Interview

Die Di­gi­tal­macht von Elon Musk
Interview
© Fotostudio "studioline", Berlin-Charlottenburg

Der Tech-Un­ter­neh­mer Elon Musk po­la­ri­siert. Man­che wol­len auch hier­zu­lan­de „mehr Musk wagen“, an­de­re sehen in ihm eine Ge­fahr für die De­mo­kra­tie, auch in Deutsch­land. Tat­säch­lich kon­zen­triert sich hier bei einer Per­son eine im­mense Markt­macht auch in sen­si­blen Be­rei­chen. Das wirft re­gu­la­to­ri­sche Fra­gen auf, die wir Prof. Dr. Mar­cus Schla­de­bach, der so­wohl im Me­di­en- als auch im Welt­raum­recht forscht, ge­stellt haben.

15. Jan 2025

NJW: An­ge­la Mer­kel hat kürz­lich in einem In­ter­view ge­sagt, ihr be­rei­te es Sorge, dass Elon Musk einen Gro­ß­teil der Sa­tel­li­ten kon­trol­lie­re. Über wel­che Grö­ßen­ord­nung reden wir da?

Schla­de­bach: Der­zeit um­fasst die Sa­tel­li­ten-Me­ga­kon­stel­la­ti­on „Star­link“ knapp 7.000 hin­ter­ein­an­der ge­reih­te Sa­tel­li­ten auf einer un­te­ren Erd­um­lauf­bahn von ca. 500 km Höhe. Ins­ge­samt soll diese Kon­stel­la­ti­on am Ende ca. 40.000 Sa­tel­li­ten be­sit­zen.

NJW: Wie konn­te es dazu kom­men, dass eine Per­son in die­sem sen­si­blen Be­reich über so viel „Markt­macht“ ver­fügt?

Schla­de­bach: Elon Musk will In­ter­net­dienst­leis­tun­gen für die ganze Welt an­bie­ten. Die Raum­fahrt ist für ihn eher ein Hilfs­mit­tel zur „Mö­blie­rung des Welt­raums“, ins­be­son­de­re zum Auf­bau einer bes­se­ren In­ter­net-In­fra­struk­tur. Die­ses Ziel ver­folgt er kon­ti­nu­ier­lich. In sei­ner Per­son ver­ei­nen sich glei­cher­ma­ßen Ge­schäfts­mann und Welt­raum-Vi­sio­när. Ohne seine Ideen und im­mensen In­ves­ti­tio­nen wäre die Raum­fahrt nicht auf dem heu­ti­gen Stand. Hier­von pro­fi­tie­ren viele Staa­ten, indem sie die Trans­port­ka­pa­zi­tä­ten der SpaceX-Ra­ke­ten nut­zen kön­nen.

NJW: Gibt es für den Be­trieb von Sa­tel­li­ten­sys­te­men nicht spe­zi­el­le Re­geln, die so viel pri­va­ten Ein­fluss ver­hin­dern?

Schla­de­bach: Re­geln gibt es nur für die erst­ma­li­ge Po­si­tio­nie­rung von Sa­tel­li­ten auf Erd­um­lauf­bah­nen. Da die Nut­zung des Welt­raums auch für Pri­vat­un­ter­neh­men nach Art. I des Welt­raum­ver­trags grund­sätz­lich frei ist, kön­nen Un­ter­neh­men über die zu­stän­di­gen na­tio­na­len Be­hör­den (in Deutsch­land die BNetzA) bei der In­ter­na­tio­nal Te­l­ecom­mu­ni­ca­ti­on Union (ITU) in Genf Fre­quenz­po­si­tio­nen be­an­tra­gen, denen dann kon­kre­te Sa­tel­li­ten­po­si­tio­nen im Welt­raum ent­spre­chen. Die Po­si­ti­on des Sa­tel­li­ten folgt der zu­ge­teil­ten Fre­quenz. Das auf­fal­lend an­spruchs­lo­se Ver­ga­be­ver­fah­ren ba­siert le­dig­lich auf dem Grund­satz des „First come, first ser­ved“ und wird von der US-ame­ri­ka­ni­schen Fe­de­ral Com­mu­ni­ca­ti­ons Com­mis­si­on (FCC) im Sinne der An­trä­ge von Musk kräf­tig ge­nutzt. Um allen Staa­ten den Zu­gang zu allen Erd­um­lauf­bah­nen auch in der Zu­kunft offen zu hal­ten, muss für jeden ITU-Ver­trags­staat auf jeder Um­lauf­bahn zu­min­dest eine Po­si­ti­on (Fre­quenz) frei­ge­hal­ten wer­den. Das ist Folge des im Welt­raum­recht gel­ten­den Ge­mein­schafts­ge­dan­kens. Diese klei­ne­re quan­ti­ta­ti­ve Be­gren­zung ist je­doch die ein­zi­ge re­le­van­te Ein­schrän­kung bei der Sa­tel­li­ten­po­si­tio­nie­rung.

