Urteilsanalyse
Keine Abweisung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse bei gewährter Verfahrenskostenstundung
Urteilsanalyse
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Bei gewährter Verfahrenskostenstundung auf Eigenantrag hin liegen nach Ansicht des Landgericht Itzehoe die Voraussetzungen vor, nach denen eine Abweisung eines Drittantrages mangels Masse zu unterbleiben hat. 

10. Nov 2022

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 23/2022 vom 10.11.2022

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Sachverhalt

Mit Schreiben vom 11.4.2022 stellte der Gläubiger und Beschwerdeführer einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Nach Anhörung der Schuldnerin holte das Insolvenzgericht ein Sachverständigengutachten über die Deckung der Verfahrenskosten, das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes und die Aussichten der Fortführung des Unternehmens ein. Mit Beschluss vom 9.6.2022 ordnete das Insolvenzgericht eine vorläufige Insolvenzverwaltung an. Das Gutachten des Sachverständigen vom 19.7.2022 ergab keine Verfahrenskostendeckung. Jedoch empfahl er, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund des gestellten Eigenantrages der Schuldnerin. Mit Antrag vom 14.7.2022, bei Gericht eingegangen am 20.7.2022, stellte die Schuldnerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und beantragte gleichzeitig, hier die Verfahrenskosten zu stunden. Dieser Antrag wurde unter dem Aktenzeichen 61 IN 37/22 geführt. In dieser Akte wurde ohne die Anordnung weiterer Ermittlungen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin mit Beschluss vom 21.7.2022 eröffnet.

Mit Beschluss vom selben Tag wies das Insolvenzgericht den Gläubigerantrag in diesem Verfahren mangels Masse ab. Die Kosten des Verfahrens wurden der Schuldnerin auferlegt.

Gegen den am 25.7.2022 zugestellten Beschluss legte die Gläubigerin mit Schreiben vom 5.8.2022 sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, den Abweisungsbeschluss mangels Masse aufzuheben und die Verfahren miteinander zu verbinden. Im Ergebnis mit Erfolg.

Entscheidung

Das auf den Gläubigerantrag eingeleitete Insolvenzverfahren habe nicht mangels Masse abgewiesen werden dürfen.

Gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO habe das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzuweisen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen werde, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Gem. Satz 2 unterbleibe die Abweisung, wenn ein ausreichender Kostenvorschuss erbracht werde oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet würden.

Nach § 80 InsO werde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Die einzelnen Insolvenzanträge hätten lediglich den Zweck, das Eröffnungsverfahren einzuleiten und dem Insolvenzrichter die Möglichkeit zu geben, die Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung von Amts wegen zu prüfen (vgl. Holzer, NZI 2007, 432). Das Insolvenzverfahren werde somit dann eröffnet, wenn die Eröffnungsvoraussetzungen (Vorliegen einer kostendeckenden Masse) als Ergebnis eines einzelnen - möglicherweise als faktisches Leitverfahren behandelten - Verfahrens festgestellt worden seien. In diesem Fall würden sämtliche gegen denselben Schuldner gerichteten Insolvenzanträge durch einen einzigen Beschluss zur Eröffnung gebracht, sofern sie dieselbe Insolvenzmasse betreffen und nicht unzulässig seien (vgl. Holzer, aaO, S. 437).

So liege der Fall hier. Der Insolvenzantrag der Gläubigerin sei zulässig gewesen, es habe nur an der erforderlichen Masse gefehlt. Durch Stundung der Verfahrenskosten auf den Eigenantrag hin hätten die Voraussetzungen vorgelegen, nach denen eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse zu unterbleiben habe. Insofern habe dieser Insolvenzantrag nicht mangels Masse abgewiesen werden dürfen.

Mithin habe der Abweisungsbeschluss aufgehoben werden und die Akte an das Insolvenzgericht zur eigenen Entscheidung über die Verbindung der Verfahren zurückgesandt werden müssen. Eine Verbindung könne in diesem Fall auch noch nach Eröffnung durchgeführt werden (vgl. AG Köln, BeckRS 2011, 5604).

Praxishinweis

Das Gericht weist daraufhin, dass die Wirksamkeit des Abweisungsbeschlusses auch zur Folge hätte, dass das eingeholte Gutachten - anders als hier erfolgt - nicht als Ermittlungsergebnis für das eröffnete Verfahren (61 IN 27/22) hätte verwendet werden dürfen. Sofern keine Verbindung der Verfahren erfolge, gölten die Ermittlungsergebnisse nur für dasjenige Verfahren, in dem sie eingeholt worden seien. Wenn das „Leitverfahren“ vor Verfahrenseröffnung beendet werde, seien die in diesem Verfahren angeordneten Maßnahmen unverzüglich aufzuheben und müssten in anderen Verfahren noch einmal angeordnet werden (vgl. Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 13 Rn. 89). Dies hätte auch auf alle durch den vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommenen Maßnahmen Auswirkung gehabt.


LG Itzehoe, Beschluss vom 02.09.2022 - 6 T 9/22 (AG Meldorf), BeckRS 2022, 26724