Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 07/2022 vom 06.04.2023
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Sachverhalt
Das FamG stellte für ein Kind die Amtsvormundschaft fest, nachdem dessen alleinsorgeberechtigte Mutter verstorben war. Später erhielt das FamG vom Nachlassgericht eine letztwillige Verfügung der Mutter übermittelt, in der eine Tante des Kindes als Vormund benannt war. Das Jugendamt kam in einer erbetenen Stellungnahme zu dem Schluss, dass die Tante nicht als Vormund geeignet sei. Der von der Tante eingeschaltete Anwalt begehrte beim FamG für sie die Aufhebung der Amtsvormundschaft und ihre Bestellung zum Vormund. Außerdem führte er kurz darauf ein ausführliches Telefonat mit dem Jugendamt und nahm dort zusammen mit seiner Mandantin einen Termin wahr. Knapp einen Monat später legte er das Mandat nieder und beantragte anschließend die Festsetzung seiner Vergütung, darunter auch eine 1,2 Terminsgebühr – was auch geschah. Die Tante legte dagegen sofortige Beschwerde ein. Sie wandte ein, der Anwalt könne keine Terminsgebühr beanspruchen, da er keinen Termin wahrgenommen habe. Nach Durchführung eines Erörterungstermins entließ das Gericht das Jugendamt aus seinem Amt als Vormund und bestellte die Tante zum Vormund.
Entscheidung: Kein Entlastungseffekt durch Besprechung wegen ohnehin notwendigen Erörterungstermins
Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
Der Anwalt habe keinen Anspruch auf eine Terminsgebühr. Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG entstehe die Terminsgebühr nicht nur für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen, sondern auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, die auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, soweit es sich nicht um eine Besprechung mit dem Auftraggeber handele. Jedoch stellten weder das Telefonat mit dem Jugendamt noch der Termin dort einen solchen Termin dar. Bei dem Verfahren zur Bestellung eines Vormunds handele es sich um ein Amtsverfahren, das nicht zur Disposition der Beteiligten stehe und dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) unterfalle. Eine Erledigung des Verfahrens ohne Erörterungstermin wäre hier laut OLG weder dann in Betracht gekommen, wenn das Jugendamt aufgrund der Gespräche mit dem Anwalt seine Eignungsbedenken verworfen hätte, noch dann, wenn die Beschwerdeführerin ihre nach § 1778 Abs. 1 BGB a. F. erforderliche Zustimmung zur Benennung ihrer Person als Vormund versagt hätte. Zwar hätte sie bei Versagung ihrer Zustimmung nicht bestellt werden dürfen; ein Termin hätte dennoch stattfinden müssen, um den Vater des Kindes persönlich anzuhören (§ 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG), da jedenfalls zu prüfen gewesen sei, ob die elterliche Sorge gemäß § 1680 Abs. 2 BGB auf ihn zu übertragen war. Die Verfahrensgestaltung, insbesondere die Anberaumung eines Anhörungs- und Erörterungstermins, habe somit nicht in der Hand der Beschwerdeführerin gelegen, sodass der mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG beabsichtigte Entlastungseffekt ungeachtet des Ausgangs der Gespräche mit dem Jugendamt nicht hätte eintreten können.
Praxishinweis
Die vom OLG Frankfurt vertretene Auffassung, dass in einem amtswegigen Verfahren, in dem ohnehin ein Erörterungstermin notwendig ist, eine Terminsgebühr für eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung nicht entstehen kann, findet im Gesetz keine Stütze. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG entsteht die Gebühr für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt jedoch nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Eine Einschränkung, dass eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung dazu geeignet sein muss, einen Gerichtstermin zu vermeiden, findet sich im Gesetz gerade nicht. Hinzu kommt ferner, dass auch dann, wenn ohnehin ein Gerichtstermin stattfinden muss, durch eine außergerichtliche Erledigungsbesprechung ein Entlastungseffekt erzielt werden kann, nämlich dann, wenn bereits im Vorfeld des Erörterungstermins Probleme angesprochen und teilweise abgeschichtet werden können.
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 16.03.2023 - 6 WF 36/23 (AG Darmstadt), BeckRS 2023, 5396