Urteilsanalyse
Keine Entschädigung für Quarantäne
Urteilsanalyse
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Einen „Verdienstausfall“ i.S.d. § 56 Abs. 5 IfSG erleidet der Auszubildende, der sich auf Anordnung der zuständigen Gesundheitsbehörde als Kontaktperson in Quarantäne begeben muss, nach Ansicht des VG Gera nicht, so dass der Arbeitgeber keine Entschädigung nach § 56 IfSG beanspruchen kann. Die Quarantäne nach § 30 IfSG wegen eines Ansteckungs- oder Krankheitsverdachts stellt einen in der Person des Auszubildenden liegenden Grund gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG dar.

12. Jan 2022

Anmerkung von

Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 01/2022 vom 07.01.2022

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Sachverhalt

Die Klägerin, die eine Elektrofirma betreibt, begehrt Entschädigung nach einer Quarantäneanordnung gegenüber einem Auszubildenden. Der bei ihr beschäftigte Auszubildende unterlag im Zeitraum vom 04. bis 18.11.2020 einer Quarantäneanordnung des zuständigen Gesundheitsamts. Der Auszubildende war nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Im Dezember 2020 beantragte die Klägerin die Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen bei Verdienstausfall eines Arbeitnehmers aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne. Der Verdienstausfall wurde für elf Arbeitstage mit 419,05 EUR beziffert. Die Beklagte lehnte mit angefochtenem Bescheid den Antrag ab. Ein Anspruch nach § 56 IfSG bestehe nur bei einem Verdienstausfall des von der Anordnung Betroffenen. Daran fehle es, da dem Auszubildenden nach § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG bei einer unverschuldeten Verhinderung an der Erfüllung der Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis eine Ausbildungsvergütung zugestanden habe. Dagegen richtet sich die Klage der Elektrofirma.

Entscheidung

Das VG weist die Klage als unbegründet ab. Gemäß § 56 Abs. 5 IfSG erhält der Arbeitgeber, der für die zuständige Behörde die Entschädigung auszahlt, eine entsprechende Erstattung, wenn sein Arbeitnehmer aufgrund dieses Gesetzes u.a. als Ansteckungsverdächtiger oder Krankheitsverdächtiger i.S.d. § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Der Auszubildende war vom 04. bis 18.11.2020 infolge des Kontakts mit einem mit dem Virus Infizierten aufgrund einer behördlichen Anordnung in Quarantäne und konnte aus diesem Grund seine Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag nicht mehr erfüllen. Der Erstattungsanspruch besteht nur dann, wenn aufgrund einer entsprechenden behördlichen Verfügung ein Verdienstausfall eintritt. Daran fehlt es. Der Auszubildende hatte trotz seiner Verhinderung einen Fortzahlungsanspruch aus § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG. § 56 Abs. 1 IfSG bezweckt nicht die finanzielle Entlastung des Arbeitgebers von den Verpflichtungen nach § 19 BBiG bzw. § 3 EFZG. Vielmehr wird in den dort geregelten Fällen das Risiko der mangelnden Leistungsfähigkeit des Beschäftigten grundsätzlich dem Arbeitgeber zugewiesen.

Praxishinweis

1. Das BAG hat mit Urteil vom 13.10.2021 (FD-ArbR 2021, 442723) anders entschieden: Der Arbeitgeber trägt nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen durch behördliche Anordnung in ein Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In der Pressemitteilung heißt es dann weiter: „In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs.“

2. Es sei – so das BAG ausdrücklich - Sache des Staates, „gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich“ zu sorgen. Das Instrument des Kurzarbeitergeldes hilft nicht weiter. Dieses muss vorweg beantragt werden und knüpft an bestimmte betriebliche Umstände an (§§ 95 ff. SGB III).

3. Bei einer Betriebsschließung wegen der Pandemie besteht kein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber und auch kein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG. Dem arbeitsfähigen Arbeitnehmer steht bei einer behördlich angeordneten Quarantäne ein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB nicht zu (Argument des BAG: Kein Betriebsrisiko). Stattdessen zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Entschädigung gemäß § 56 IfSG aus. Zu den Folgen des BAG-Urteils im Einzelnen: Sievers/Kruppa, JM 2021 446 ff. Zu Entschädigungsleistungen bei Quarantäne vgl. auch Lorenzen, COVUR 2021, 722.

VG Gera, Urteil vom 14.10.2021 - 3 K 280/21 Ge, BeckRS 2021, 33104