Urteilsanalyse
Keine Kor­rek­tur des Streit­werts von Amts wegen bei un­zu­läs­si­ger Streit­wert­be­schwer­de
Urteilsanalyse
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Eine Kor­rek­tur des erst­in­stanz­li­chen Streit­werts von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 GKG durch das Rechts­mit­tel­ge­richt schei­det - so das Ober­lan­des­ge­richt Braun­schweig - bei un­zu­läs­si­ger Streit­wert­be­schwer­de aus. 

11. Apr 2022

An­mer­kung von
Rechts­an­walt Dr. Hans-Jo­chem Mayer, Fach­an­walt für Ver­wal­tungs­recht und Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Bühl

Aus beck-fach­dienst Ver­gü­tungs- und Be­rufs­recht 07/2022 vom 08.04.2022

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Ver­gü­tungs- und Be­rufs­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Ver­gü­tungs- und Be­rufs­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Ver­gü­tungs- und Be­rufs­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

Sach­ver­halt

Der Klä­ger wi­der­rief einen ver­bun­de­nen Dar­le­hens­ver­trag und erhob in der Folge eine iso­lier­te ne­ga­ti­ve Fest­stel­lungs­kla­ge. Spä­ter nahm er die Klage zu­rück. Das LG setz­te den Wert des Streit­ge­gen­stan­des auf die Wert­stu­fe bis 25.000 EUR fest. Die An­wäl­te des Klä­gers leg­ten da­ge­gen im ei­ge­nen Namen Be­schwer­de ein und be­an­trag­ten, den Streit­wert her­ab­zu­set­zen, da sich der Streit­wert im Falle einer ne­ga­ti­ven Fest­stel­lungs­kla­ge nach der Höhe des Net­to­dar­le­hens­be­tra­ges be­mes­se. Das LG half der Be­schwer­de nicht ab.

Ent­schei­dung: Keine Be­schwer der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten, keine Wert­kor­rek­tur von Amts wegen

Das OLG ver­warf die Be­schwer­de als un­zu­läs­sig.

Die Be­schwer­de nach § 68 Abs. 1 GKG sei nur zu­läs­sig, wenn der Be­schwer­de­füh­rer durch die Streit­wert­fest­set­zung be­schwert ist. Daran fehle es hier. Be­schwer­de­füh­rer seien die An­wäl­te des Klä­gers. Mit ihrer aus­drück­lich «im ei­ge­nen Namen» ein­ge­leg­ten Be­schwer­de be­gehr­ten sie eine Her­ab­set­zung des Streit­wer­tes. Lege der An­walt gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 RVG aus ei­ge­nem Recht eine Be­schwer­de gegen den Streit­wert­be­schluss ein, sei er aber nur dann be­schwert, wenn er gel­tend macht, die Streit­wert­fest­set­zung sei zu ge­ring und er könne des­we­gen nur ge­rin­ge­re Ge­büh­ren ab­rech­nen.

Eine Kor­rek­tur des Streit­wer­tes von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG schei­de aus. Zwar sei das Ver­fah­ren auch bei einer un­zu­läs­si­gen Streit­wert­be­schwer­de beim Rechts­mit­tel­ge­richt an­hän­gig und «schwe­be» dort. Eine Ab­än­de­rung des Streit­wer­tes gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG durch das Rechts­mit­tel­ge­richt komme aber nur im Rah­men einer zu­läs­si­gen Streit­wert­be­schwer­de in Be­tracht. An­de­ren­falls lie­fen die Be­schwer­de­be­schrän­kun­gen gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG leer. Dies wäre auch nicht im Hin­blick auf die Ziel­set­zung des § 63 Abs. 3 GKG zu recht­fer­ti­gen, der auch die Ge­büh­ren­ge­rech­tig­keit si­cher­stel­len solle. Der Ge­setz­ge­ber habe durch die sta­tu­ier­ten Zu­läs­sig­keits­vor­aus­set­zun­gen klar zum Aus­druck ge­bracht, dass dem Ziel der Her­stel­lung der Ge­büh­ren­ge­rech­tig­keit im Wege der Streit­wert­be­schwer­de Gren­zen ge­setzt sein sol­len. Oh­ne­hin könne die­ses Ziel er­reicht wer­den, indem das Aus­gangs­ge­richt nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GKG den Wert von Amts wegen an­passt. Mit Blick auf diese Än­de­rungs­be­fug­nis des Aus­gangs­ge­richts weist das OLG noch dar­auf hin, dass sich der Streit­wert bei der hier er­ho­be­nen ne­ga­ti­ven Fest­stel­lungs­kla­ge al­lein nach dem Net­to­dar­le­hens­be­trag be­misst. Eine An­zah­lung sei nur dann streit­werterhö­hend zu be­rück­sich­ti­gen, wenn da­ne­ben ein Leis­tungs­an­trag auf Rück­zah­lung ge­stellt wor­den sei.

Pra­xis­hin­weis

Be­schwer­de­be­rech­tigt für die Be­schwer­de nach § 68 GKG sind die Par­tei­en, die Staats­kas­se und der Rechts­an­walt. Vor­aus­set­zung ist eine Be­schwer, die bei der Par­tei in der Regel in einer zu hohen, bei einem Rechts­an­walt nur in einer zu nied­ri­gen Be­mes­sung des Streit­werts be­stehen kann. Bei der Be­schwer­de­ein­le­gung kommt es daher auf eine prä­zi­se For­mu­lie­rung an. Miss­ver­ständ­li­che For­mu­lie­run­gen sind aus­zu­le­gen. So ist auch eine vom Rechts­an­walt mit dem Ziel der Er­hö­hung des Streit­werts, je­doch aus­drück­lich «für» die Par­tei und unter Ver­wen­dung der For­mu­lie­rung «aus Sicht» der Par­tei ein­ge­leg­te Streit­wert­be­schwer­de im Hin­blick dar­auf, dass es an einer Be­schwer der Par­tei fehlt, re­gel­mä­ßig da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass sie von deren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten aus ei­ge­nem Recht gemäß § 32 Abs. 2 RVG ein­ge­legt wurde (Mayer in Ge­rold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 32 RVG Rn. 92; OLG Stutt­gart, Be­schluss vom 20.08.2012 - 14 W 8/12, BeckRS 2013, 04342 m. Anm. Mayer FD-RVG 2013, 343925).


OLG Braun­schweig, Be­schluss vom 08.03.2022 - 4 W 9/22 (LG Braun­schweig), BeckRS 2022, 5389