NJW: Am 14.6. ist Anpfiff des Eröffnungsspiels zwischen Deutschland und Schottland in der Allianz-Arena. Welche rechtlichen Fragen müssen Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen jetzt noch bearbeiten?
Englisch: In der Phase vor und während des Turniers müssen wir uns vermehrt mit den klassischen Veranstaltungsthemen sowie auch Rechteverletzungen, insbesondere in Form von Ambush Marketing, befassen. Zudem begleiten wir die Umsetzung einzelner Verträge, die die Nationalmannschaft betreffen. Das betrifft etwa die Bereiche Organisation und Vermarktung.
NJW: Seit wann beschäftigt die Heim-EM Ihre Rechtsabteilung und mit welchen rechtlichen Fragestellungen waren Sie bislang befasst?
Englisch: Die EM begleitet uns jetzt schon seit über sieben Jahren. Dabei waren wir anfangs intensiver mit den einzelnen Rechtsfragen befasst, da die Organisationstrukturen noch nicht entwickelt waren. Die Einladung der UEFA, sich als Ausrichter der EM 2024 zu bewerben, stammt aus Dezember 2016. Das Jahr 2017 nutze der DFB dann, um die entsprechenden Bewerbungsunterlagen vorzubereiten. Dazu zählten die Darstellung und der Nachweis der für ein solches Turnier erforderlichen Infrastruktur, aber auch rechtliche Fragen etwa zum Urheberrecht, zu erforderlichen behördlichen Genehmigungen, zum Steuerrecht und natürlich zum Veranstaltungsrecht. Zudem mussten Garantien und Verpflichtungserklärungen wichtiger Stakeholder wie der Politik, der Gastgeberstädte, der Flughäfen und der Stadionbetreiber und Trainingsanlagen eingeholt werden. Einen Schwerpunkt bildete natürlich die Auswahl der zehn Spielorte.
NJW: Wie wurden die bestimmt?
Englisch: Aus rechtlicher Sicht war es wichtig, ein transparentes und den Ansprüchen an Good Governance genügendes Verfahren zu entwickeln. Hierzu dienten die mit Transparency International Deutschland e.V. erarbeiteten und in einem Code of Conduct zusammengefassten Richtlinien. Die Entscheidung im Rahmen des nationalen Auswahlverfahrens selbst beruhte zudem auf den UEFA-Anforderungen, die klar definierte und objektiv nachvollziehbare Kriterien für eine Vorauswahl enthielten. Neben der Stadionkapazität ging es um logistische Erfordernisse und Sicherheitsaspekte. Auch Nachhaltigkeitsgesichtspunkte spielten eine Rolle. Es wurde unter Mitwirkung verschiedener Abteilungen des DFB ein detaillierter Evaluierungsbericht erstellt, und auf der Grundlage wurden von den 14 Bewerbern dann im September 2017 vom DFB-Präsidium zehn Spielorte ausgesucht.
NJW: Wie ging es dann aus rechtlicher Sicht weiter?
Englisch: Der DFB erhielt im September 2018 den Zuschlag für die Euro 2024. Teil der Bewerbungsunterlagen war bereits das Staging Agreement. Das ist der grundlegende Ausrichtervertrag zwischen dem DFB und der UEFA, der alle Rechte und Pflichten in Verbindung mit der Ausrichtung des Turniers regelt. Darin wird wiederum auf die so genannten UEFA Tournament Requirements verwiesen, in denen in zwölf Sektoren alle Turnieranforderungen der UEFA zusammengefasst sind. Das Staging Agreement sieht auch vor, dass nach dem Zuschlag zwischen UEFA und DFB eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen ist, um auf Basis des Staging Agreements die organisatorischen, wirtschaftlichen und strukturellen Details der Zusammenarbeit sowie die Aufgaben- und Rollenverteilung festzulegen. UEFA und DFB kamen überein, ein Joint Venture zu bilden, nämlich die Euro 2024 GmbH. Sie ist heute umfassend zuständig für die operativen und strategischen Vorbereitungen und die Organisation und Durchführung der EM 2024.
