NJW: Frau Dr. Tutschka, woran erkenne ich einen guten Coach bzw. was macht den aus?
Tutschka: Es sind im Wesentlichen dieselben Faktoren wie bei einem Fachanwalt: eine solide Coachingausbildung mit mindestens 120 Präsenz-Stunden und Coachingpraxis. Der Markt wird von den Berufsverbänden für Coaches geregelt, noch nicht vom Gesetzgeber. Die für Deutschland relevanten sind der Deutsche Bundesverband Coaching e.V. (DBVC) für Executive Coaching, das European Mentoring & Coaching Council (EMCC) und die Internationale Coaching Federation (ICF) mit einem starken deutschen Chapter. Diese hat seit Jahrzehnten international einheitliche Ethikrichtlinien und Qualitätsstandards für Coaching etabliert, die sogenannten Kernkompetenzen, nach denen jedes Coaching gemessen wird. Berufsträger, also Coaches, können sich von einem unabhängigen Gremium nach diesen Standards zertifizieren lassen, wenn sie in einer Coachingausbildung diese Kernkompetenzen vermittelt bekommen haben und die entsprechende Praxis vorweisen können, eben ähnlich wie beim Fachanwalt. Wenn man also einen zertifizierten Coach bucht, kann man sicher sein, dass dieser gut ausgebildet ist, sich an Ethik und Standards hält und Praxiserfahrung hat. Aus denselben Gründen würde man einen Fachanwalt aufsuchen. Qualität ist übrigens nicht zwingend am Preis erkennbar.
NJW: Sie sind ein nach internationalen Qualitätsstandards professionell ausgebildeter und zertifizierter Legal Coach. Was heißt das konkret? Wie haben Sie sich dafür qualifiziert?
Tutschka: Ich habe im Jahr 2011 meine Coachingausbildung nach ICF-Standards in den USA, dem Mutterland des Coaching, absolviert, als ich fast fünf Jahre in Detroit gelebt und dort Coaching, aber auch Juristen, die coachen, kennengelernt habe. Mittlerweile bin ich Master Certified Coach mit über 2.500 Coachingstunden und Director of Training bei der CLP-Academy. Dort leite ich die nach ICF akkreditierte Legal-Coaching-Ausbildung, die sich ausschließlich an Juristinnen und Juristen für den Einsatz im juristischen Mandat richtet. Sie unterstützt aber natürlich wie jede gute Coachingausbildung auch Führungsverantwortung, Kommunikations- und Verhandlungsskills sowie persönliche Weiterentwicklung. Als zertifizierter Coach ist man übrigens zur Weiterbildung verpflichtet, wie wir es auch vom Fachanwalt kennen.
NJW: Ist das im Bereich Legal Coaching Standard?
Tutschka: Im B2B-Bereich ja, so zumindest meine langjährige Erfahrung. Die international einheitlichen Zertifizierungen und Akkreditierungen leisten einen sehr wichtigen Beitrag in der Qualitätskontrolle für „HR und Learning“, die große finanzielle und zeitliche Ressourcen in Coaching investieren. Aber auch Großanbieter arbeiten damit, egal ob im reinen Executive-Bereich oder über alle Karriere-Level hinweg. Auf Vermittlungs- und Buchungsplattformen für Coaches findet man es allerdings seltener oder zumindest subtiler: Hier sind die Zertifizierungen der Berater entweder beim Onboarding ein „Must Have“, um sich listen zu lassen, oder die Suchmaschine ist darauf programmiert, den Suchenden zertifizierte Coaches vorgereiht anzuzeigen.
NJW: Was können Sie uns darüber hinaus zu den Qualitätsstandards im Bereich Legal Coaching sagen?
Tutschka: Hier ist zunächst zu unterscheiden: Legal Coaching wird ausschließlich durch Juristen in der juristischen Beratung ausgeübt, so wie etwa Medical Coaching von Medizinern ausgeübt wird. Das Coachen von Juristen hingegen kann auch von Nichtjuristen ausgeübt werden und richtet sich nach den allgemeinen Qualitätskriterien für Coaching, die ich eingangs erwähnt habe. Das wohl wichtigste Qualitätsmerkmal bei Legal Coaching ist der klare und einvernehmliche Rollenwechsel: raus aus der Beraterrolle („Ich erkläre Dir Dein Leben“), hinein in das Mindset eines Legal Coaches („Du bist der Experte Deines Lebens“).
NJW: Ist Legal Coaching im Vergleich zu anderen Sparten (etwas) weniger von unseriösen Anbietern betroffen, weil der Kunde aufgrund eigener Expertise/Ausbildung diese schneller entlarven kann?