NJW: An­sons­ten er­folgt die Be­gren­zung von Markt­macht durch das Kar­tell­recht. Hier nicht?

Schla­de­bach: Der auch für die un­te­re Erd­um­lauf­bahn gel­ten­de Welt­raum­ver­trag von 1967 sieht kein Kar­tell­recht vor. Auch gel­ten in­so­weit die Re­ge­lun­gen des eu­ro­päi­schen (Art. 101 ff. AEUV, DMA) oder des na­tio­na­len Kar­tell­rechts nicht. Im Üb­ri­gen dürf­te oh­ne­hin frag­lich sein, wie ein sach­lich, räum­lich und zeit­lich re­le­van­ter Markt sowie eine markt­be­herr­schen­de Stel­lung auf Erd­um­lauf­bah­nen rechts­si­cher zu be­stim­men wären.

NJW: Könn­te Musk etwa Wett­be­wer­bern das In­ter­net ab­schal­ten?

Schla­de­bach: Da Elon Musk seine In­ter­net­dienst­leis­tun­gen über pri­vat­recht­li­che Ver­trä­ge an­bie­tet, steht es ihm unter Ein­hal­tung der ver­ein­bar­ten Kün­di­gungs­fris­ten je­der­zeit frei, die Ver­sor­gung mit In­ter­net zu be­en­den.

NJW: Wel­che Re­le­vanz hat Sa­tel­li­ten­tech­nik und damit auch deren Re­gu­lie­rung für die (Di­gi­tal-/Me­di­en-)Wirt­schaft?

Schla­de­bach: Lei­der wird diese hoch­wich­ti­ge Frage viel zu sel­ten ge­stellt: Weite Be­rei­che der di­gi­ta­len Welt auf der Erde lau­fen über Sa­tel­li­ten­tech­nik. Ob Na­vi­ga­ti­ons­diens­te im Auto, ob Goog­le-Maps, ob TV- und Rund­funk­über­tra­gun­gen. Die hier­für er­for­der­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sa­tel­li­ten sind tech­nisch hoch­ent­wi­ckel­te Welt­raum­ge­gen­stän­de, ope­rie­ren aber in einer voll­kom­men le­bens­feind­li­chen Um­welt und sind daher sehr vul­ne­ra­bel. Um sie funk­ti­ons­tüch­tig zu hal­ten, be­dür­fen sie auch recht­lich eines viel bes­se­ren Schut­zes. Das be­trifft zudem deren Le­bens­dau­er. Ver­lie­ren sie nach ei­ni­gen Jah­ren ihre Funk­ti­on, gel­ten sie als Welt­raum­schrott. Un­ge­ach­tet der Tat­sa­che, dass sich kaum ein Staat um des­sen Rück­ho­lung küm­mern möch­te, ist der Ver­bleib funk­ti­ons­lo­ser Sa­tel­li­ten im Welt­raum eine große Ge­fahr für die funk­tio­nie­ren­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­fra­struk­tur. Erst wenn Kol­li­sio­nen von Sa­tel­li­ten zu einem di­gi­ta­len Black­out auf der Erde füh­ren, wird sich die Mensch­heit die­ses Pro­blems be­wusst wer­den. Wer sta­bi­le di­gi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on über Sa­tel­li­ten will, muss recht­li­che Vor­keh­run­gen zu ihrem Schutz tref­fen.

NJW: Was sind die Grün­de dafür, dass der Welt­raum so um­fas­send pri­va­ti­siert wor­den ist?

Schla­de­bach: Der Welt­raum ist nach Art. I des Welt­raum­ver­trags ein ho­heits­frei­er Ge­mein­schafts­raum, ge­hört also allen Staa­ten die­ser Welt ge­mein­sam, quasi in ge­samt­hän­de­ri­scher Ver­bun­den­heit. Die Pri­va­ti­sie­rungs­ten­den­zen be­zie­hen sich al­lein auf die neuen Nut­zer. Das sind zu­neh­mend pri­va­te Raum­fahrt­un­ter­neh­men. Hat­ten frü­her nur staat­li­che Raum­fahrt­agen­tu­ren wie die NASA, Ro­skos­mos oder die ESA die per­so­nel­len und fi­nan­zi­el­len Ka­pa­zi­tä­ten für Raum­fahrt­ak­ti­vi­tä­ten, tre­ten heute immer mehr Pri­vat­un­ter­neh­mer hinzu und ko­ope­rie­ren mit den staat­li­chen Agen­tu­ren. Auf­grund gro­ßer fi­nan­zi­el­ler Mit­tel sind sie in der Lage, Raum­fahr­zeu­ge zu bauen, zu tes­ten und zu nut­zen. Die haupt­säch­li­chen Ak­teu­re sind Ri­chard Bran­sons Vir­gin Ga­lac­tic, Elon Musks SpaceX und Jeff Bezos’ Blue Ori­gin. Welt­raum­recht­lich sehr be­acht­lich ist, dass man be­reits Mitte der 1960 er Jahre an pri­va­te Un­ter­neh­men ge­dacht und sie in Art. VI des Welt­raum­ver­trags dem grund­sätz­lich für Staa­ten gel­ten­den Welt­raum­recht un­ter­stellt hat. Das muss als äu­ßerst vi­sio­när be­wer­tet wer­den.

