NJW: Prominente sind fester Bestandteil der Werbung. Inwiefern kann dies sowohl für das werbende Unternehmen als auch das Testimonial rechtlich riskant sein?
Vohwinkel: Das allgemeine Irreführungsverbot macht auch für Testimonials keine Ausnahme. Werbung mit Prominenten und Experten kommt zudem manchmal als Schleichwerbung daher, somit ist darauf zu achten, dass der Werbecharakter klar hervortritt. Unzulässig wäre eine als „Reportage“ über einen Prominenten getarnte Werbung, bei welcher der Prominente etwa scheinbar spontan über seine Lieblingsprodukte plaudert. Bei klassischer Werbung hingegen weiß das Publikum, dass der Prominente gegen Bezahlung wirbt. Besonders relevant bei Prominenten bzw. Experten ist deren charakteristische Werbewirkung auf das Publikum: Diese Wirkung reicht von Aufmerksamkeit über Identifikation bis hin zu unterschiedlichen Graden von Vertrauen. Und Letzteres ist regelmäßig der rechtliche Knackpunkt. Wird das Vertrauen so stark, dass das Publikum das beworbene Produkt infolge der Empfehlung nicht mehr prüft, sondern „blind“ dem Testimonial folgt, kann das rechtliche Folgen für Unternehmen und Testimonial haben. Es drohen sowohl Werbeverbote als auch eine Haftung im Fall enttäuschter Kunden.
NJW: Sollte der mündige Verbraucher nicht in der Lage sein, einer Testimonial-Werbung standzuhalten bzw. sie kritisch zu hinterfragen?
Vohwinkel: Das wäre wünschenswert und im Normalfall wird das rechtlich auch so gesehen. Der Gesetzgeber geht seit Längerem vom Leitbild des aufgeklärten Verbrauchers aus. Diesem mündigen Verbraucher wird eine nicht zu niedrige Kompetenz zugesprochen. Diese rechtspolitische Entscheidung wurde stark beeinflusst durch Vorgaben des EU-Rechts. Wie Verbraucher aber tatsächlich auf Werbung mit Prominenten reagieren, dazu gehen die Ansichten der Marketingforscher weit auseinander – vom Bild des fast schon hypnotisierten und in Kaufrausch versetzten Verbrauchers bis hin zu dem Publikum, das ein Testimonial souverän auf dessen reinen Unterhaltungswert reduziert.
NJW: Was darf Werbung mit Prominenten oder Experten, ohne unlauter zu werden? Gibt es dazu Rechtsprechung?
Vohwinkel: Normalerweise sieht die Rechtsprechung in der bloßen Prominenz des Werbebotschafters keinen Vertrauensmissbrauch (zB OLG Hamburg NJW-RR 1994, 110). Allerdings ist die Verlockung für die Werbetreibenden oft groß, sich an die Grenzen des Zulässigen heranzutasten. Und dann ist es Aufgabe der Gerichte, im Einzelfall Überschreitungen zu untersagen. Deutlich strenger sieht es allerdings bei Experten oder gar Autoritätspersonen aus. So etwa im Fall von Ex-Minister Rupert Scholz, der für einen (später gescheiterten) Fonds geworben hatte und dafür in die persönliche Verantwortung genommen wurde. Rupert Scholz hatte nach den Feststellungen des BGH das durch seinen Werdegang und Beruf begründete Vertrauen in seine Integrität, Objektivität und Fachkompetenz in Anspruch genommen und es eingesetzt, um Einfluss auf die Investitionsentscheidung von potenziellen Anlageinteressenten zu nehmen (BGH NJW 2012, 758).
NJW: Viele erinnern sich noch an die berühmte „Zahnarztfrau“. Was hatte es mit der auf sich und warum ist sie eigentlich aus der Werbung verschwunden?
Vohwinkel: Anders als man meinen mag, wurde die Werbung durch die Zahnarztfrau damals nicht etwa verboten. Vielmehr war diese Werbung früher eine Notlösung, weil die Zahnärzte selbst nicht „im weißen Kittel“ werben durften. Dieses Verbot des deutschen Heilmittelwerberechts wurde vor über zehn Jahren durch EU-Vorgaben liberalisiert (soweit es nicht um Arzneimittel geht). Daher muss kein Arzt mehr Familienmitglieder für die Werbung vorschicken, sondern darf nun selbst vor die Kamera.
