NJW-Editorial
Kein weiterer Paukenschlag
NJW-Editorial
Foto_Clarissa_Freundorfer_WEB
Foto_Clarissa_Freundorfer_WEB

Das Urteil des BSG vom 3.4.2014 (NJW 2014, 2743) war ein Paukenschlag. Es weckte die Syndikusanwälte aus einem jahrzehntelangen Schlaf, in dem viele träumten, dass die Anerkennung der anwaltlichen Tätigkeit im Unternehmen entbehrlich ist, solange man nur von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit bleibt. Durch die Entscheidung aus Kassel brach der lange nur von wenigen geführte Streit um die anwaltliche Tätigkeit im Unternehmen mit voller Wucht aus. Es war von „Spaltung der Anwaltschaft“ die Rede. Die Tatsache, dass sich Syndikusanwälte in berufspolitische Gremien wählen ließen, wurde als „Revolution“ bezeichnet.

5. Nov 2020

Im Vergleich dazu kommt die am 23.10. veröffentlichte Evaluierung des Syndikusgesetzes eher unspektakulär als Triangel-Schlag daher. Laut der Bundesregierung habe sich das Gesetz weitestgehend bewährt, Änderungen seien nicht angezeigt. Dieses Ergebnis war abzusehen. Große Verbesserungen (wie etwa eine nicht-tätigkeitsbezogene Zulassung oder die Zuerkennung des strafrechtlichen „Legal Privilege“) sind auf längere Sicht nicht zu erwarten. Derweil haben sich viele Zweifelsfragen der Anwendung des Gesetzes durch Rechtsprechung der Anwaltsgerichthöfe und des Anwaltssenats des BGH erledigt. Der untere Rand der Prägung ist bei 65 % gezogen, eine Syndikustätigkeit im Öffentlichen Dienst ist bei nicht-hoheitlicher Tätigkeit zulässig, ein Syndikusanwalt muss keine Alleinvertretungsbefugnis haben und noch nicht einmal eine Vertretungsmacht, eine Unterbrechung durch Elternzeit ist möglich etc. Derzeit sind vor allem noch Fragen rund um die Drittberatung umstritten: Wo liegt die Grenze zwischen der Rechtsberatung des Arbeitgebers und der gegenüber Dritten? Und kann es richtig sein, dass ein Unternehmen für nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubte Beratung zwar Unternehmensjuristen beschäftigen darf, jedoch keine Syndikusrechtsanwälte? Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung im Wesentlichen nur bei der Behandlung der Unterbrechung der Syndikustätigkeit zur vorübergehenden Aufnahme einer berufsfremden Tätigkeit. Die Unterbrechung der Versorgungsbiografie müsse vermieden werden. Hier biete es sich an, eine an der Regelung des § 6 V 2 SGB VI orientierte Lösung zu finden. Dies würde es Syndikusrechtsanwälten etwa ermöglichen, Hospitationen zu machen oder sich als Betriebsrat zu engagieren.

Der Bericht ist kein Grund für Syndikusanwälte, wieder in den Ruhemodus zu fallen. Die tätigkeitsbezogene Zulassung ist kein Idealzustand und benachteiligt die Syndikusrechtsanwälte immer noch gegenüber niedergelassenen Anwälten, die nicht bei jeder einzelnen Tätigkeit nachweisen müssen, dass sie genuin anwaltlich ist. Und die Vorenthaltung des strafrechtlichen Beschlagnahmeverbots und Aussageverweigerungsrechts zeugt von einem immer noch zu Unrecht herrschenden Misstrauen gegenüber anwaltlicher Tätigkeit im Unternehmen. Es mag kein Paukenschlag mehr erforderlich sein. Gleichwohl werden wir beharrlich weiter auf Verbesserungen hinarbeiten. •

Dr. Clarissa Freundorfer, LL.M., ist Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) in Mainz und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Syndikusanwälte im DAV.