Urteilsanalyse
Kein Zahlungsverzug des Mieters bei rechtzeitiger Zahlungsanweisung der Bank
Urteilsanalyse
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Mieter kommen mit der laufenden Miete nicht in Verzug, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später – wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin – tatsächlich gutgeschrieben wird. Bestreitet der Vermieter allerdings die Gutschrift, tragen, so das LG Berlin, die Mieter die Beweislast für den (verspäteten) Zahlungseingang.

15. Mai 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 09/2023 vom 11.05.2023

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Sachverhalt

Die Parteien waren durch ein Wohnraummietverhältnis miteinander verbunden, das die klagende Vermieterin fristlos kündigte.

Am 01.09.2021 erhob die Klägerin gegen die beklagte Mieterin Räumungsklage. Als Begründung gab die Klägerin Mietrückstände in Höhe von insgesamt über zwei Monatsmieten an, konkret für Januar 2021 in Höhe von 350 EUR, Februar 2021 in Höhe von 300 EUR, April 2021 in Höhe von 400 EUR, Mai 2021 in Höhe von 400 EUR und Juli 2021 in Höhe von 400 EUR. Die Beklagte trägt vor, dass sie sich nicht in Zahlungsverzug befinde und die Miete jeweils rechtzeitig zur Zahlung angewiesen habe. Die Klägerin bestreitet dies und trägt weiter vor, dass ihr auch die während des Verfahrens behaupteten zusätzlichen Zahlungen im November 2021 in Höhe von 450 EUR, im Januar 2022 in Höhe von 475 EUR sowie im Februar 2022 in Höhe von 475 EUR nicht gutgeschrieben worden seien. Das Amtsgericht gab der Klage vollumfänglich statt. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte die Klageabweisung weiter.

Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin habe gegenüber den Beklagten einen Anspruch gemäß §§ 985, 546 Abs. 1 BGB auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung. Das zwischen den Parteien zuvor bestehende Mietverhältnis sei jedenfalls durch die fristlose Kündigung aus dem Schriftsatz vom 18.11.2021 beendet.

Ein Kündigungsgrund i.S.v. §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b) BGB sei gegeben. Danach liege ein wichtiger Grund, der jede Vertragspartei zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtige, vor, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstrecke, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug sei, der die Miete für zwei Monate erreiche.

Dies sei hier der Fall.

Zahlungsverzug trete nach den Voraussetzungen des § 286 BGB ein. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung komme es im Überweisungsverkehr nicht darauf an, dass die Miete auf dem Konto des Vermieters eingegangen sei; es genüge vielmehr, dass der Mieter – bei ausreichend gedecktem Konto – seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag am Fälligkeitstag erteile; Verzögerungen oder Fehlleitungen durch die Bank führten dann nicht zum Verzug.

Dies liege darin begründet, dass es sich bei Mietschulden, wie bei anderen Geldschulden auch, um eine sogenannte qualifizierte Schickschuld handele, die im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen sei. Gemäß § 270 Abs. 1 BGB trage der Schuldner allerdings die Verlustgefahr bei Geldleistungen, denn Geld habe der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. Es handele sich im vorliegenden Fall, in dem der Eingang der von den Beklagten behaupteten Zahlungen seitens der Klägerin unter Vorlage ihrer Mieterkontoübersicht substantiell bestritten werde, auch nicht lediglich um das sogenannte Verzögerungsrisiko – welches die Klägerin zu tragen hätte – sondern eben um das Verlustrisiko. Dieses würden gemäß § 270 Abs. 1 BGB weiterhin die Beklagten als Schuldner der Mietzahlungspflicht tragen. Demnach kämen Mieter mit der laufenden Miete nicht in Verzug, solange sie die Zahlungsanweisung bis zur Fälligkeit der Miete vornehmen und die Miete dem Konto des Vermieters später – wenn auch erst nach dem Fälligkeitstermin – tatsächlich gutgeschrieben werde. Bestreite der Vermieter allerdings die Gutschrift, trügen die Mieter die Beweislast für den (verspäteten) Zahlungseingang und gerieten – im Fall der späteren Nichterweislichkeit der streitigen Gutschrift – mit ihren Mietzahlungen jedenfalls dann in Verzug, wenn sie die Zahlungen nicht unverzüglich erneut vornehmen, nachdem sie vom Vermieter auf deren bislang unterbliebenen Eingang hingewiesen worden seien. Insofern obliege den Beklagten als Schuldnern zwar nicht die Beweislast für die rechtzeitige Gutschrift der Überweisungsbeträge auf dem Konto der Klägerin; dass die Gutschrift überhaupt erfolgt sei, hätten sie jedoch zu beweisen.

