eine höchst­per­sön­li­che Auf­la­ge, wel­che nicht auf die Be­klag­ten über­ge­gan­gen ist.

Pra­xis­hin­weis

Es han­delt sich, so­weit er­sicht­lich, um die erste ver­öf­fent­lich­te Ent­schei­dung zu der Frage, ob die Ver­pflich­tung aus einer Auf­la­ge im Falle des Todes des be­schwer­ten Ver­mächt­nis­neh­mers nach dem Erb­fall auf des­sen Erben im Wege der Uni­ver­salsuk­zes­si­on über­geht oder nicht. Weil Grab­pfle­ge­auf­la­gen zu den ge­bräuch­li­chen Stan­dard­an­ord­nun­gen in Ver­fü­gun­gen von Todes wegen ge­hö­ren, ver­dient diese Ent­schei­dung zwar eine An­mer­kung, je­doch keine Zu­stim­mung.

Die Ar­gu­men­ta­ti­on des Amts­ge­richts er­schöpft sich in der schlich­ten Fest­stel­lung, dass die Pflicht zur Grab­pfle­ge eine sitt­li­che sei und nur von Per­so­nen er­füllt wer­den könne, die den Erb­las­ser auch ge­kannt haben. Damit hat sich das Ge­richt die Ent­schei­dung doch etwas ein­fach ge­macht.

Zu­nächst ein­mal ist fest­zu­hal­ten, dass die Pflicht zur Grab­pfle­ge von jeder Per­son bzw. von ent­spre­chen­den Gärt­ne­rei­be­trie­ben er­füllt wer­den kann. Des­halb ist es nicht ge­recht­fer­tigt, ohne wei­te­re Be­grün­dung im vor­lie­gen­den Fall fest­zu­stel­len, dass die Erb­las­se­rin die Auf­la­ge als eine höchst­per­sön­li­che Ver­pflich­tung be­trach­tet habe (Vgl. Dara­gan, in: Pra­xis­kom­men­tar Erbrecht, BGB § 2192 Rn. 8). Im Ge­gen­teil spricht die Höhe des Be­tra­ges, den die Erb­las­se­rin „für“ die Grab­pfle­ge be­stimmt hat, eher dafür, dass sie den Ab­schluss eines Grab­pfle­ge­ver­trags mit einer Fried­hofs­gärt­ne­rei im Blick hatte. Eine 15- bis 20-jäh­ri­ge Grab­pfle­ge könn­te mit einem sol­chen Be­trag pro­blem­los fi­nan­ziert wer­den. Das Amts­ge­richt hätte da­ge­gen recht ge­habt, wenn der ver­mach­te Be­trag ge­rin­ger ge­we­sen und hin­ter den Kos­ten einer ge­werbs­mä­ßi­gen Grab­pfle­ge deut­lich zu­rück­ge­blie­ben wäre, weil dann die per­sön­li­che Be­zie­hung zwi­schen Erb­las­se­rin und be­schwer­ter Ver­mächt­nis­neh­me­rin im Vor­der­grund ge­stan­den hätte.

So aber führt diese Ent­schei­dung zu dem merk­wür­di­gen Er­geb­nis, dass die der Erb­las­se­rin wohl wich­tig ge­we­se­ne dau­er­haf­te Grab­pfle­ge nicht ge­währ­leis­tet ist, aber die Be­klag­ten den beim Tod ihrer Freun­din noch vor­han­de­nen Be­trag i.H.v. 8.000 EUR zu ei­ge­nen Zwe­cken ver­wen­den kön­nen, ob­wohl die­ser aus­drück­lich für die Grab­pfle­ge be­stimmt wor­den war. Das Ge­richt misst mit sei­ner Ent­schei­dung dem In­ter­es­se der Erb­las­se­rin an der ihr wich­ti­gen Grab­pfle­ge folg­lich we­ni­ger Be­deu­tung bei als dem Ver­fü­gungs­in­ter­es­se der Er­bin­nen der ver­stor­be­nen Ver­mächt­nis­neh­me­rin. Hinzu kommt, dass diese die Auf­la­ge schon längst durch den Ab­schluss eines Grab­pfle­ge­ver­trags hätte er­fül­len kön­nen, so dass die­ser Streit gar nicht erst ent­stan­den wäre. Auch bleibt nach die­ser Ent­schei­dung offen, was ge­gol­ten hätte, wenn die Ver­mächt­nis­neh­me­rin kurze Zeit nach der Erb­las­se­rin ver­stor­ben wäre, also die Pfle­ge gar nicht hätte leis­ten kön­nen. Diese Über­le­gun­gen spre­chen gegen den höchst­per­sön­li­chen Cha­rak­ter die­ser Grab­pfle­ge­auf­la­ge.

Be­reits mit den Mit­teln der er­läu­tern­den Aus­le­gung hätte das Ge­richt zum ge­gen­tei­li­gen Er­geb­nis ge­lan­gen müs­sen. Die dem Ver­mächt­nis bei­ge­füg­te Zweck­be­stim­mung „für die Grab­pfle­ge“ zeigt doch sehr deut­lich, dass der ver­mach­te Geld­be­trag und die Zwecker­fül­lung der Auf­la­ge mit­ein­an­der ste­hen und fal­len sol­len. Das Ver­mächt­nis ist hier doch nur – min­des­tens aber auch - Mit­tel zum Zweck (der Grab­pfle­ge).

Dem kann auch nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten werde, dass die Erb­las­se­rin für den Fall des Vor­verster­bens der Ver­mächt­nis­neh­me­rin keine Er­satz­ver­mächt­nis­neh­mer be­stimmt hatte. Zwar wäre der Al­lein­er­be, dem der Geld­be­trag beim Vor­verster­ben der Ver­mächt­nis­neh­me­rin ver­blie­ben wäre, auch nicht zur Grab­pfle­ge ver­pflich­tet ge­we­sen, doch recht­fer­tigt diese lü­cken­haf­te Grab­pfle­ge­re­ge­lung der Erb­las­se­rin nicht, die zweck­freie, weil ei­gen­nüt­zi­ge Ver­wen­dung des Geld­be­trags durch der Erb­las­se­rin fern­ste­hen­de Er­bin­nen der Ver­mächt­nis­neh­me­rin zu er­mög­li­chen. Nur weil die Erb­las­se­rin den Fall des Vor­verster­bens der Ver­mächt­nis­neh­me­rin nicht be­dacht hat, heißt das noch lange nicht, dass ihr die Grab­pfle­ge im Falle des Nach­verster­bens (vor Er­fül­lung der Auf­la­ge) gleich­gül­tig ist.

Bei der hier ver­wen­de­ten For­mu­lie­rung und der Höhe des ver­mach­ten Be­trags liegt es des­halb näher im Wege der er­läu­tern­den Aus­le­gung an­zu­neh­men, dass die Ver­pflich­tung zur Grab­pfle­ge im Wege der Uni­ver­salsuk­zes­si­on auf Erben des mit die­ser Auf­la­ge be­schwer­ten Ver­mächt­nis­neh­mers über­ge­hen, also nicht höchst­per­sön­lich sein soll. An­ders ist zu ent­schei­den, wenn der fest­ge­setz­te Be­trag für einen Pfle­ge­ver­trag mit einer Gärt­ne­rei nicht aus­reicht oder statt der kon­kre­ten Zweck­be­stim­mung („für die Grab­pfle­ge") nur ganz all­ge­mein die Grab­pfle­ge zur Auf­la­ge ge­macht wird.

AG Mün­chen, En­d­ur­teil vom 27.10.2023 - 158 C 16069/22, BeckRS 2023, 32676