Urteilsanalyse
Kein Anspruch der Mieter auf Zustimmung eines Mieterwechsels bei einer WG
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Einem Vermieter ist es laut LG Berlin auch dann nicht zuzumuten, der Auswechslung einzelner Mieter zustimmen zu müssen, wenn er bei Vertragsschluss wusste, dass die Mieter eine Wohngemeinschaft betreiben wollen und deshalb ein Interesse haben, bei Auszug einzelner Mieter neue Wohngemeinschafts-Mitglieder in die Wohnung aufzunehmen. Wenn der Mietvertrag keine Regelungen für die Auswechslung einzelner Wohngemeinschafts-Mitglieder vorsieht, sind die Mieter vielmehr auf das Recht zur anteiligen Untervermietung der Wohnung nach § 553 BGB beschränkt.

19. Apr 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 08/2022 vom 14.04.2022

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Sachverhalt

Die Kläger sind Mieter einer Siebenzimmerwohnung mit rund 241m² Wohnfläche in Berlin, die Beklagte ist die Vermieterin. Die Mieter unterhalten in der Wohnung eine Wohngemeinschaft. Vier der sieben Mieter wohnen inzwischen nicht mehr selbst in der Wohnung, sondern haben ihre Zimmer untervermietet. Die Kläger wollen, dass die aus der Wohnung ausgezogenen Hauptmieter aus dem Mietverhältnis ausscheiden und die Untermieter an ihrer Stelle in das Mietverhältnis eintreten; sie nehmen die Beklagte auf Zustimmung zu einer entsprechenden Änderung des Mietvertrages in Anspruch.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg.

Die Kläger hätten keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte im Rahmen des laufenden Mietverhältnisses der Auswechslung von vier Mietern zustimmt.

Einem Vermieter sei es aus Gründen der Vertragsautonomie auch dann nicht zuzumuten, Mieterwechseln zustimmen zu müssen, wenn er bei Vertragsschluss gewusst habe, dass die Mieter eine WG betreiben wollen und deshalb ein Interesse haben, bei Auszug einzelner Mieter neue WG-Mitglieder in die Wohnung aufzunehmen. Ein solcher Anspruch der eine Wohnung zum Betrieb einer WG mietenden Mieter könne darauf hinauslaufen, dass der Vermieter die Wohnung ein für alle Male als WG-Wohnung gewidmet hätte und endgültig an den Mietvertrag gebunden bliebe; denn die jeweiligen WG-Mitglieder könnten den Mietvertrag an immer neue Generationen von WG-Bewohnern übertragen, ohne dass der Vermieter den Vertrag irgendwann kündigen oder davon ausgehen könnte, dass das Mietverhältnis jemals - etwa durch Auszug oder Tod der Mieter - enden werde. Die ernsthafte Möglichkeit eines solchen Vertragsverlaufs mache gerade der vorliegende Fall plastisch; denn fünf der sechs ursprünglichen Mieter, die die Wohnung im August 2013 angemietet hatten, seien bereits durch die erste Nachtragsvereinbarung im Jahre 2017 bei gleichzeitiger Aufnahme eines siebten Mieters gegen andere Mieter ausgetauscht worden, und nun solle auch noch der Kläger zu 7. als letzter der ursprünglichen Mieter durch ein neues WG-Mitglied ersetzt werden.

Dem gegenüber könnten die Interessen der Mitglieder einer WG durch die „Untervermietungslösung“ regelmäßig hinreichend gewahrt werden; sie seien, um die WG bei Auszug eines ursprünglichen Mitmieters aus der Wohnung mit einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin fortzuführen, nicht zwingend auf eine entsprechende Änderung des Hauptmietvertrages angewiesen. Vielmehr könnten sie dieses Ziel durch die anteilige Untervermietung der Wohnung an das neue WG-Mitglied erreichen. Dass sie dafür einen gewissen WG-internen Aufwand betreiben müssen - insbesondere sei der Kontakt zu dem scheidenden WG-Mitglied aufrecht zu erhalten, das im Außenverhältnis gegenüber dem Vermieter weiterhin aus dem Mietvertrag berechtigt und verpflichtet bleibe - erscheine zumutbar, zumal sich Vermieter mit steigender Anzahl der Untermieter wegen des auch für sie damit verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwands vermutlich in der Praxis häufig freiwillig bereitfinden würden, die geänderte Zusammensetzung der WG letztlich doch noch durch eine entsprechende Änderung des Hauptmietvertrages nachzuvollziehen. Erkläre sich der Vermieter mit solchen Vertragsänderungen nicht einverstanden, könne zwar das letzte in der Wohnung verbliebene ursprüngliche WG-Mitglied gegen den Willen des Vermieters nicht mehr nach Maßgabe des § 553 BGB durch einen Untermieter ersetzt werden, weil darin eine vollständige Gebrauchsüberlassung der Wohnung an Dritte läge. Der den ursprünglichen Mietern dann nach § 540 Abs. 1 Satz 2 BGB womöglich nur noch verbleibende Weg der außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses werde den zu Vertragsbeginn absehbaren gegenseitigen Interessen der Mietvertragsparteien aber eher gerecht als die oben skizzierte „unendliche“ Vertragsfortführung mit immer neuen WG-Mitgliedern.

