Urteilsanalyse
Keine Vererblichkeit der Grabpflegeauflage beim Tod des Vermächtnisnehmers
Urteilsanalyse
SM_urteil_CR_FM2_adobe
© Stefan Yang / stock.adobe.com
SM_urteil_CR_FM2_adobe

Die testamentarisch angeordnete Belastung eines Vermächtnisnehmers mit der Grabpflege ist eine höchstpersönliche Auflage, die nach einem Urteil des AG München mit dem Tod des Vermächtnisnehmers nicht auf dessen Erben übergeht. 

19. Jan 2024

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger
              
Aus beck-fachdienst Erbrecht 01/2024 vom 15.01.2024

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des monatlich erscheinenden Fachdienstes Erbrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Erbrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Erbrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Grabpflege. Der Kläger ist einziger Sohn und Alleinerbe der 2018 verstorbenen Erblasserin. Die Beklagten sind Erbinnen zu je 1/2 der 2021 verstorbenen Nichte der Erblasserin.

Mit privatschriftlichem Testament vom 28.03.2015 traf die Erblasserin folgende letzwillige Verfügung:

„Meine Urne soll im elterlichen Grab in…. beigesetzt werden. Meiner Nichte […] vermache ich 8000 Euro (in W. achttaussend) für die Grabpflege.“

Die Urne der Erblasserin wurde beigesetzt und ein Betrag von 8.000 EUR an die beschwerte Nichte ausgezahlt. Die Nutzungsdauer der Grabstätte läuft aktuell zum 15.03.2030 aus.

Mit Schreiben vom 18.05.2021 wandte sich der Kläger an die Beklagten und bat sie in ihrer Eigenschaft als Erbinnen der Nichte der Erblasserin um die weitere Grabpflege. Die Beklagte zu 2) lehnte die weitere Durchführung der Grabpflege ab. Nach einem Schriftwechsel der jeweiligen Prozessbevollmächtigten erklärten sich die Beklagten bereit, „das Grab bis zum Ende des Nutzungsrechts am 15.03.2030 gemeinsam zu pflegen. Dies umfasst die Anpflanzung, laufende Pflege der Bepflanzung und das regelmäßige Gießen.“

Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 03.03.2022 ließ der Kläger erklären, dass er weiterhin auf dem Abschluss eines Grabpflegevertrages bestehe. Daraufhin erklärten sich die Beklagten bereit, „das Grab bis zum 30.06.2026 zu pflegen“ und lehnten weitere Zugeständnisse ab.

Der Kläger beantragt die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen verpflichtet sind, das Grab der Erblasserin bis zum 15.3.2030 gemäß der Auflage im Testament zu pflegen.

Entscheidung

Die testamentarische Verfügung der Erblasserin ist als Vermächtnis zu Gunsten ihrer Nichte verbunden mit der Auflage, die Grabpflege des Familiengrabes zu besorgen, auszulegen. Die Auflage ist jedoch nicht auf die Beklagten übergegangen.

Die Beklagten sind nicht nach §§ 2192, 2161 BGB an die Stelle ihrer Freundin R.K. getreten, weil § 2161 Satz 2 BGB mit „Wegfall“ des Beauflagten dessen Tod vor Eintritt des Erbfalls meint.

Auch ein Übergang der Verpflichtung aus der Auflage auf die Beklagten im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge nach der Nichte der Erblasserin § 1922 BGB hat nicht stattgefunden. Bei der Auflage handelt es sich um eine testamentarische Anordnung, mit welcher Erben oder Vermächtnisnehmer beschwert werden können. Die mit der Auflage verbundene Verpflichtung ist grundsätzlich passiv vererblich, sofern die Auflage nicht höchstpersönlichen Charakter hat und nur ganz bestimmte Beschwerte treffen soll (vgl. Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 2192 Rn. 2 m.w.N.). Letzteres ist aber vorliegend der Fall. Die Grabpflege entspringt einer sittlichen Verpflichtung der Hinterbliebenen. Die Erblasserin hat die Grabpflege ihrer Nichte als Familienangehöriger übertragen, die aufgrund der familiären Verbindung zur Erblasserin und der Tatsache, dass auch ihre Eltern dort bestattet sind, einen besonderen Bezug zur Grabstelle hatte. Dass die Erblasserin auch die Erben ihrer Nichte, die sie nicht kannte (und von denen sie vor Eintritt des Erbfalls nach Frau K. nicht wissen konnte, dass diese Erbinnen der Frau K. werden würden), und die in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zur Erblasserin oder ihrer Nichte stehen, durch die testamentarische Verfügung binden und zur Pflege ihrer Familiengrabstätte verpflichten wollte, ohne dass ihr bekannt gewesen wäre, in welcher Art und Weise die Beklagten dieser Verpflichtung nachkommen würden, entsprach gerade nicht dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin. Damit handelt es sich vorliegend um eine höchstpersönliche Auflage, welche nicht auf die Beklagten übergegangen ist.

