Urteilsanalyse
Keine abhängige Beschäftigung eines Notarztes im kommunalen Rettungsdienst
Urteilsanalyse
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Zwischen einem Notarzt oder einer Notärztin im kommunalen Rettungsdienst und der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) besteht nach Ansicht des SG Magdeburg aufgrund der notärztlichen Tätigkeit kein Beschäftigungsverhältnis.

13. Jan 2022

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Sebastian Menke, BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin
 
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 01/2022 vom 06.01.2022

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Sachverhalt

Die Beteiligten stritten darüber, ob die Tätigkeit des Klägers als Notarzt im Rettungsdienst der Landkreise und kreisfreien Städte eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ist. Der Kläger schloss mit der KVSA am 10.10.2014 und 10.01.2015 Honorarverträge über den Einsatz als Notarzt im Rettungsdienst. Zwischen den Vertragsparteien bestand Einvernehmen, dass ein Dienstvertrag und kein Arbeitsverhältnis zustande komme, der Kläger Steuern und Sozialabgaben selbst abführe und keine Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsansprüche bestünden. Der Kläger sorgte selbst für die Unfallversicherung sowie für die Kranken- und Rentenversicherung. Die Vergütung leistete die KVSA nach Abrechnung aller im Monat geleisteten Notarztdienste. Am 10.02.2015 beantragte der Kläger die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens. Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid v. 09.06.2015 fest, dass dieser seine Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst bei der KVSA im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Das Gesamtbild der Tätigkeit spreche für eine abhängige Beschäftigung.

Der Widerspruch des Klägers war erfolglos. Im gerichtlichen Verfahren hat das SG Magdeburg die KVSA beigeladen. Sie war wie der Kläger der Ansicht, dass der Notarzt im Rettungsdienst bei ihr nicht abhängig beschäftigt sei.

Entscheidung

Das SG Magdeburg hat der Anfechtungs- und Feststellungsklage stattgegeben.

Der Kläger habe seine Tätigkeit als Notarzt im kommunalen Rettungsdienst nicht im Rahmen einer Beschäftigung bei der KVSA ausgeübt. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig sei, richte sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägten und hänge davon ab, welche Merkmale überwögen.

Zunächst sei festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der KVSA schon kein Dauerbeschäftigungsverhältnis vorliege, da sie nur einen Rahmenvertrag zur Besetzung von punktuellen Notarztdiensten im kommunalen Rettungsdienst geschlossen hätten.

Ferner begründeten die vertraglichen Vereinbarungen und die tatsächliche Durchführung der Notarztdienste keine Zuordnung der Tätigkeit zu den versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der KVSA. Diese betreibe weder den Rettungsdienst als eigenen Betrieb noch die Notarztversorgung als eigenen Teilbetrieb im Rahmen des Rettungsdienstes, in den der Kläger hätte organisatorisch und weisungsgebunden eingegliedert sein können und es liege auch kein gesetzlich vorgeschriebener Fall von Arbeitnehmerüberlassung vor. Während der Bereitschaftszeit sei der Kläger zwar örtlich gebunden und könne den Ort der permanenten Einsatzbereitschaft nicht selbst bestimmen. Dies beruhe jedoch nicht auf einer vertraglichen Weisungsbefugnis der KVSA, sondern auf den Vorgaben des RettDG LSA in Verbindung mit der Satzung des Rettungsdienstträgers.

Die Vereinbarung eines festen gewinnunabhängigen Stundenlohns sei auch ein neutraler Aspekt, der weder für die Einordnung der Tätigkeit als Beschäftigung noch als Selbständigkeit spreche. Arbeitnehmer wie auch Selbständige vereinbarten einen festen Stundenlohn.

Das Fehlen eines wesentlichen unternehmerischen Risikos spreche hier ebenfalls nicht für eine abhängige Beschäftigung. Dieses sei nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstünden. Daran fehle es hier aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Notarzttätigkeit.

Praxishinweis

Das Gericht hat im Wesentlichen zutreffend darauf abgestellt, ob überhaupt ein Betrieb tatsächlich existiert, in den der Notarzt hätte eingegliedert werden können. Ferner wurde durch das erkennende Gericht die Weisungsgebundenheit hervorgehoben. Sofern Beides nicht gegeben ist, kann eine abhängige Beschäftigung nicht begründet werden.

SG Magdeburg, Urteil vom 29.09.2021 - S 43 R 90/16, BeckRS 2021, 33765