Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 15/2023 vom 27.07.2023
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Sachverhalt
Ein Insolvenzverwalter beantragte Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin, einer GmbH, auf Ersatz von Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife aus Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a. F. Zunächst bezifferte er den beabsichtigten Antrag auf 252.278 EUR - Auszahlungen im Zeitraum 01.11.2017 bis 31.01.2018. Nach einem gerichtlichen Hinweis, dass die PKH-Voraussetzungen nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht seien, reduzierte er ihn auf 207.557 EUR - Auszahlungen im Zeitraum 01.11.2017 bis 02.01.2018.
Der Insolvenzverwalter machte geltend, die Prozesskosten könnten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden, den wirtschaftlich Beteiligten sei nicht zuzumuten, die Kosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das LG lehnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Unter anderem erachtete es die beabsichtigte Rechtsverfolgung für mutwillig, weil in dem aktualisierten Antrag ein PKH-Gesuch für eine beabsichtigte Teilklage zu sehen sei und der Insolvenzverwalter keine nachvollziehbaren Sachgründe dargelegt habe, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichte. Der Insolvenzverwalter legte dagegen sofortige Beschwerde ein. Er meinte, es handle sich nicht um eine Teilklage.
Entscheidung: Keine Teilklage, sondern Geltendmachung mehrerer rechtlich selbständiger Ansprüche
Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei allerdings entgegen der Auffassung des LG nicht mutwillig. Alleine die Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter als solche sei noch nicht als mutwillig im Sinn des § 114 ZPO anzusehen. Denn ein Zwang zur Geltendmachung der Gesamtforderung finde im Gesetz keine Stütze. Der Insolvenzverwalter müsse aber nachvollziehbare Sachgründe dafür vorzubringen, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichte. Auf eine fehlende Darlegung solcher nachvollziehbaren Sachgründe könne die Annahme der Mutwilligkeit hier aber nicht gestützt werden, weil die beabsichtigte Klage bereits keine Teilklage sei.
Der Insolvenzverwalter beabsichtige nicht die Geltendmachung eines Teils eines teilbaren Anspruchs oder eines Teilbetrags aus mehreren prozessual selbständigen Ansprüchen. Vielmehr sei sein Klagebegehren auf den Ersatz konkreter Zahlungen im Zeitraum vom 01.11.2017 bis zum 02.01.2018 in Höhe von insgesamt 207.557 EUR gerichtet. Das stelle keine Teilklage dar, weil jede einzelne Zahlung einen Ersatzanspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG a. F. auslösen könne. Der Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG a. F. entstehe jeweils mit der die Masse schmälernden Zahlung. In dem mit ihr verbundenen Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse liege bereits der «Schaden», da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet sei. Der Kläger verfolge daher mehrere selbstständige Ansprüche und nicht nur unselbstständige Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs, sodass die jeweils aus einer Auszahlung resultierenden Ansprüche prozessual selbständig seien.
Wegen der rechtlichen Selbständigkeit der Ansprüche könne es keinesfalls als mutwillig angesehen werden, dass der Insolvenzverwalter nur Ansprüche aus dem Zeitraum bis zum 02.01.2018 geltend mache, selbst wenn im Wege der Klagehäufung die Ansprüche wegen weiterer Zahlungen unter Umständen kostengünstiger geltend gemacht werden könnten. Anders als bei der Geltendmachung nur eines Teils eines einheitlichen Anspruchs oder mehrerer selbständiger Ansprüche bedürfe die Beschränkung mehrerer Ansprüche auf einzelne schon keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung. Der Antragsteller habe jedoch nicht dargelegt (§ 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO), dass den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Prozesskosten unzumutbar sei.
Praxishinweis
Obwohl im konkreten Fall keine Teilklage vorlag, hat das Gericht gleichwohl die Frage beschäftigt, ob einer Teilklage des Insolvenzverwalters wegen Mutwilligkeit die Prozesskostenhilfe zu versagen ist. Zutreffend hat das Gericht sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Erhebung einer Teilklage nicht grundsätzlich zu beanstanden ist. Auch ist eine Teilklage des Insolvenzverwalters nicht alleine deshalb mutwillig, weil damit die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO übergangen werden könnten. Der Insolvenzverwalter benötigt für eine Teilklage jedoch nachvollziehbare Sachgründe (siehe hierzu näher Wache in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 114 Rn. 71).
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.05.2023 - 12 W 08/23 (LG Duisburg), BeckRS 2023, 15705