Urteilsanalyse
Keine Beschränkung des Sonderinsolvenzverwalters auf RVG-Vergütung bei Vielzahl zu prüfender Forderungen
Urteilsanalyse
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Ist eine Vielzahl von Forderungen durch den Sonderinsolvenzverwalter zu prüfen und machen diese einen wesentlichen Bruchteil der in dem Insolvenzverfahren zu prüfenden Forderungen aus, kommt in der Regel nach dem BGH eine Begrenzung der Vergütung auf eine solche nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht in Betracht.

20. Jan 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 01/2022 vom 14.01.2022

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Sachverhalt

Der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter war zugleich Insolvenzverwalter eines anderen Unternehmens und meldete in dieser Funktion zahlreiche Forderungen über knapp 200.000 EUR zur Tabelle des Insolvenzverfahrens an. Zur Prüfung dieser Forderungen bestellte das Insolvenzgericht einen Sonderinsolvenzverwalter. Dieser begehrte nach Abschluss seiner Prüfungstätigkeit eine Vergütung von rund 10.000 EUR. Das AG sprach ihm unter Annahme einer Regelquote von 25% der Vergütung nur 3.370 EUR zu. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg. Das LG erachtete eine Regelquote zwar für fehlerhaft, sah die Vergütung aber auf eine solche nach dem RVG begrenzt. Der Sonderinsolvenzverwalter legte die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde ein.

Entscheidung: besondere Sachverhaltsgestaltung, LG-Feststellungen für Vergütungsbegrenzung nicht ausreichend

Die Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LG.

Der BGH hält zunächst fest, dass sich die Festlegung einer Regelquote der Vergütung, so wie es für den vorläufigen Verwalter in § 63 Abs. 3 Satz 2 InsO bestimmt sei, verbiete. Denn die Aufgaben, die dem Sonderinsolvenzverwalter übertragen würden, könnten sehr unterschiedlich sein und von der Prüfung einzelner Ansprüche bis zu der Verwaltung von Sondervermögensmassen reichen. Habe der Sonderinsolvenzverwalter allerdings lediglich die Aufgabe, einzelne Ansprüche zu prüfen, zur Tabelle anzumelden oder anderweitig rechtlich durchzusetzen, sei seine Tätigkeit mit derjenigen eines Insolvenzverwalters kaum mehr vergleichbar. In diesem Fall könne die Vergütung jedenfalls nicht höher festgesetzt werden, als sie nach § 5 InsVV beansprucht werden könnte, wenn der Sonderinsolvenzverwalter nach dieser Vorschrift für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu vergüten wäre. Die sich danach ergebende Vergütungshöhe stelle dann die maximale Vergütung dar. Entscheidend sei, ob eine eng begrenzte Regelaufgabe auf den Sonderinsolvenzverwalter übertragen wird.

Die Feststellungen des Beschwerdegerichts trügen eine Begrenzung der Vergütung auf eine solche nach dem RVG nicht. Hier liege eine besondere Sachverhaltsgestaltung vor, denn der Sonderinsolvenzverwalter habe 42 Forderungen und damit ungefähr 1/3 der in dem Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen zu prüfen gehabt. Im Regelfall scheide eine Begrenzung der Vergütung aus, wenn der Sonderinsolvenzverwalter eine Vielzahl von Forderungen prüfen muss. Das müsse umso mehr gelten, wenn diese Forderungen – wie hier – einen wesentlichen Bruchteil der in dem Insolvenzverfahren zu prüfenden Forderungen ausmachen. Dann könne von der Übertragung einer eng begrenzten Aufgabe auf den Sonderinsolvenzverwalter nicht mehr die Rede sein. Anders könne es liegen, wenn sich die verschiedenen Forderungen als ein einheitlicher Anspruch darstellen, weil sie von ein und demselben Gläubiger herrühren, auf demselben rechtlichen Grund beruhen und inhaltlich jeweils keine signifikant voneinander abweichenden Anforderungen an die rechtliche sowie tatsächliche Prüfung des Sonderinsolvenzverwalters stellen. Hier fehlten aber nähere Feststellungen zum Inhalt der 42 Forderungen.

Praxishinweis

Die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters, der bestellt wird, wenn der Insolvenzverwalter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann, ist ausdrücklich weder in der InsO noch in der InsVV geregelt (Weiß in Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung, § 63 InsO, Werkstand 43. Ergänzungslieferung, Mai 2021, InsO § 63 Rn. 46). Hat der Sonderinsolvenzverwalter lediglich die Aufgabe, einzelne Ansprüche zu prüfen, zur Tabelle anzumelden oder anderweitig rechtlich durchzusetzen, ist seine Tätigkeit nicht mehr mit derjenigen eines Insolvenzverwalters vergleichbar, sodass dann die Vergütung jedenfalls nicht höher festgesetzt werden kann, als sie nach § 5 InsVV beansprucht werden könnte, wenn der Sonderinsolvenzverwalter nach dieser Vorschrift für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu vergüten wäre (Stephan in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2019 § 63 InsO Rn. 64 m. w. N). In der berichteten Entscheidung konkretisiert der BGH diese Sonderkonstellation bei der Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters und schränkt sie dahingehend ein, dass eine Begrenzung auf eine Vergütung nach dem RVG zumindest dann nicht mehr gilt, wenn der Sonderinsolvenzverwalter eine Vielzahl von Forderungen zu prüfen hat und diese einen wesentlichen Bruchteil der in dem Insolvenzverfahren zu prüfenden Forderungen ausmacht. Dann kommt die Tätigkeit des Sonderinsolvenzverwalters der klassischen Tätigkeit eines Insolvenzverwalters näher.

BGH, Beschluss vom 11.11.2021 - IX ZB 13/21, rechtskräftig (LG Köln), BeckRS 2021, 40553