Kolumne
Jagdrecht für Privatsee
Kolumne

Die sozialen Medien sind eine Wundertüte, in der man immer wieder köstliche Bonbons findet – auch wenn dort gleichzeitig viel Ungenießbares verbreitet wird. Sogar in der sogenannten Jurabubble, wo nicht nur gefachsimpelt, sondern auch fröhlich geflachst wird, findet man solche Zuckerstücke.

16. Apr 2021

Zum Beispiel einen von der Psychologin und Juristin Alica Mohnert initiierten Beitragsstrang auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dort fragte sie ihre Follower nach skurrilen Erlebnissen während juristischer Praktika oder im Referendariat. Diese ließen sich nicht lumpen und gaben herrliche Ausbildungsgeschichten zum Besten.

Die Professorin und Präsidentin des Juristinnenbundes Maria Wersig schrieb, dass ein Partner in der Großkanzlei von ihr geprüft haben wollte, ob bei Verlandung eines Privatsees sich das Fischereirecht in ein Jagdrecht umwandelt. Das ist auch deshalb eine wunderbare Anekdote, weil sie so schön das Klischee vom abgehobenen Wirtschaftsanwalt bestätigt. Wersig gab übrigens auf Nachfrage auch noch die Antwort ihrer Prüfung preis: „Tut es nicht.“

Hierzu passt das Ausbildungserlebnis des Augsburger Strafrechtsprofessors Michael Kubiciel: Er durfte „wegen richtiger Antwort“ den Porsche 911 seines Dozenten nach Hause fahren. Die einzige Anweisung dazu: „Schlüssel bitte in den Briefkasten werfen.“ Kubiciel tat ohne Umwege, wie ihm aufgetragen wurde – und war froh, als er das Auto nach zwei Kilometer langer Fahrt sicher vor dem Haus geparkt hatte. Andere hätten vermutlich eine ausgiebige Spritztour unternommen.

Viel Potenzial für Erlebnisse der besonderen Art bietet die Station bei der Staatsanwaltschaft. Viele erinnerten sich an Sitzungsvertretungen, ausgeartete Trinktests, schauerliche Obduktionen und aufregende Nachtfahrten mit der Polizei. Der Kölner Zivilrechtsprofessor Matthias Kilian hatte es bei Letzterer mit Beamten zu tun, die ihn offenbar für einen richtigen Staatsanwalt hielten. Jedenfalls baten sie ihn spät in der Nacht darum, eine Blutentnahme anzuordnen.

In der Zivilstation gehören vor allem außergewöhnliche Rechtsstreite zu den bleibenden Erinnerungen. Matthias Kilian steuerte neben seiner nächtlichen Ernennung zum Staatsanwalt noch eine ihm anvertraute Beweisaufnahme in einer Wettbewerbssache bei, in der auf Promi- Doppelgänger spezialisierte Künstleragenturen stritten und diverse Zeugen aufmarschieren ließen – unter anderem ein Franz Beckenbauer Double, das wegen seines Hamburger Idioms jedenfalls akustisch eine schlechte Kopie des Originals war. Helmut Aust, Professor an der FU Berlin, erinnerte sich an seine Zeit beim LG München, wo in Urheberrechtsstreitigkeiten um Lieder diese in der mündlichen Verhandlungen mehrfach abgespielt wurden. Ein Verfahren betraf das „Kufsteinlied“, was eine etwas traumatische Erfahrung gewesen sein muss. Der ebenfalls verhandelte Song „Mambo No. 5“ von Lou Bega war für Aust „leichter zu ertragen“. Die Leser des Threads bedankten sich bei ihm für die Ohrwürmer, die sie jetzt nicht mehr loswürden. •

Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a. M..