Praxishinweis

Es handelt sich, soweit ersichtlich, um die erste veröffentlichte Entscheidung zu der Frage, ob die Verpflichtung aus einer Auflage im Falle des Todes des beschwerten Vermächtnisnehmers nach dem Erbfall auf dessen Erben im Wege der Universalsukzession übergeht oder nicht. Weil Grabpflegeauflagen zu den gebräuchlichen Standardanordnungen in Verfügungen von Todes wegen gehören, verdient diese Entscheidung zwar eine Anmerkung, jedoch keine Zustimmung.

Die Argumentation des Amtsgerichts erschöpft sich in der schlichten Feststellung, dass die Pflicht zur Grabpflege eine sittliche sei und nur von Personen erfüllt werden könne, die den Erblasser auch gekannt haben. Damit hat sich das Gericht die Entscheidung doch etwas einfach gemacht.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Pflicht zur Grabpflege von jeder Person bzw. von entsprechenden Gärtnereibetrieben erfüllt werden kann. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, ohne weitere Begründung im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Erblasserin die Auflage als eine höchstpersönliche Verpflichtung betrachtet habe (Vgl. Daragan, in: Praxiskommentar Erbrecht, BGB § 2192 Rn. 8). Im Gegenteil spricht die Höhe des Betrages, den die Erblasserin „für“ die Grabpflege bestimmt hat, eher dafür, dass sie den Abschluss eines Grabpflegevertrags mit einer Friedhofsgärtnerei im Blick hatte. Eine 15- bis 20-jährige Grabpflege könnte mit einem solchen Betrag problemlos finanziert werden. Das Amtsgericht hätte dagegen recht gehabt, wenn der vermachte Betrag geringer gewesen und hinter den Kosten einer gewerbsmäßigen Grabpflege deutlich zurückgeblieben wäre, weil dann die persönliche Beziehung zwischen Erblasserin und beschwerter Vermächtnisnehmerin im Vordergrund gestanden hätte.

So aber führt diese Entscheidung zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass die der Erblasserin wohl wichtig gewesene dauerhafte Grabpflege nicht gewährleistet ist, aber die Beklagten den beim Tod ihrer Freundin noch vorhandenen Betrag i.H.v. 8.000 EUR zu eigenen Zwecken verwenden können, obwohl dieser ausdrücklich für die Grabpflege bestimmt worden war. Das Gericht misst mit seiner Entscheidung dem Interesse der Erblasserin an der ihr wichtigen Grabpflege folglich weniger Bedeutung bei als dem Verfügungsinteresse der Erbinnen der verstorbenen Vermächtnisnehmerin. Hinzu kommt, dass diese die Auflage schon längst durch den Abschluss eines Grabpflegevertrags hätte erfüllen können, so dass dieser Streit gar nicht erst entstanden wäre. Auch bleibt nach dieser Entscheidung offen, was gegolten hätte, wenn die Vermächtnisnehmerin kurze Zeit nach der Erblasserin verstorben wäre, also die Pflege gar nicht hätte leisten können. Diese Überlegungen sprechen gegen den höchstpersönlichen Charakter dieser Grabpflegeauflage.

Bereits mit den Mitteln der erläuternden Auslegung hätte das Gericht zum gegenteiligen Ergebnis gelangen müssen. Die dem Vermächtnis beigefügte Zweckbestimmung „für die Grabpflege“ zeigt doch sehr deutlich, dass der vermachte Geldbetrag und die Zweckerfüllung der Auflage miteinander stehen und fallen sollen. Das Vermächtnis ist hier doch nur – mindestens aber auch - Mittel zum Zweck (der Grabpflege).

Dem kann auch nicht entgegengehalten werde, dass die Erblasserin für den Fall des Vorversterbens der Vermächtnisnehmerin keine Ersatzvermächtnisnehmer bestimmt hatte. Zwar wäre der Alleinerbe, dem der Geldbetrag beim Vorversterben der Vermächtnisnehmerin verblieben wäre, auch nicht zur Grabpflege verpflichtet gewesen, doch rechtfertigt diese lückenhafte Grabpflegeregelung der Erblasserin nicht, die zweckfreie, weil eigennützige Verwendung des Geldbetrags durch der Erblasserin fernstehende Erbinnen der Vermächtnisnehmerin zu ermöglichen. Nur weil die Erblasserin den Fall des Vorversterbens der Vermächtnisnehmerin nicht bedacht hat, heißt das noch lange nicht, dass ihr die Grabpflege im Falle des Nachversterbens (vor Erfüllung der Auflage) gleichgültig ist.

Bei der hier verwendeten Formulierung und der Höhe des vermachten Betrags liegt es deshalb näher im Wege der erläuternden Auslegung anzunehmen, dass die Verpflichtung zur Grabpflege im Wege der Universalsukzession auf Erben des mit dieser Auflage beschwerten Vermächtnisnehmers übergehen, also nicht höchstpersönlich sein soll. Anders ist zu entscheiden, wenn der festgesetzte Betrag für einen Pflegevertrag mit einer Gärtnerei nicht ausreicht oder statt der konkreten Zweckbestimmung („für die Grabpflege") nur ganz allgemein die Grabpflege zur Auflage gemacht wird.

AG München, Endurteil vom 27.10.2023 - 158 C 16069/22, BeckRS 2023, 32676