Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 23/2023 vom 16.11.2023
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Sachverhalt
Für ein Ehescheidungsverfahren begehrte die Ehefrau Verfahrenskostenhilfe. Zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen erklärte sie unter anderem, dass sie Eigentümerin zweier Immobilien mit einem Gesamtverkehrswert in Höhe von 807.000 Euro sei, wobei über die eine Immobilie die Zwangsversteigerung angeordnet worden sei und die andere Immobilie mit 300.000,00 Euro Kreditverbindlichkeiten belastet sei. Das FamG wies den Antrag zurück, da zu ihren Lasten davon auszugehen sei, dass sie die Verfahrenskosten tragen kann; sie habe – auch nach entsprechendem Hinweis – ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachvollziehbar dargelegt. Dagegen legte die Ehefrau ohne Erfolg sofortige Beschwerde ein. Anschließend erhob sie eine Gegenvorstellung beim OLG mit der Begründung, dass es völlig offen sei, ob sie über Immobilien mit einem Gesamtwert von 807.000 Euro verfügt.
Entscheidung: Nachlässige Verfahrensführung kann nicht mit Gegenvorstellung beseitigt werden
Die Gegenvorstellung hatte keinen Erfolg.
Sie sei bereits unzulässig. Zwar sei die Gegenvorstellung auch nach Einführung der Anhörungsrüge weiterhin gegeben, sie sei als außergesetzlicher Rechtsbehelf aber nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer schlüssig eine Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder eine Verletzung des Willkürverbots nach Art. 3 GG geltend macht. Eine derartig schwerwiegende Rechtsverletzung zeige die Ehefrau aber nicht auf. Sie versuche lediglich mit weiterem, bisher nicht dargelegtem Vortrag, ihre wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nachvollziehbar darzustellen. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Willkürverbot ergäben sich daraus nicht. Vielmehr habe sich nur eine nachlässige Verfahrensführung der Ehefrau in der VKH-Entscheidung ausgewirkt, die aber nicht mit dem Rechtsbehelf der Gegenvorstellung beseitigt werden könne.
Die Gegenvorstellung sei aber auch deshalb unzulässig, weil die Beschwerdeentscheidung nicht von Amts wegen abgeändert werden könne. Beschlüsse, die – wie hier – auf eine sofortige Beschwerde ergangen seien und der Rechtsbeschwerde unterlägen, seien in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO unabänderlich und bindend, weil sie in formelle Rechtskraft erwachsen. Unschädlich sei es für den Eintritt der formellen Rechtskraft, dass der Senat in dem angegriffenen Beschluss die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat; denn für die Unabänderlichkeit müsse es genügen, wenn die Rechtsbeschwerde – wie hier – lediglich abstrakt, also nur nach Zulassung durch das Beschwerdegericht eröffnet ist.
Die dargelegten Gründe, die zur Unzulässigkeit der Gegenvorstellung führten, verletzten die Ehefrau auch nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder dem Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG).
Praxishinweis
Die Gegenvorstellung ist nur zulässig, soweit die Sache überhaupt noch der Entscheidungsbefugnis des Gerichts unterliegt und wenn dieses an die Entscheidung nicht bereits gebunden ist, sondern die Entscheidung auch von Amts wegen ändern könnte (siehe hierzu näher Hamdorf in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, Vorbem. zu § 567 Rn. 16; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, 567, ZPO Rn. 27). Ob eine auf die Beschwerde hin ergangene Entscheidung des Beschwerdegerichts noch geändert werden kann, ist vielfach nicht unproblematisch (siehe hierzu näher Hamdorf in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, Vorbem. zu § 567, Rn. 19).
OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.10.2023 - 2 WF 132/23 (AG Göttingen), BeckRS 2023, 28810