Urteilsanalyse
Keine Unwirksamkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Fehler im internen Gerichtsbetrieb
Urteilsanalyse
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Ein bei Gericht eingereichter Antrag kann nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg nicht deshalb mangels Einhaltung der Vorgaben des § 130a Abs. 2 ZPO – wonach ein elektronisches Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein muss – zurückgewiesen werden, weil trotz Verwendung eines zulässigen Formats (PDF) beim Kopieren von Textteilen in ein anderes elektronisches Dokument durch das Gericht eine unleserliche und sinnentstellte Buchstabenreihung entsteht.

7. Mrz 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 04/2022 vom 25.02.2022

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Sachverhalt

Ein Insolvenzverwalter machte einen Anspruch auf Besichtigung des Quellcodes von Computerprogrammen nach § 101a UrhG geltend und stellte Anträge auf Durchführung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das LG wies ihn auf die Unwirksamkeit des Eingangs der Dokumente nach § 130a ZPO hin, da die Dokumente nicht kopierbar und durchsuchbar seien. Der Insolvenzverwalter übersandte daraufhin die Schriftsätze erneut an das Gericht. Das LG wies die Anträge anschließend als unzulässig zurück, weil sie nicht formgerecht bei Gericht eingegangen seien. Die eingereichten Dokumente seien nicht in weiterbearbeitbarer Weise kopierbar. Kopiere das Gericht Teile aus dem eingereichten Dokument und füge diese wiederum in ein anderes elektronisches Dokument ein, erscheine eine unleserliche und sinnentstellte und damit nicht weiterbearbeitbare Buchstabenreihung. Der Insolvenzverwalter legte sofortige Beschwerde ein.

Entscheidung: Weiterverarbeitungsmöglichkeit soll lediglich Bearbeitungskomfort sicherstellen

Die Beschwerde hatte Erfolg.

Das LG habe die Anträge zu Unrecht wegen Nichteinhaltung der Vorgaben zum Dateiformat nach § 130a Abs. 2 ZPO als unzulässig verworfen. Nach § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO müsse das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Ob ein Dokument zur Bearbeitung bei Gericht geeignet sei, richte sich gemäß § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO nach den Bestimmungen der Elektronischer-Rechtsverkehr-VO (ERVV) und den ergänzend hierzu erlassenen Bekanntmachungen (ERVB). Genüge das elektronische Dokument diesen Vorgaben, sei es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet. Ein im internen Gerichtsbetrieb auftretender Fehler führe dagegen nicht zur Unwirksamkeit der Einreichung.

Danach sei bereits zweifelhaft, ob die Annahme des LG zutreffend sei, die Anträge seien nicht formgerecht bei Gericht eingegangen, weil die eingereichten Dokumente nicht in weiterbearbeitbarer Weise kopierbar seien. Denn die vom LG monierten Probleme beim Einfügen in ein Drittdokument seien mit einem im internen Gerichtsbetrieb auftretenden Fehler vergleichbar. Die als PDF übersandten Dokumente seien nämlich nicht mit einem Kennwort zum Öffnen oder schädlicher Software versehen gewesen, die Möglichkeit des Kopierens sei nicht ausgeschlossen worden.

Darauf komme es jedoch nicht an, da es sich jedenfalls bei dem vom LG gerügten Formmangel nicht um einen Verstoß handele, der – auch vor dem Hintergrund der mit Wirkung zum 01.01.2022 erfolgten Gesetzesänderung – zur Formunwirksamkeit der Anträge führe. Denn die Möglichkeit der Weiterverarbeitung von kopierten Dokumenten solle lediglich einen bestimmten Bearbeitungskomfort sicherstellen, stehe aber nicht der Lesbarkeit und Bearbeitbarkeit als solches entgegen. Für letzteres sei ausreichend, dass sich die Dateien öffnen und lesen ließen, der elektronischen Akte hinzugefügt werden könnten und nicht schadcodebelastet seien.

Praxishinweis

§ 130a Abs. 2 ZPO, den die ERVV näher ausgestaltet, soll gewährleisten, dass eingereichte elektronische Dokumente für das Gericht lesbar und bearbeitungsfähig sind. Es geht jedoch nicht um eine rein formale Prüfung. Formunwirksamkeit soll nur dann eintreten, wenn der Verstoß dazu führt, dass im konkreten Fall eine Bearbeitung durch das Gericht nicht möglich ist. Demgegenüber führen rein formale Verstöße gegen die ERVV dann nicht zu Formunwirksamkeit des Eingangs, wenn das Gericht das elektronische Dokument gleichwohl bearbeiten kann (BT-Drs. 19/28399, 33). § 2 Abs. 2 ERVV nimmt die technischen Standards in Bezug und ist als Soll-Vorschrift ausgestaltet, sodass das Gericht – wenn die Eignung zur Bearbeitung sichergestellt ist – das Dokument zulassen muss, auch wenn die Standards nicht eingehalten sind. Für die Einsender, die die Standards einhalten, bietet die Vorschrift grundsätzlich hinreichende Sicherheit, weil sie Maßstab für die Eignung zur Bearbeitung ist, allerdings schließt die Erfüllung der Standards nicht aus, dass das Gericht die Einreichung im Einzelfall aufgrund anderer technischer Defekte zurückweisen kann (BT-Drs. 19/28399, 40).


OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.01.2022 - 3 W 149/22 (LG Nürnberg-Fürth), BeckRS 2022, 1911