NJW-Editorial
Janusköpfige Testamente
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Das Berliner Testament liegt im Trend, fast zwei Drittel aller Ehepaare entscheiden sich laut einer Studie für diese Form der Nachlassregelung. Des Erbrechts Freud ist jedoch des Erbschaftsteuerrechts Leid, wie der BFH unlängst gezeigt hat. Beides sollte daher in die Gestaltungsüberlegungen einbezogen werden.

28. Mrz 2024

Das Berliner Testament liegt bei deutschen Eheleuten im Trend. Dies bestätigt eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2018. Danach entscheiden sich fast zwei Drittel aller Ehepaare für eine solche Form ihrer Nachlassregelung. Bereits im Berlin des 19. Jahrhunderts unter Geltung des Allgemeinen Preußischen Landrechts angewandt, setzte sich mit Einführung des BGB zum1.1.​1900 die bis heute praktizierte sogenannte Einheitslösung durch: Beim Tod des Erstverstorbenen verschmilzt beim Überlebenden das schon immer vorhandene Eigenvermögen mit dem Nachlass des Erstverstorbenen zu einer Einheit. Die gemeinsamen Kinder als Schlusserben erhalten dann, was nach dem Tod des Zweitversterbenden noch übrig ist.

Festgemacht wird diese Regelwirkung an § 2269 BGB. Ziel und Zweck des Berliner Testaments ist es, den überlebenden Ehegatten mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Deshalb soll verhindert werden, dass die beim ersten Erbfall enterbten Abkömmlinge ihren Pflichtteil geltend machen. Bei größeren Sachvermögen müssten diese ansonsten zur Auszahlung der Kinder veräußert werden. Deshalb bedient man sich in der erbrechtlichen Gestaltung sogenannter Pflichtteilsstrafregelungen wie der „Jastrowschen Klausel“. Nach ihr erhalten die „bösen“ Kinder auch beim Tod des länger lebenden Ehegatten nur den Pflichtteil. Die „braven“ Abkömmlinge werden hingegen durch ein beim Tod des Erstverstorbenen entstandenes Vermächtnis belohnt, das beim Ableben des länger lebenden Ehegatten zur Auszahlung fällig wird.

Des Erbrechts Freud ist jedoch des Erbschaftsteuerrechts Leid, wie der BFH bezüglich einer solchen Testamentsgestaltung unlängst in einem Urteil (II R 34/20, NJW 2024, 918) aufgezeigt hat. Aufgrund der Enterbung der Kinder beim ersten Erbfall gehen wertvolle Steuerfreibeträge in Höhe von 400.000 Euro pro Kind verloren. Die „Jastrowsche Klausel“ bewirkt zudem, dass der Wert des Vermächtnisses zweimal der Erbschaftsbesteuerung unterliegt – einmal bei dem überlebenden Ehegatten als Vollerben, auf den der Nachlass des Verstorbenen mangels Auszahlung des Vermächtnisses ungeschmälert übergeht, und sodann ein weiteres Mal beim Kind als Vermächtnis­nehmer des dann fälligen Vermächtnisses. Verhindert wird diese ungünstige Erbschaftbesteuerung dadurch, dass den „braven“ Kindern schon beim ersten Erbfall ein Vermächtnis bis zur Höhe des Steuerfreibetrags ausgezahlt wird. Dies schmälert dann aber wiederum den Nachlass des überlebenden Ehegatten.

Die aktuelle BFH-Entscheidung verteufelt das Berliner Testament also keineswegs. Sie sensibilisiert aber dafür, dass Erbrecht und Steuerrecht in die Gestaltungsüber­legungen einbezogen werden sollten.

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Dr. Anette Kugelmüller-Pugh ist Mitglied des ua für Erbschaftsteuer zuständigen II. Senats des BFH.