Urteilsanalyse
Kein Rückgewähranspruch bei vorinsolvenzlich erfolgter Rückführung
Urteilsanalyse
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Eine den insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch ausschließende vorweggenommene Befriedigung kann nach dem BGH auch dann anzunehmen sein, wenn die vorinsolvenzliche Rückführung des in anfechtbarer Weise erlangten Gegenstands oder dessen Werts in das Vermögen des Schuldners mit dem Willen zur Erfüllung eines anderen, auf ein und dieselbe Leistung gerichteten Anspruchs erfolgt.

23. Jan 2023

Rechtsanwältin Sandra Dambacher, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 01/2023 vom 19.01.2023

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Sachverhalt

Der klagende Sachwalter hatte im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren einer GmbH unter dem Vorbehalt der späteren Insolvenzanfechtung acht Steuerzahlungen an das beklagte Land geleistet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangte er die Rückgewähr der Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO. Die Beklagte zahlte jedoch nur einen Teilbetrag zurück, da sich zuvor hinsichtlich drei der angefochtenen Steuerzahlungen eine Überbezahlung ergeben hatte und der Steuererstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 S. 1 AO bereits erfüllt worden war, infolgedessen der Kläger Klage hinsichtlich des Restbetrages erhob.

Nach Abweisung der Klage mangels objektiver Gläubigerbenachteiligungsabsicht durch das Erstgericht hat das OLG die Beklagte zur Rückgewähr der Zahlungen verurteilt. Der Neunte Zivilsenat des BGH hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG zurückgewiesen.

Entscheidung

Der BGH bestätigte zunächst seine ständige Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 25.1.2018 - IX ZR 299/16; BGH WM 2018, 328 mAnm Buck FD-InsR 2018, 403117) zur Hinderungsmöglichkeit des mit der Verfahrenseröffnung entstehenden insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs durch eine vorinsolvenzlich erfolgte Rückführung des zuvor in anfechtbarer Weise erlangten Gegenstands oder dessen Werts in das Vermögen des Schuldners.

Durch die vorweggenommene Befriedigung werde die einmal eingetretene Gläubigerbenachteiligung rückgängig gemacht. Entscheidend für den Ausschluss des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs sei demnach die Herstellung der Vermögenslage, wie sie nach Verfahrenseröffnung geschaffen werden müsste. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Anfechtbarkeit sei irrelevant. Durch die vorzeitige Befriedigung dürfe allerdings keine sonstige Forderung des Schuldners beglichen werden, die im eröffneten Verfahren neben dem insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch hätte durch gesetzt werden können und demnach einen eigenständigen Vermögenswert dargestellt hätte.

Ergänzend stellt der BGH nunmehr klar, dass der subjektive Wille des Empfängers der Leistung mit der Rückgewähr an den Schuldner einen anderen, auf ein und dieselbe Leistung gerichteten Anspruch zu tilgen, unbeachtlich ist. Maßgeblich sei die objektive Vermögenslage. Der Verwalter könne die Rückgewähr ein und derselben Leistung nur einmal verlangen. Dies sei immer dann der Fall, wenn beide Ansprüche aus dem gleichen Lebenssachverhalt stammen und auf ein und dieselbe Leistung gerichtet sind, zwischen ihnen also im eröffneten Verfahren materiell-rechtliche Anspruchskonkurrenz bestünde.

Praxishinweis

Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung ist und bleibt die Rückgängigmachung gesetzeswidriger Vermögenstransfers zur Stärkung der Insolvenzmasse zu Gunsten der Gläubiger. Ist dieses Ziel bereits objektiv durch vorinsolvenzlich erfolgte Rückführung erreicht, ist es nur konsequent, dem Insolvenzverwalter sein „scharfes Schwert“ zu verwehren.

BGH, Urteil vom 10.11.2022 - IX ZR 160/21 (OLG Koblenz), BeckRS 2022, 36531