Urteilsanalyse
Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Zustimmung zu einem Balkonkraftwerk
Urteilsanalyse
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Die Wohnungseigentümer haben nach einem Urteil des AG Konstanz keinen Anspruch auf die Genehmigung des Balkonkraftwerkes. Insbesondere kann ein solcher auch nicht aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG hergeleitet werden, so dass über die privilegierten Wall-Boxen hinaus keine Photovoltaikanlage außen am Balkon angebracht werden darf. 

17. Mrz 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 05/2023 vom 16.03.2023

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Sachverhalt

Die Klägerinnen sind gemeinsam Eigentümerinnen der Eigentumswohnung Nr. 9 der verklagten WEG. Die Anlage besteht aus über 30 Wohnungen. Die Klägerinnen haben die Wohnung an ihren Sohn bzw. Enkel vermietet. Dieser hat mit ihrer Zustimmung, jedoch ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer, an der Außenseite des Balkons eine Mini-Solaranlage, ein sog. „Balkonkraftwerk“ angebracht. Das Modul hat eine Fläche von 168 cm x 100 cm und ist an einen Wechselrichter angeschlossen. Bei der Eigentümerversammlung vom 04.10.2022 wurde unter TOP 2 mehrheitlich beschlossen: „Der Verwalter wird ermächtigt und beauftragt, alle rechtlichen Mittel gegen die rechtswidrigen baulichen Veränderungen (Aufhängen von Sonnenkollektoren an Balkonbrüstungen) durch die Eigentümer X und Y/Z zu ergreifen.“ Unter TOP 3 der genannten WEG-Versammlung wurde mehrheitlich gegen die Genehmigung des Balkonkraftwerkes der Klägerinnen gestimmt.

Die Klägerinnen begehren nunmehr die Ungültigerklärung der unter TOP 2 und TOP 3 gefassten Beschlüsse auf der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 04.10.2022.

Entscheidung

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der angefochtene Negativbeschluss zu TOP 3 verstoße weder gegen die ordnungsmäßige Verwaltung (§§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 2 WEG) noch sonst gegen Gesetze. Die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf Genehmigung des Balkonkraftwerkes. § 20 Abs. 1 WEG enthalte eine sogenannte Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stelle die Montage einer Photovoltaikanlage dar. Ein Eingriff in die Substanz sei hierzu nicht erforderlich. Die Anlage sei daher illegal angebracht worden.

Es bestehe auch keine Ermessensreduzierung auf Null, d. h., die Zustimmung zu der Anlage sei nicht die einzig vertretbare Möglichkeit: Bei der nachfolgenden Prüfung komme es nicht auf den Maßstab von § 20 Abs. 4 WEG an, d. h. es bleibe irrelevant, dass die Wohnanlage (nicht) grundlegend umgestaltet werde oder einzelne Wohnungseigentümer gegenüber anderen (nicht) unbillig benachteiligt werden. § 20 Abs. 4 WEG solle nicht dem veränderungswilligen Eigentümer unterstützen, sondern stelle im Gegenteil eine Veränderungssperre dar, wann eine bauliche Umgestaltung keinesfalls erfolgen dürfe.

Auch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG könne nicht hergeleitet werden, dass über die privilegierten Wall-Boxen hinaus eine Photovoltaikanlage außen am Balkon angebracht werden dürfe. Laut der Gesetzesbegründung solle alles bezogen auf das Aufladen eines Fahrzeuges ermöglicht werden. Bedenke man, dass ein solches Photovoltaikmodul einen mindest ebenso großen Eingriff darstelle, dann wäre dies gesondert ausgeführt worden. Eine solche Solaranlage sei daher nicht ein Annex zur privilegierten E-Mobilität. Auch könne keine analoge Anwendung erfolgen. Eine planwidrige Gesetzeslücke sei nicht erkennbar. Für den Gesetzgeber wäre es möglich gewesen, in § 20 WEG einen eigenen Absatz „Klimaschutz“ als allgemein privilegiert aufzunehmen oder den § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG um konkrete weitere Vorhaben ergänzen können, die der Bekämpfung des Klimawandels dienen.

