Urteilsanalyse
Keine Besorgnis der Befangenheit wegen Ablehnung eines Verlegungsantrags eines besonders coronagefährdeten Rechtsanwalts
Urteilsanalyse
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Ist ein Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen langfristig und auf nicht absehbare Zeit daran gehindert, einen Gerichtstermin oder einen vom Sachverständigen anberaumten Ortstermin wahrzunehmen, ist die Ablehnung eines Antrags auf Terminaufhebung durch den Einzelrichter nach Ansicht des OLG Karlsruhe nicht zu beanstanden. Es sei der Partei zuzumuten, dass sie in einem solchen Fall die Leistungen eines anderen Anwalts in Anspruch nimmt.

17. Aug 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 16/2021 vom 12.08.2021

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Sachverhalt

In einem Pachtverfahren bestimmte der vom Einzelrichter des Landgerichts beauftragte Sachverständige einen Ortstermin. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten teilte mit, er könne an dem Ortstermin nicht teilnehmen, da dies für ihn wegen Corona ein gesundheitlich nicht kalkulierbares Risiko darstelle. An einem Ortstermin könne er erst dann wieder teilnehmen, wenn sich das Pandemiegeschehen nicht mehr exponentiell entwickle. Der Einzelrichter ordnete anschließend für den Ortstermin umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Beteiligten vor Corona an.

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragte, den Sachverständigen anzuweisen, den Ortstermin aufzuheben. Die angeordneten Schutzmaßnahmen seien nicht ausreichend, er müsse jedwede Kontakte mit Dritten vermeiden. Der Einzelrichter lehnte eine solche Weisung ab. Der Ortstermin fand dann in Abwesenheit des Beklagten und seines Prozessbevollmächtigten statt. Der Beklagte lehnte den Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Kammer des LG erklärte das Ablehnungsgesuch für unbegründet. Dagegen legte der Beklagte sofortige Beschwerde ein.

Entscheidung: Vertreter oder Anwaltswechsel zumutbar

Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Es lägen keine Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit vor. Das LG habe nachvollziehbar «erhebliche Gründe» im Sinn von § 227 Abs. 1 ZPO verneint. Es sei nicht absehbar, wie lange der Prozessbevollmächtigte wegen der Corona-Pandemie die von ihm geschilderten Einschränkungen im Kontakt mit anderen Menschen weiter aufrechterhalten müsse. In einer Situation der besonderen gesundheitlichen Gefährdung sei es Sache des Prozessbevollmächtigten, für einen Vertreter zu sorgen, der einen Ortstermin mit dem Sachverständigen ohne entsprechende Einschränkungen wahrnehmen könne.

Das LG habe mit der Ablehnung der Weisung das rechtliche Gehör des Beklagten nicht verletzt. Die Wahrung der Rechte des Beklagten sei möglich gewesen. Der Prozessbevollmächtigte hätte einen anderen Anwalt als Vertreter beauftragen können, auch wäre ein Anwaltswechsel in Betracht gekommen. Zwar müsse einer Partei im Regelfall die Möglichkeit bleiben, den Anwalt des eigenen Vertrauens mit der Wahrnehmung ihrer Rechte zu betrauen. Dieser Aspekt könne aber nicht durchgreifen, wenn der Anwalt des Vertrauens langfristig und auf nicht absehbare Zeit an der Teilnahme an einem Ortstermin des Sachverständigen gehindert sei. In diesem Fall sei es dem Beklagten zuzumuten, die Leistungen eines anderen Anwalts in Anspruch zu nehmen.

Die Entscheidung des Einzelrichters enthalte auch kein Berufsverbot für die Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Wenn ein Rechtsanwalt ein Mandat annehme, dann sei er verpflichtet, die mit dem Mandat üblicherweise verknüpften Tätigkeiten auszuführen, wozu auch die Teilnahme am Ortstermin eines Sachverständigen gehöre.

Praxishinweis

Anders als das OLG Karlsruhe hat das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 02.07.2020 – 3 W 41/20, BeckRS 2020, 16849) eine Ablehnung eines Richters wegen verweigerter Terminverlegung für Corona-Risikopersonen als begründet angesehen, allerdings auch darauf hingewiesen, dass ein Prozessbevollmächtigter, der sich angesichts einer fortdauernden Pandemielage dauernd wegen seiner Gesundheit an der Wahrnehmung von Gerichtsterminen gehindert sehe, Vorsorge für eine Vertretung treffen müsse (vgl. auch Jaspersen in BeckOK ZPO, § 227 ZPO Rn. 12.5 («Krankheit des Anwalts - längerfristige Erkrankung»)

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.05.2021 - 9 W 25/21, rechtskräftig (LG Konstanz), BeckRS 2021, 19540