Urteilsanalyse
Keine Gefährdungshaftung beim Einsatz eines Traktors als reine Arbeitsmaschine
Urteilsanalyse
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Der Bundesgerichtshof hat zur Reichweite der Haftung des Halters eines von einem Traktor angetriebenen Kreiselmähers beim Mähen einer als Weideland genutzten Wiesenfläche entschieden. Werde dabei eine Person auf einem angrenzenden Reitplatz durch einen hochgeschleuderten Stein verletzt, sei der Schaden nicht beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs eingetreten, da die Funktion des Kraftfahrzeugs als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand.

17. Nov 2021

Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 22/2021 vom 11.11.2021

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StVG § 7 I

Sachverhalt

Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) als Fahrer und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer eines Traktors in Anspruch. Der Beklagte zu 1) fuhr mit diesem Traktor und einem von diesem angetriebenen Kreiselmäher auf einer Wiesenfläche. Der Kläger befand sich auf dem angrenzenden Grundstück auf einem Reitplatz. Er wurde von einem Stein am rechten Auge getroffen und schwer verletzt. Der Kläger behauptet, der Stein sei bei den Mäharbeiten durch das Kreiselmähwerk in seine Richtung hochgeschleudert worden.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte das Oberlandesgericht nach Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seine Ansprüche weiter.

Rechtliche Wertung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH hat sie in dem hier vorgelegten Urteil zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht hatte seine Entscheidung damit begründet, dass ein Anspruch nach § 7 StVG nicht gegeben sei, weil die Haftungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG nicht vorlägen. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass der Stein von dem Kreiselmäher hochgeschleudert wurde. Allerdings sei der Traktor als Arbeitsmaschine zur Bestellung landwirtschaftlichen Geländes im Einsatz gewesen. Dabei habe sein Einsatz als Arbeitsmaschine im Vordergrund gestanden. Der Schadenablauf sei daher nicht dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zuzuordnen.

Eine Haftung ergebe sich auch aus Verschuldensgründen nicht aus § 823 BGB. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne nicht festgestellt werden. Der Beklagte zu 1) habe vor allem angesichts des Umstands, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls in einem Abstand von etwa 50 Metern zum Kreiselmäher befunden habe, davon ausgehen dürfen, dass sich der Kläger außerhalb des Gefahrenkreises der Maschine aufgehalten habe.

Diese Argumentation bestätigt der BGH. Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG sei es, dass eines der dort genannten Rechtsgüter beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs beschädigt werde. Dieses Haftungsmerkmal sei entsprechend dem Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Es solle Ersatz geleistet werden für Schäden, die durch die Gefahrenquelle Kraftfahrzeug entstanden seien. Damit seien auch solche Gefahren geschützt, die von einer Betriebseinrichtung eines Fahrzeugs hervorgerufen würden.

Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion sei es allerdings erforderlich, einen Zusammenhang mit der Bestimmung des Fahrzeugs als einem zur Fortbewegung oder dem Transport dienenden Gerät festzustellen. Entfalle aber Fortbewegungs- und Transportfunktion, dann handele es sich um eine Arbeitsmaschine und eine Arbeitsmaschine sei von der Norm des § 7 StVG nicht umfasst. Es komme allerdings immer auf den konkreten Einsatzbereich des Fahrzeugs an, so die Karlsruher Richter weiter, und entscheidend sei die Bestimmung. Eine fahrbare Arbeitsmaschine, die gerade während der Fahrt Arbeiten verrichte, sei daher anders zu beurteilen wie etwa eine Mähmaschine am Rand einer Straße.

Dass der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten sei, stehe einer Haftung nicht entgegen, jedoch sei bei derartigen Verrichtungen stets auf den Hergang im Einzelnen abzustellen. Es mache auch einen Unterschied, ob sich das Ereignis nach Abschluss des Arbeitsvorganges ereignet hat oder während der Arbeiten.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist für die Praxis außerordentlich wesentlich. Es wird deutlich, wie hauchdünn die Grenze zwischen den Arbeitsmaschinen und den bewegten Maschinen ist. Die Unterschiede in der Vergangenheit, die vielfach zu nicht unerheblichen Missdeutungen führten, werden hier sehr deutlich.

BGH, Urteil vom 21.09.2021 - VI ZR 726/20 (OLG Düsseldorf), BeckRS 2021, 31661