NJW: Als Ei­gen­tü­mer der Platt­form X wet­ter­te Musk zu­letzt gegen den Di­gi­tal Ser­vices Act. Ist der DSA ge­eig­net, pri­va­te Macht der Diens­te­an­bie­ter wirk­sam zu be­gren­zen bzw. zu kon­trol­lie­ren?

Schla­de­bach: Musks ab­leh­nen­de Hal­tung ge­gen­über här­te­ren Re­ge­lun­gen in der EU ist im Hin­blick auf den hö­he­ren ver­fas­sungs­recht­li­chen Stel­len­wert der „Free­dom of speech“ in den USA durch­aus nach­voll­zieh­bar, aber im Er­geb­nis nicht be­rech­tigt. Wenn sich der DSA zu­tref­fend gegen pro­ble­ma­ti­sche Ten­den­zen der frei­en Rede wie Hate speech und Fake news wen­det, mag das als Ein­schrän­kung des kom­mu­ni­ka­ti­ven Spek­trums wahr­ge­nom­men wer­den, än­dert aber an der Exis­tenz der Mei­nungs­frei­heit nichts. Son­dern es trägt viel­mehr zu einem kul­ti­vier­ten Mei­nungs­aus­tausch in On­line-Me­di­en bei. Das müss­te auch im In­ter­es­se Elon Musks sein, der in der neuen Re­gie­rung Trump of­fen­bar auch staat­li­che Ver­ant­wor­tung er­hal­ten soll.

NJW: Neben dem DSA gibt es zahl­rei­che wei­te­re eu­ro­päi­sche und na­tio­na­le Re­gel­wer­ke, die die Platt­for­men re­gu­lie­ren sol­len. Für wie wir­kungs­voll hal­ten Sie diese?

Schla­de­bach: Im di­gi­ta­len Wirt­schafts­recht ist der EU-Ge­setz­ge­ber der­zeit be­son­ders aktiv, weil er den be­rech­tig­ten Ein­druck hatte, dass sich die Di­gi­tal­bran­che völ­lig un­ge­zü­gelt und für die Nut­zer ge­fähr­lich ent­wi­ckelt. Neben dem schon er­wähn­ten DSA wird man zu die­sen neuen Re­gel­wer­ken auch be­reits die DS-GVO und nun­mehr den Di­gi­tal Mar­kets Act, die KI-Ver­ord­nung und da­ten­recht­li­che Ver­ord­nun­gen wie den Data Act und Data Go­ver­nan­ce Act zu zäh­len haben. Sämt­li­che EU-Se­kun­där­rechts­ak­te sind nicht mehr als auf Um­set­zung an­ge­wie­se­ne Richt­li­ni­en, son­dern als un­mit­tel­bar gel­ten­de Ver­ord­nun­gen er­las­sen wor­den, was einen deut­li­chen Ge­sin­nungs­wan­del der EU an­zeigt: Ver­bind­lich­keit, Ver­ein­heit­li­chung, Klar­heit, Durch­setz­bar­keit sol­len im Di­gi­tal­be­reich ver­stärkt wer­den, was po­si­tiv zu be­wer­ten ist. Zu­sam­men mit neuen be­hörd­li­chen Struk­tu­ren wie dem Di­gi­tal Ser­vice Co­or­di­na­tor halte ich diese Rechts­ak­te für wir­kungs­voll. Ob sie in­halt­lich auch auf­ein­an­der exakt ab­ge­stimmt, also ko­hä­rent ge­stal­tet sind, muss sich noch zei­gen.

Prof. Dr. Mar­cus Schla­de­bach, LL.M., lei­tet die For­schungs­stel­le für Öf­fent­li­ches Recht, Me­di­en­recht sowie Luft- und Welt­raum­recht an der Uni­ver­si­tät Pots­dam. Zuvor war er als Re­fe­rent im bran­den­bur­gi­schen Lan­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um und im Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz und für Ver­brau­cher­schutz sowie nach der Ha­bi­li­ta­ti­on 2013 in Augs­burg als Lehr­stuhl­ver­tre­ter in Kiel, Göt­tin­gen, Düs­sel­dorf und Hagen tätig.

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Interview: Tobias Freudenberg.