Urteilsanalyse
Keine Geschäftsgebühr für einen Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen
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Der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch dann keine die Geschäftsgebühr auslösende Tätigkeit, wenn wechselbezügliche Verfügungen der Auftraggeber vorgesehen sind.

20. Mai 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 10/2021 vom 20.05.2021

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Sachverhalt

Die Kläger ließen sich von dem beklagten Anwalt wegen eines gemeinschaftlichen Testaments beraten. Der Beklagte entwarf ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sich die Kläger gegenseitig zu Erben einsetzten. Dafür berechnete er den Klägern eine 1,0 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von bis zu 450.000 EUR, insgesamt eine Vergütung von etwa 3.700 Euro. Die Kläger bezahlten die Rechnung, meinten dann aber, der Beklagte habe nur eine Beratungsgebühr von 250 EUR plus eine Mehrgebühr von 0,3 wegen eines weiteren Auftraggebers abrechnen dürfen, insgesamt 410,55 EUR. Den darüber hinausgehenden Betrag forderten sie daher zurück. Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht gab ihr statt. Der Beklagte ging in Revision.

Entscheidung: Nur Beratungsgebühr, kein Betreiben eines Geschäfts

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments stelle kein Betreiben eines Geschäfts im Sinn einer nach außen gerichteten Tätigkeit dar. Sie betreffe nur die Eheleute oder Lebenspartner, die das gemeinschaftliche Testament errichteten (vgl. § 2265 BGB, § 10 IV LPartG). Diese seien die Auftraggeber des Rechtsanwalts. Der Anwalt vertrete dabei nicht die Interessen des einen gegenüber dem jeweils anderen Teil, was auch im Hinblick auf das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), bedenklich wäre. Auch finde keine Vertretung der Eheleute oder Lebenspartner gegenüber außerhalb des Mandatsverhältnisses stehenden Dritten statt.

Das gemeinschaftliche Testament sei auch nicht als Vertrag im gebührenrechtlichen Sinn anzusehen, selbst wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthält. Ein Testament sei eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung des Testierenden (§ 1937 BGB). Ein gemeinschaftliches Testament enthalte einseitige Verfügungen beider Ehegatten oder Lebenspartner. Sie könnten in Form wechselbezüglicher Verfügungen in besondere Abhängigkeit voneinander gebracht werden. Diese stellten sich aber nicht als Angebot und Annahme gemäß § 145 ff. BGB dar.

Es verbiete sich, über die in der Vorbemerkung 2.3 VV RVG genannten Fälle hinaus eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu ermöglichen. Denn die Mitwirkung an einer Vertragsgestaltung ohne Tätigkeit nach außen als zusätzliche Fallgruppe einer Geschäftsgebühr habe Ausnahmecharakter. Eine erweiternde Auslegung sei auch nicht erforderlich, weil der Anwalt nach § 34 RVG seinem Mandanten eine Gebührenvereinbarung mit einer angemessenen Vergütung seines Aufwandes vorschlagen und das Mandat ablehnen kann, falls der Mandant nicht einverstanden sei. Dabei sei der Abschluss einer Gebührenvereinbarung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG nach der Konzeption des Gesetzes die Regel.

Praxishinweis

Nachdem der BGH bereits entschieden hatte, dass die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten ist und der auftragsgemäße Entwurf zweier abgestimmter Testamente keine die Geschäftsgebühr auslösende Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages ist (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - IX ZR 115/17, BeckRS 2018, 4248 m. Anm. Mayer FD-RVG 2018, 404661), hat er sich nunmehr mit der noch damals offengelassenen Frage beschäftigt, wie der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments zu qualifizieren ist. Der BGH schloss sich insoweit der restriktiven Auffassung an und verneinte die Voraussetzungen für eine Geschäftsgebühr. Es sind jedoch Zweifel angebracht, ob das Argument des BGH, dass nach der Konzeption des Gesetzes der Abschluss einer Gebührenvereinbarung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG die Regel sei, wirklich greift, da in der Praxis der Abschluss von Gebührenvereinbarungen immer noch die Ausnahme bleiben dürfte.

BGH, Urteil vom 15.04.2021 - IX ZR 143/20, rechtskräftig (LG Neubrandenburg), BeckRS 2021, 9209