Tutschka: Nein, leider nicht: Juristinnen und Juristen mit Coachingbedarf sind manchmal genauso naiv wie jeder andere Verbraucher. Und werden dann aber genauso geschützt. Oft habe ich daher auch Juristen in meiner Legal-Coaching-Ausbildung sitzen, die schon irgendeine Coachingausbildung absolviert, aber Coaching schlicht nicht gelernt haben. In den mehr als 70 Interviews auf der CLP-Academy-Homepage berichten einige Juristen und Legal Coaches genau davon. Was man aber sicher sagen kann: Juristen kommunizieren berufsbedingt auf sehr hohem Niveau. Da funktionieren bestimmte leichtere Coachingmethoden und Gesprächschoreografien schlicht nicht. Das hat dem Berufsstand den Ruf eingebracht, nicht coachbar zu sein. Das ist aber die Perspektive derjenigen, die für Juristen ungeeignet und branchenfremd sind. Meine Erfahrung ist, dass Juristinnen und Juristen sehr gut coachbar sind – und auch auf hohem Niveau selber coachen können, wenn sie es richtig gelernt haben.
NJW: Ihre Kanzlei ist unter anderem auf Coachingverträge und -ausbildungsverträge spezialisiert. Was sind denn die gängigen rechtlichen Probleme, die Ihnen dabei bislang begegnet sind?
Tutschka: Aus dem Nähkästchen plaudere ich gerne mal bei einem Kamingespräch. Nur so viel: Coaches sind ein buntes Völkchen, und die bringen eben auch farbenprächtige Mandate in die Kanzlei.
NJW: Trotzdem würden wir gerne wissen, welche Rolle hier überzogene Erwartungen der Kunden spielen und wie die sich einhegen lassen?
Tutschka: Professionelles Coaching erfordert zu Beginn eine klare Vereinbarung: Das ist mehr als der rechtliche Coachingvertrag und beinhaltet neben dem konkreten Matching auch, dass der Coachee klar die Verantwortung für den Coachingerfolg behält.
NJW: Wie können Anwälte und ihre Mandanten von Legal Coaching profitieren?
Tutschka: Wenn Legal Coaching im Mandat eingesetzt wird, ist das eine Win-Win-Situation für alle: Coaching wird ja in der Regel genutzt, um eine Entscheidung, eine Entwicklung oder die (Neu-)Definition einer Lebensperspektive zu begleiten. Für das juristische Mandat bedeutet das, dass wir als Juristen auch dann noch gefragt sind, wenn das Mandat erstmal rechtlich ausberaten ist. Wir können dann eine anstehende Entscheidung zwischen verschiedenen rechtlichen Optionen begleiten. Der Anwalt bleibt auch als Legal Coach bei der Partei (anders als der allparteiliche Mediator) und kann dann auch das Mandat wieder rechtlich weiterführen, etwa in der Umsetzung der Entscheidung. Gleiches gilt für die Begleitung durch eine Krise hindurch wie beispielsweise bei einer Familientrennung oder bei der Erarbeitung eines neuen Lebensentwurfs in arbeits- oder insolvenzrechtlichen Mandaten.
NJW: Umso wichtiger, dass Coaches und ihre Kunden vor unseriösen Anbietern geschützt werden. Wie kann das gelingen?
Tutschka: Ich denke, dass wir tatsächlich Kundinnen und Kunden unterschätzen, wenn wir sie schützen wollen. Selbstverantwortung hat allerdings auch mit Selbstbefähigung zu tun. Und da kommt die Aufklärung über Qualitätsstandards und Ethik ins Spiel, die eben an der Zertifizierung des Coaches und seiner Ausbildung deutlich erkennbar sind. Diese „Markt Education“ hat sicher noch Potenzial. Dafür engagiere ich mich, auch und vor allem als Juristin.
Dr. Geertje Tutschka, MCC, machte nach ihrer juristischen Ausbildung Karriere in Kanzleien und Unternehmensrechtsabteilungen in Deutschland, Österreich und den USA. Dort absolvierte sie auch ihre Coachingausbildung. 2012 gründete sie ihr Unternehmen CLP-Consulting for Legal Professionals (2012), 2016 die CLP Academy. Im gleichen Jahr übernahm sie bis 2021 als Präsidentin die Leitung des deutschen Chapters des weltweit größten Berufsverbands für professionelle Coaches (ICF). Sie berät in ihren Kanzleien in Salzburg und München zu Coachingrecht und engagiert sich ehrenamtlich unter anderem als Präsidentin im DAV Auslandsverein Österreich, im DJB sowie für die Women in Law Österreich.
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