Urteilsanalyse
Kein automatischer Schluss auf Besitzwillen i.S.d. § 184b StGB für Inhalte im Browser-Cache
Urteilsanalyse
Lorem Ipsum
© Stefan Yang / stock.adobe.com

Befinden sich kinderpornografische Inhalte im Browser-Cache eines gebraucht gekauften Mobiltelefons, kann laut Amtsgericht Pforzheim nicht ohne Weiteres auf einen entsprechenden Besitzwillen geschlossen werden.

7. Jul 2023

Anmerkung von
Rechtsanwältin Nathalie C. Frohnmeyer, Knierim & Kollegen, Mainz

Aus beck-fachdienst Strafrecht 13/2023 vom 29.06.2023

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Strafrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Strafrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Strafrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de.

StGB § 184b III Var. 3; StPO § 204 I

Sachverhalt

A erwarb ein gebrauchtes Mobiltelefon, auf dem sich im Browser-Cache Dateien befanden, die unter kinderpornographische Inhalte i.S.d. § 184b StGB fallen. A gab an, selbst nie inkriminierte Dateien heruntergeladen oder einschlägige Webseiten aufgerufen zu haben. Zudem habe er weder einzelne Dateien aus dem Browser-Cache gelöscht oder diesen geleert. Das AG beschloss das Verfahren nicht zu eröffnen.

Entscheidung

Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht. Obwohl der objektive Tatbestand des Besitzes kinderpornografischer Inhalte gem. § 184b StGB erfüllt sei, da sich entsprechende Dateien im Browser-Cache des sichergestellten Mobiltelefons befanden, sei es nach aktuellem Verfahrensstand unwahrscheinlich, dass A insoweit Vorsatz nachgewiesen werden könne. Weitere Ermittlungsansätze seien nicht ersichtlich. Der Vortrag des A könne nicht überprüft und damit widerlegt werden. Er müsse daher unter Anwendung des Zweifelssatzes in dubio pro reo als wahr unterstellt werden. Dem folgend könne sich ein strafbares Verhalten lediglich aus der späteren Bildung eines Vorsatzes zum Besitz der inkriminierten Dateien ergeben. Erforderlich hierfür sei jedoch die Bildung eines zumindest bedingten Besitzwillens seitens des A. Es lägen hierfür jedoch keine hinreichenden Indizien vor. Insbesondere seien weder eine Vielzahl an Dateien an unterschiedlichen Speicherorten festgestellt worden, noch könne ein Aufruf der Dateien aus dem Cache nachgewiesen werden. Im Falle dessen, dass im Rahmen der Beweisaufnahme ein späteres Löschen der Dateien in der Zeit zwischen Rückgabe des Mobiltelefons und seiner erneuten Beschlagnahme mit hinreichender Sicherheit festgestellt würde, wäre dies nicht ausreichend, um einen solchen Willen anzunehmen. Grund hierfür sei, dass weder ausgeschlossen werden könne, dass A die Dateien erst nach Rückgabe entdeckt, aufgerufen und dann sofort gelöscht hätte noch, dass er den Cache geleert hätte, ohne seinen Inhalt zur Kenntnis zu nehmen. Die Eröffnung des Verfahrens sei daher aus tatsächlichen Gründen nach § 204 Abs. 1 StGB abzulehnen. 

Praxishinweis

Für den Auffangtatbestand des bloßen Besitzes nach § 184b Abs. 3 Var. 3 StGB bedarf es im subjektiven Tatbestand neben zumindest bedingten Vorsatz zu den Tatbestandsmerkmalen eines Besitzwillens zur tatsächlichen Sachherrschaft (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 5 unter Hinweis auf den Besitztatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG). Der Besitzwille muss folglich auch i.R.d. § 184b Abs. 3 Var. 3 StGB darauf gerichtete sein, für sich selbst die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Inhalte zu erhalten (vgl. Oglakcioglu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG, Rn. 1091). Befinden sich inkriminierte Dateien, wie vorliegend, ausschließlich in dem sog. Browser-Cache, in dem durch das Betrachten von Internetseiten automatischen Kopien des angeschauten Bildmaterials abgelegt werden, ist es für eine Strafbarkeit erforderlich, dass der Internetbenutzer weiß, dass hier eine Speicherung erfolgt (ist). Da A angab, das Mobiltelefon gebraucht gekauft zu haben, konnte vorliegend nicht lediglich aufgrund der sich in dem Browser-Cache befindlichen inkriminierten Dateien ein entsprechender Wille unterstellt werden. Ohne Wissen von den Dateien im Browser-Cache kann von vornherein kein hierauf gerichteter Besitzwille bestehen (vgl. OLG Hamburg NJW 2010, 1893). Zu beachten ist jedoch, dass bei jemanden, der wiederholt und systematisch Kinderpornografie sammelt, entsprechende technische Kenntnisse zu vermuten sind, welche auch die Browser-Cache-Funktionen einschließen, womit auf den Besitzwillen geschlossen werden kann (vgl. Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184b Rn. 48). Ist jemand dagegen jedoch auf unvorsätzliche Weise in den Besitz kinderpornografischer Inhalte gelangt, setzt die Strafbarkeit erst ein, sobald der Besitzer erkennt oder es unter billigender Inkaufnahme für möglich hält, dass er kinderpornografische Dateien besitzt und den Besitz aufrechterhält (vgl. Laue, in: NK-GesStrafR, § 184 Rn. 5a).

AG Pforzheim, Beschluss vom 27.03.2023 - 2 Ls 31 Js 24/22, BeckRS 2023, 12461