Praxishinweis

Der Argumentation des LG Berlin ist nicht zu folgen.

Der Vermieterin war bei Abschluss des Mietvertrages bewusst, dass die 7-Zimmer-Wohnung an 7 junge, miteinander nicht verwandte Männer vermietet und als WG genutzt werden wird. Für sie war es damit auch erkennbar vertragsimmanent, dass offensichtlich keine auf Dauer angelegte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mit vielen Personen beabsichtigen war, sondern kurzfristige Veränderungen der Lebenssituation der jeweiligen Mitmieter jederzeit auftreten können. Die WG war somit offenkundig von vornherein auf Fluktuation angelegt. Nach hM steht daher den Mietern in diesen Fällen ein Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsanpassung zu (Heinig in BeckOGK 01.05.2021 , § 414 BGB Rn. 58; Häublein in Münchner Kommentar, 8. Auflage 2020, § 535 BGB Rn 61; LG München I, Urteil vom 24.06.1981 – 31 S 694/81, WuM 1982,189; LG Karlsruhe, Urteil vom 10.05.1991 – 9 S 588/90, WuM 1992, 45; LG Berlin, Urteil vom 23.03.2016 – 65 S 314/15, WuM 2016, 553; LG Göttingen, Urteil vom 11.11.1992 – 5 S 123/92, NJW-RR 1993, 783; Flatow in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, § 540 BGB, Rn 19, noch aA 14. Auflage, aaO). Um den Belangen des Vermieters Rechnung zu tragen, wird teilweise - und richtigerweise – vertreten, dass der Nachfolger dem Vermieter zumutbar sein muss und er entsprechend § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB der Aufnahme bestimmter Mieter widersprechen kann (Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap II Rn. 592).

Die vom LG Berlin vorgeschlagene Lösung über eine „Untervermietung“ hätte zur Folge, dass die Mieter ggf. über Jahrzehnte in einer dann gänzlich anderen Lebenssituation noch an einen alten „WG-Vertrag? gebunden wären. Das widerspricht der erkennbaren Interessenlage der Parteien. Verweigert der Vermieter auch dann eine Vertragsanpassung, bliebe – wie das LG Berlin selbst feststellt – nur die Kündigung des Mietvertrages. Hierzu müssten aber alle Mieter gemeinsam kündigen (vgl. §§ 714, 709, 744 BGB), was bei einem Kontaktverlust zu den ursprünglichen Mitmietern zu zusätzlichen Schwierigkeiten führt. Auch wird ein ausgezogener Mieter nicht mehr uU jahrzehntelang aus dem Mietvertrag haften wollen, insbesondere, weil bei einer reinen Innen-GbR die Haftungsbeschränkung des § 736 Abs. 2 BGB iVm § 160 HGB nicht gilt (Jacobs NZM 2008, 111, 115).

Auch das Argument einer etwaigen Widmung der Wohnung als WG greift nicht durch. Unabhängig davon, wie die Wohnung verwendet wird, kann der Vermieter ohnehin nur eingeschränkt nach den gesetzlichen Vorgaben des § 573 BGB ordentlich kündigen. Weder diese Gründe noch die Gründe für eine außerordentliche Kündigung gem. § 543 BGB sind von der Widmung betroffen.

Der Vermieter kann zudem das Recht zum Mieterwechsel vertraglich ausschließen, wenn er die für ihn möglicherweise ungünstige Rechtsfolge des Austritts der ursprünglichen und des Eintritts neuer Vertragspartner vermeiden will. Das ist auch durch AGB möglich, weil es die ersten Mieter nicht unangemessen belastet und dem gesetzlichen Leitbild des Mietvertrags auch nicht widerspricht (Flatow, aaO). Das LG Berlin hat die Revision zugelassen.

LG Berlin, Urteil vom 18.08.2021 - 64 S 261/20 (AG Berlin-Charlottenburg), BeckRS 2021, 28947