NJW: In welchen Bereichen gelten außerdem besondere Standards für Testimonial-Werbung?
Vohwinkel: Die wichtigsten Bereiche mit spezifischen, strengeren Regeln für Testimonial-Werbung wurden bereits angesprochen: Finanzprodukte und Arzneimittel.
NJW: Dann stellt sich die Frage, warum die Werbung für die T-Aktie seinerzeit dann keine rechtlichen Konsequenzen für Manfred Krug hatte.
Vohwinkel: Manfred Krug unterscheidet sich in einem zentralen Punkt von dem oben erwähnten Ex-Minister Scholz. Die Medien zitierten damals die Aussage der Vorsitzenden Richterin, die den Unterschied auf den Punkt brachte: „Herr Krug hat in der Werbung nie Sachverstand für sich beansprucht.“ Bei Rupert Scholz war jedoch dessen Expertise in den Vordergrund gerückt worden.
NJW: In den USA haben geschädigte Anleger Superstar Cristiano Ronaldo wegen irreführender Werbung auf Schadensersatz in Höhe von einer Milliarde US-Dollar verklagt. Wer geht denn bei ihm von einer besonderen Vertrauensstellung oder Expertise in Sachen Geldanlage aus?
Vohwinkel: Die Vorwürfe in den USA beziehen sich auf Betrug, Irreführung und die fehlende Offenlegung des Werbehonorars von Ronaldo. Ein darüber hinausgehender Vorwurf, Ronaldo habe für sich zudem besondere Finanzexpertise beansprucht, erschiene mir kaum überzeugend. Ich habe dazu jedenfalls in der Werbung keinen Anhalt finden können.
NJW: In Deutschland wäre eine derartige Klage, losgelöst von der Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes, aussichtslos, oder?
Vohwinkel: Für handfesten Betrug würde Ronaldo auch in Deutschland haften. Eine bloße Irreführung hätte hingegen bis vor kurzem dem einzelnen Verbraucher noch keine Möglichkeit eröffnet, seinen daraus resultierenden Schaden geltend zu machen. Genau das wurde Mitte 2022 mit § 9 II UWG ermöglicht. Irreführung wäre daher auch hier eine Haftungsgrundlage, insbesondere falls Ronaldo lauterkeitsrechtlich über die fehlende Registrierung der Kryptopapiere hätte aufklären müssen. Das verschwiegene Werbehonorar dürfte deutsche Gerichte wenig interessieren, da nach meiner Kenntnis nur klassische Werbung betrieben wurde. In den USA muss hingegen bei Prominentenwerbung für Kryptowährungen das Honorar offengelegt werden. Dagegen hatte schon Kim Kardashian verstoßen, die darauf eine Millionenstrafe zahlte.
NJW: Wäre es nicht besser, in Fällen, in denen den Verbrauchern die erforderliche Produkterfahrung fehlt, generell auf Werbung mit Prominenten oder sogenannten Experten zu verzichten?
Vohwinkel: Das wäre eine einschneidende rechtspolitische Entscheidung. Bei einem generellen Verbot auf breiter Front hätte ich Sorge, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet würde. Ein solch pauschaler generalpräventiver Ansatz dürfte erheblich mit dem Übermaßverbot in Konflikt geraten. Bei Arzneimitteln hingegen und ggf. ähnlich sensiblen, speziellen Produktbereichen erscheint es auch weiterhin angemessen, typische Gefahren der Fehlleitung auch durch generellere Werbeverbote zu vermeiden.
Dr. Moritz Vohwinkel, studierte Jura in Bonn. Dort wurde er auch mit einer Dissertation zu einem markenrechtlichen Thema promoviert. Seit 2000 ist er als Anwalt zugelassen und arbeitet seitdem hauptsächlich im gewerblichen Rechtsschutz. Daneben berät er auch im Presse- und Urheberrecht. Neben Unternehmen zählen Forschungsinstitute, Verlage sowie Autoren und Künstler zu seinen Mandanten. Darüber hinaus hat sich der Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz durch zahlreiche Fachpublikationen einen Namen gemacht und engagiert sich als Dozent unter anderem für Design- und Markenrecht sowie für Know-how-Schutz in der Anwaltsfortbildung.
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