Dieser Beweis sei den Beklagten nicht gelungen. Es fehle an einem Nachweis dafür, dass der Leistungserfolg tatsächlich eingetreten sei. Die Leistungshandlung allein ändere hingegen nichts an dem eingetretenen Zahlungsverzug der Beklagten. Die bloße Leistungshandlung könne den Verzug nämlich nur unter der – hier nicht bewiesenen – Voraussetzung beenden, dass die Leistungshandlung die Erfüllung bzw. den Leistungserfolg – wenn auch verspätet – herbeigeführt habe.

Die von den Beklagten behaupteten fünf Mietzahlungen vor Klageerhebung seien nicht zu ihren Gunsten zu berücksichtigen. Gleiches gelte für die im weiteren Verfahren behaupteten zusätzlichen Zahlungen. Hinsichtlich keiner dieser Zahlungen seien die Beklagten der ihnen obliegende Darlegungs- und Beweislast dahingehend nachgekommen, dass nachgewiesen worden wäre, dass die entsprechenden Zahlungen bei der Klägerin als Gläubigerin des Mietzinsanspruches eingegangen seien.

Zwar hätten die Beklagten Unterlagen vorgelegt, die ihren Angaben nach von der D. Bank stammen würden und aus denen sich ergeben solle, dass die streitigen Überweisungen ausgeführt und nicht zurückgezogen oder nicht verbucht worden seien. Demgegenüber habe die Klägerin jedoch ebenfalls umfangreiche Unterlagen ihres Kreditinstituts vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass die in Rede stehenden Überweisungen bei ihr – auch weiterhin – nicht eingegangen seien.

Das damit gegebene non-liquet gehe zu Lasten der für die Gutschrift der streitigen Überweisungen beweisbelasteten Beklagten.

Die Beklagten hätten diesen Zahlungsverzug auch zu vertreten i.S.v. § 286 Abs. 4 BGB.

Selbst wenn man annehme, dass die Beklagten zunächst keine Kenntnis davon hatten, dass die von ihnen behaupteten Zahlungen nicht bei der Klägerin gutgeschrieben wurden, hätten sie jedenfalls durch die Klageschrift und die darin enthaltene Mieterkontoübersicht von dem nach Auffassung der Klägerin bestehenden Mietrückstand erfahren. Ein bis dahin womöglich bestehender unvermeidbarer Tatsachenirrtum sei spätestens mit Zustellung der Klageschrift entfallen. Dennoch hätten sie in der Folge weder den Mietrückstand ausgeglichen noch dafür Sorge getragen, dass jedenfalls bei folgenden Zahlungen sichergestellt sei, dass diese auf dem Empfängerkonto der Klägerin eingehen würden. Vielmehr sei es auch bei den weiteren Zahlungen erneut dazu gekommen, dass der Eingang auf dem Konto der Klägerin nicht nachgewiesen werden konnte. Die Beklagten hätten insofern jedenfalls fahrlässig gehandelt.

Praxishinweis

Bei der Mietschuld handelt es sich regelmäßig um eine Gelschuld und damit um eine Schickschuld im Sinne von §§ 269, 270 BGB. Grundsätzlich handelt der Schuldner ordnungsgemäß, wenn er – soweit das Konto gedeckt ist – am letzten Tag der Frist vor den Cut-Off-Zeitpunkt seinem Zahlungsdienstleister den Auftrag zur Überweisung erteilt; jegliche Verzögerungen durch den Zahlungsdienstleister gehen zu Lasten des Gläubigers (LG Berlin, Urteil vom 10.12.2020 – 65 S 189/20, BeckRS 2020, 42254).

Zu Recht unterscheidet das Landgericht Berlin daher in vorstehendem Fall zwischen dem Verzögerungsrisiko einerseits und dem Verlustrisiko andererseits. Nur letzteres hat der Schuldner, der auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz das Geld zu übermitteln hat, zu tragen, § 270 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 05.10.2016, VIII ZR 222/15, NJW 2017, 1596). Das Risiko bei Verlust doppelt leisten zu müssen endet erst mit der Erfüllung der Schuld, im Überweisungsverkehr regelmäßig erst bei der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers. Der Schuldner hat demnach jegliche Verwirklichung eines – auch zufälligen – Risikos zu tragen, das typischerweise mit der Geldübermittlung zusammenhängt. Hat der Gläubiger jedoch die Umstände des Verlusts zu vertreten und der Schuldner seine Schuld ordnungsgemäß erbracht, so erscheint es sachgerecht, dass sich der Gläubiger nicht auf die fehlende Erfüllung berufen kann, § 242 BGB (Krüger in: Münchener Kommentar, 9. Auflage 2022, § 270 BGB, Rn 15).

 LG Berlin, Urteil vom 25.04.2023 - 67 S 103/22 (AG Berlin-Spandau), BeckRS 2023, 8385