Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 09/2022 vom 06.05.2022
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Sachverhalt
Für die mündliche Verhandlung in einem Prozess um eine Planfeststellung hatte die Verwaltung des OVG einen Raum außerhalb des Gerichtsgebäudes angemietet, da coronabedingte Vorgaben nur eine eingeschränkte Benutzung des Sitzungssaals zuließen. Die Kosten der Anmietung wurden den Klägern jeweils anteilig gemäß Nr. 9006 KV GKG für Geschäfte außerhalb der Gerichtsstelle in Rechnung gestellt. Einer der Kläger legte Erinnerung ein. Die Kostenbeamtin reduzierte die Kostenforderung, half ihr aber im Übrigen nicht ab.
Entscheidung: Anmietung coronabedingt, nicht wegen besonderer Situation des Einzelfalls
Die Erinnerung hatte Erfolg.
Nr. 9006 KV GKG finde im vorliegenden Fall keine Anwendung. Bei den Kosten für die Raumanmietung habe es sich nicht um Auslagen gehandelt, die durch Geschäfte außerhalb der Gerichtsstelle im Sinn dieser Vorschrift angefallen seien. Gerichtsstelle sei regelmäßig das Gerichtsgebäude. Darunter falle aber auch jeder andere Raum, in dem üblicherweise und regelmäßig Sitzungen des betreffenden Gerichts stattfänden. Die Möglichkeit eines anderen Ortes als Gerichtsstelle bestehe auch dann, wenn außerhäusige Gerichtstage stattfinden oder wenn das Gericht Räumlichkeiten außerhalb des Gerichtsgebäudes vorübergehend nutzt, etwa wenn wegen Bauarbeiten die Nutzung des eigentlichen Gerichtssaals nicht möglich ist.
Eine vergleichbare Konstellation sei vorliegend gegeben. Ursächlich für die Raumanmietung sei gewesen, dass die Sitzungssäle im OVG-Gebäude coronabedingt grundsätzlich nur noch mit eingeschränkter Personenzahl benutzt werden dürfen. Dem Senat sei es aufgrund dieser Beschränkungen regelmäßig nicht mehr möglich, ohne Anmietung einer außerhäusigen Räumlichkeit Termine in Planfeststellungsverfahren überhaupt durchzuführen. Diese Notwendigkeit sei dabei nicht durch eine außergewöhnlich große Anzahl von Personen bedingt, sondern ergebe sich aus der derzeit eingeschränkten Nutzbarkeit des im Gerichtsgebäude zur Verfügung stehen Gerichtssaals.
Der Justizgewährleistungsanspruch müsse es auch unter coronabedingten Einschränkungen ermöglichen, Verhandlungen, die sich mit Blick auf die Teilnehmerzahl in einem grundsätzlich üblichen Rahmen hielten, durchzuführen, ohne dass dadurch die Beteiligten mit nicht unerheblichen Mehrkosten belastet würden. Auch Sinn und Zweck der in den Nrn. 9006 ff. KV GKG geregelten Erstattungsfähigkeit von Auslagen sprächen für die vorgenommene Auslegung. Sie ermöglichten die Auferlegung von Kosten, die aufgrund der Besonderheit des Einzelfalls entstünden. Hier sei die Nutzung des vorhandenen Sitzungssaals aber aufgrund von außerhalb des konkreten Einzelfalls liegenden Umständen, die auch nicht der Risikosphäre der Beteiligten oder dem konkreten Verfahren zuzuordnen seien, eingeschränkt gewesen.
Praxishinweis
Es fehlt schon an einem Geschäft außerhalb der «Gerichtsstelle». Gerichtsstelle ist nämlich derjenige Raum, in dem das Gericht seine Tätigkeit bestimmungsgemäß regelmäßig vornimmt (Toussaint in Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, KV 9006 GKG Rn. 1). Allerdings gehören zur Gerichtsstelle auch Räumlichkeiten, die das Gericht nur vorübergehend nutzt, etwa wegen Bauarbeiten (Hagen Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021 KV FamGKG 2006 Rn. 2.). Zutreffend hat das OVG Lüneburg die eingeschränkte Benutzbarkeit der im Gebäude des Gerichts zur Verfügung stehenden Gerichtssäle aufgrund coronabedingter Vorgaben dem gleichgestellt.
OVG Lüneburg, Beschluss vom 05.04.2022 - 7 KS 41/13, BeckRS 2022, 7773