Anmerkung von
Rechtsanwalt Harald Kroth, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH
Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 24/2021 vom 25.11.2021
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Im Januar 2020 beantragte die Krankenkasse als Gläubigerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des als Einzelunternehmer gewerblich tätigen Schuldners wegen Beitragsforderungen, die dieser im Zeitraum November 2018 bis Juni 2019 für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht abgeführt hatte. Nach Begleichung der Beitragsrückstände erklärte die Gläubigerin den Insolvenzantrag für erledigt. Das Insolvenzgericht stellte dem Schuldner die Erledigungserklärung ohne Hinweis zu und legte die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auf. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wies das LG zurück. Mit ihrer Rechtsbeschwerde war die Gläubigerin erfolgreich.
Entscheidung
Der BGH gab der Rechtsbeschwerde der Gläubigerin statt, stellte fest, dass der Insolvenzantrag in der Hauptsache erledigt ist und legte dem Schuldner die Kosten des Verfahrens auf.
Das Beschwerdegericht habe mit Recht eine einseitige Erledigungserklärung der Gläubigerin und einen zulässigen und begründeten Eröffnungsantrag der Gläubigerin angenommen.
Auf Grund eines unrichtigen Verständnisses von der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO habe das Beschwerdegericht allerdings das Fehlen eines erledigenden Ereignisses angenommen.
§ 14 Abs. 1 Satz 2 InsO begründe für den antragstellenden Gläubiger keine Pflicht, sondern biete ihm die Möglichkeit, den Eröffnungsantrag weiterlaufen zu lassen (BGH BeckRS 2020, 28446 Rn. 11, 21). Die damit nicht ausgeschlossene Möglichkeit, den Eröffnungsantrag für erledigt zu erklären, könne nicht dadurch beschnitten werden, dass der Gläubiger im Falle seiner einseitig bleibenden Erledigungserklärung die Kosten des Verfahrens deshalb zu tragen habe, weil ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO trotz Erfüllung der Antragsforderung fortbestehe, der Eröffnungsantrag weiterhin zulässig sei. Damit könne die Kostentragungspflicht des den Antrag einseitig für erledigt erklärenden Gläubigers nicht begründet werden.
Praxishinweis
Nach der Rechtsprechung des BGH finden, da die Insolvenzordnung selbst nicht regelt, „ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen (Kosten-)Folgen der von einem Gläubiger gestellte Insolvenzantrag für erledigt erklärt werden kann“, gem. § 4 InsO die Vorschriften der ZPO über die Erledigung der Hauptsache und die hierzu entwickelten Grundsätze sowohl für die übereinstimmende, wie auch für die einseitige Erledigungserklärung entsprechende Anwendung (vgl. z.B. BGH BeckRS 2008, 22070; BGH BeckRS 2020, 28446).
Für die einseitige Erledigungserklärung im Insolvenzeröffnungsverfahren gelten diese Grundsätze, worauf der BGH hinweist, in modifizierter Form.
Erklärt der Gläubiger den Antrag einseitig für erledigt, weil der Schuldner sich nicht anschließt, ist zu prüfen, ob der Eröffnungsantrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis erledigt hat. Bejahendenfalls trägt der Schuldner die Kosten.
Schließt sich der Schuldner der Erledigungserklärung des Gläubigers an, ist das Eröffnungsbegehren nicht mehr anhängig, es ist nur noch eine Kostenentscheidung gem. § 4 InsO, § 91a ZPO zu treffen (BGH BeckRS 2008, 22070).
Hält der Gläubiger seinen Antrag gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO aufrecht, obwohl danach die Antragsforderung mit Erfüllungswirkung ausgeglichen worden ist, hat, wenn der im Übrigen noch zulässige Antrag (vgl. BGH BeckRS 2012, 16975 Rn. 7) als unbegründet abgewiesen wird, weil ein Insolvenzgrund nicht besteht, gem. § 14 Abs. 3 InsO der Schuldner die Kosten zu tragen.
Lässt der Gläubiger den Antrag nach Ausgleich seiner Antragsforderung weiterlaufen, ohne die Aufrechterhaltung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO (ausdrücklich oder konkludent) oder die Erledigung zu erklären, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen mit der weiteren Folge der Kostentragungspflicht des Gläubigers.
BGH, Beschluss vom 23.09.2021 - IX ZB 66/20 (LG Hamburg), BeckRS 2021, 33350