Auch der Verweis auf das Grundgesetz verfange nicht. Ein grundrechtlicher Anspruch auf eine bauliche Veränderung wie er nach altem Recht bejaht wurde, sei nicht ersichtlich. Die Modernisierungsregelung für Mietwohnungen des § 555b BGB sei schon deshalb nicht anwendbar, weil es der Mieter selbst und nicht die Vermieterinnen gewesen seien, der das Balkonkraftwerk (mit Zustimmung der Vermieterinnen) habe installieren lassen. Nun eine Analogie aus dieser Vorschrift für das Wohnungseigentum herzuleiten, scheitere auch daran, dass die entsprechende Öffnungsvorschrift nach § 22 Abs. 2 WEG a.F. nach der Gesetzesreform nicht mehr existiere. Auch hier bestehe keine Regelungslücke. Es sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die komplizierte alte Regelung des § 22 WEG mit seinen verschiedenen Mehrheiten und Abgrenzungsschwierigkeiten zu vereinfachen. Schließlich sei bei der Anwendung von § 555b Nr. 1 BGB problematisch, dass die Endenergie entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht konkret für die betroffene Wohnung eingespart werde, da hier der Strom in das Stromnetz des Hauses eingespeist werde.

Schließlich könne auch aus § 20 Abs. 3 WEG keine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Genehmigung eines Balkonkraftwerkes hergeleitet werden. Hier gelte die alte Rechtsprechung zu §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG a.F. unverändert fort. Hiernach sei ein Nachteil jede konkrete, objektiv nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung, von der sich ein Eigentümer beeinträchtig fühlen dürfe und abzugrenzen von rein subjektiven Befindlichkeiten und belanglosen oder neutralen Veränderungen. Eine der Hauptgruppen, die von der Rechtsprechung entwickelt worden sei, sei hierbei die Änderung des optischen Eindrucks. Inzwischen habe sich die Rechtsprechung dahingehend verfestigt, dass Änderungen am optischen oder ästhetischen Eindruck dann nachteilig seien, wenn sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung durch einen Vergleich Vorher - Nachher verständlicherweise beeinträchtigt fühlen könne. Abzustellen sei auf eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung, nicht auf eine optische Veränderung des Gesamteindrucks. Nicht unerheblich sei eine Beeinträchtigung jedoch schon dann, wenn sie beim Blick dorthin, wo sie vorgenommen wurde, nachvollziehbar optisch störe. Voraussetzung sei stets, dass die Änderung generell von außen sichtbar sei. Auch sei die Schwelle für die Annahme einer Beeinträchtigung eher niedrig anzusetzen. Eine deutlich sichtbare Änderung der Optik sei daher stets nachteilig, unabhängig von der Verkehrsanschauung, dem Zeitgeschmack und insbesondere der Mehrheitsmeinung der Wohnungseigentümer. Nach diesem Maßstab sei das hier streitgegenständliche schwarzen Paneel als Nachteil einzustufen. Seine Wahrnehmbarkeit sei erheblich. Dies ergebe die Beweisaufnahme durch in Augenscheinnahme. Das Modul sei für die Balkonnachbarn ein erheblich wahrnehmbares optisches Element.

Praxishinweis

Mit überzeugenden Argumenten lehnt das AG Konstanz den Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf die Genehmigung des Balkonkraftwerkes im konkreten Fall ab und leitet diesen als eine privilegierte zustimmungsfreie bauliche Änderung insbesondere auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG her (so aber Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Auflage 2021, § 20 WEG Rn.  103 ff.). Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor, der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG kann nicht durch eine Analogie erweitert werden. Vielmehr ist § 20 Abs. 2 WEG abschließend formuliert (BT-Drucks. 19/18791, 63-64, BR-Drucks. 168/20, 69-70). Zu prüfen ist demnach bei der Frage, ob ein Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft einen Anspruch auf Beschlussfassung zur Anbringung einer Photovoltaikanlage auf dem Balkon hat, ob die Anbringung zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung führt, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht, was sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls bestimmt.

AG Konstanz, Urteil vom 09.02.2023 - 4 C 425/22 WEG, BeckRS 2023, 1459