Urteilsanalyse
Keine rückwirkende Bestellung des Verwalters durch § 6 Abs. 1 COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG
Urteilsanalyse
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Die Berechtigung des Verwalters muss im Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung gemäß § 12 WEG vorliegen. Die am 28.03.2020 in Kraft getretene Vorschrift des § 6 Abs. 1 des COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG führt nach einem Beschluss des OLG Hamm nicht dazu, dass der Verwalter, dessen Bestellung vorher schon geendet hatte, mit Inkrafttreten des COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG rückwirkend als bestellt anzusehen ist.

29. Okt 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 20/2020 vom 22.10.2020

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Sachverhalt

Die Hausverwaltung H war durch Beschluss bis zum 31.12.2019 als Verwalter bestellt worden. Für den Zeitraum danach war kein neuer Verwalter bestellt. Am 13.03.2020 stimmte H der Veräußerung des Wohnungseigentums gem. § 12 Abs. 1 WEG zu. Die für die Eigentumsübertragung notwendigen Unterlagen wurden dem Grundbuchamt zur Eintragung des neuen Eigentümers ins Grundbuch übersandt. Mit Zwischenverfügung machte das Amtsgericht – Grundbuchamt – Essen die Eintragung davon abhängig, dass die Beteiligten die Zustimmung des Verwalters des Wohnungseigentums zur Veräußerung nachweisen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten.

Entscheidung

Die zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Essen ist in der Sache unbegründet.

Das Grundbuchamt habe die von den Beteiligten beantragte Eintragung der Beteiligten zu 3) als neue Wohnungseigentümerin zu Recht davon abhängig gemacht, dass die Beteiligten die Zustimmung des Verwalters des Wohnungseigentums zu der Veräußerung (§ 12 Abs. 1 WEG) nachweisen.

Dieser Nachweis sei entgegen der Rechtsauffassung der Beteiligten nicht erbracht. Der Nachweis setze nicht nur die Vorlage einer notariell beurkundeten Zustimmungserklärung einer als Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft auftretenden Person voraus, sondern auch den Nachweis, dass die die Zustimmungserklärung abgebende Person im Zeitpunkt dieser Erklärung auch tatsächlich Verwalter des Wohnungseigentums gewesen ist. Dass die Hausverwaltung H am 13.03.2020, dem Zeitpunkt der notariell beurkundeten Zustimmungserklärung, Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft gewesen ist, sei nicht nachgewiesen. Das vorgelegte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 12.03.2018 weise einen Bestellungsbeschluss für die Jahre 2018 und 2019 aus. Diese Bestellung habe danach mit Ablauf des 31.12.2019 geendet.

Dass die Hausverwaltung H im Zeitpunkt der Zustimmungserklärung am 13.03.2020 zur Verwalterin bestellt war, folge auch nicht aus § 6 Abs. 1 des am 28.03.2020 in Kraft getretenen Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (im Folgenden: COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG). Darin sei zwar geregelt, dass der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibe. Dies solle nach der Intention des Gesetzgebers die Verwaltung der Gemeinschaft auch in Zeiten ermöglichen, in denen eine Eigentümerversammlung nicht zusammentreten könne.

Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich zudem, dass dies nicht nur für den Fall gelte, dass die Bestellungszeit nach Inkrafttreten von § 6 Abs. 1 COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG am 28.03.2020 ablaufe, sondern - wie vorliegend - auch dann, wenn sie zuvor abgelaufen gewesen sei. Allerdings führe die Vorschrift in diesem Fall (nur) dazu, dass der vormalige Verwalter mit Beginn des 28.03.2020 kraft Gesetzes wieder ins Amt gehoben worden sei. Daraus folge aber nicht, dass der Verwalter mit Inkrafttreten des Gesetzes auch rückwirkend als bestellt anzusehen sei, so dass er sich ununterbrochen im Amt befunden habe. Vielmehr ende in diesem Fall die verwalterlose Zeit am 28.03.2020. Denn das Gesetz wolle nur eine krisenbedingte Regelung treffen, für eine Rückwirkung gebe es nichts her.

Für den vorliegenden Fall folge daraus, dass die vor Inkrafttreten des COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG erklärte Verwalterzustimmung erneut zu erklären sei.

Praxishinweis

Dem Beschluss ist zuzustimmen.

§ 6 Abs. 1 COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG bestimmt, dass der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibt. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/18110, S. 31) geht hervor, dass „[d]ie Vorschrift […] sowohl für den Fall, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen ist, als auch für den Fall, dass sie erst danach abläuft“, gilt. Die Norm betrifft somit auch den vorliegenden Fall, dass der Verwalter – zumindest ab Inkrafttreten des Gesetzes am 28.03.2020 – wieder im Amt ist. Es handelt sich dabei um eine gesetzlich automatisch wirkende Amtsverlängerung zur Vermeidung eines interimsweisen Zustandes der Verwaltungslosigkeit (Cziupka in Münchner Kommentar, 8. Auflage 2020, WEG § 26 Rn 23b).

Das OLG Hamm folgt der in der Literatur bisher einheitlichen Ansicht, dass damit aber keine Rückwirkung einhergeht (Zschieschack ZWE 2020, 165, 166; DNotI-Report 2020, 84, 85), mit der Folge, dass eine Zustimmungserklärung, die in einem Zeitraum nach Ablauf der Verwalterbestellung und vor Inkrafttreten des COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG keine Wirkung entfaltet und neu – nach dem 28.03.2020 – erklärt werden muss.

Endete die Verwalterstellung aber nicht durch Zeitablauf, sondern wurde der Verwalter durch Beschluss abberufen, so spricht vieles dafür, dass keine automatische Verlängerung durch das COVID-Auswirkungen-BekämpfungsG eintritt, da der Wille der Wohnungseigentümer, der sich in der Abberufung niedergeschlagen hat, höher zu bewerten ist als das Interesse der Eigentümergemeinschaft, überhaupt einen Verwalter zu haben (Cziupka aaO; DNotI-Report aaO).

OLG Hamm, Beschluss vom 05.08.2020 - I-15 W 266/20 (AG Essen), BeckRS 2020, 24847