NJW: Das Turnier wird also nicht vom DFB ausgerichtet?
Englisch: Doch, der DFB ist Ausrichter des Turniers. Die UEFA bleibt Inhaberin aller am Wettbewerb selbst bestehenden Rechte und entscheidet etwa auch über das Format und alle Wettbewerbsfragen. Die Organisationsstruktur ist aber rechtlich etwas differenzierter. Am Staging Agreement sind die UEFA und der DFB beteiligt. Die UEFA ihrerseits hat als 100-prozentige Tochtergesellschaft die UEFA Events SA mit der Planung und Durchführung des Turniers beauftragt. Der DFB seinerseits hatte bereits im Juni 2019 die DFB Euro GmbH als 100-prozentige Tochtergesellschaft gegründet. Sie hat unter anderem den Zweck, die vom DFB im Staging Agreement gegenüber der UEFA übernommenen Aufgaben zu erfüllen. Diese beiden Tochtergesellschaften haben im Januar 2021 die Euro 2024 GmbH gegründet, um so die Kompetenzen beider Institutionen zu bündeln.
NJW: Wie ist eigentlich das Verhältnis der Beteiligten zueinander geregelt?
Englisch: Unter anderem durch den bereits angesprochenen Kooperationsvertrag. An ihm sind neben der UEFA und dem DFB auch die beiden genannten Tochtergesellschaften sowie die Euro 2024 GmbH beteiligt.
NJW: Welche Aufgaben sind beim DFB oder der DFB Euro GmbH noch verblieben?
Englisch: Die Einschaltung eines Dienstleisters entbindet den DFB und seine Tochtergesellschaft DFB Euro GmbH nicht von ihrer Gesamtverantwortung als Ausrichter des Turniers. Diese bleiben ja auch Vertragspartner verschiedener Beteiligter, beispielsweise der Stadionbetreiber. Die Euro 2024 GmbH hat zudem nicht alle Verantwortlichkeiten vollständig übernommen. So bleibt der DFB zum Beispiel verantwortlich für die Sicherheit. Hier hat die Euro 2024 GmbH dem DFB als Dienstleister ein entsprechendes Sicherheitskonzept erarbeitet, das aber vom DFB freigegeben werden musste. Der DFB übernimmt zudem alle Aufgaben der Umsetzung im Bereich Sicherheit. Die DFB Euro GmbH ist weiterhin zuständig für DFB-Zusatzprojekte rund um die UEFA Euro 2024 und auch die weitere Bewerbung des Turniers. Die UEFA hat ihr zudem eigenständige wirtschaftliche Aktivitäten zugestanden, unter anderem für ein offizielles Münzen- und Briefmarkenprogramm, das gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium umgesetzt wird. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird von ihr mitbetreut.
NJW: Inwieweit ist die DFB-Rechtsabteilung in dieser Phase des Gesamtturniers eingebunden?
Englisch: Alle oben genannten Aufgaben der DFB Euro GmbH werden von uns betreut, insbesondere rund um die dort verbliebenen Aufgaben als formaler Veranstalter der Spiele der UEFA Euro 2024. Die meisten juristischen Aufgaben liegen jedoch heute bei der Euro 2024 GmbH. Die Euro 2024 GmbH hat über die UEFA eine eigene, sehr gute Rechtsabteilung. Der Schwerpunkt unserer Befassung lag insbesondere in der Vorbereitung, Bewerbung und Erarbeitung der Strukturen bis zum Abschluss der Kooperationsvereinbarung und Gründung des Joint Venture. Auch rund um die Durchführung der vier Spiele der UEFA EURO 2020 am Standort München haben wir die DFB Euro GmbH als Tochtergesellschaft intensiv unterstützt. In der jetzigen Phase konzentrieren wir uns wieder mehr auf unsere Rolle als Teilnehmer der EM.
NJW: Sie erwähnten, das Thema Sicherheit liege noch beim DFB. Nach dem Terroranschlag in Moskau vor Ostern stellt insbesondere die Sicherheitslage eine besondere Herausforderung für die Veranstalter dar. Für Sie auch?
Englisch: Grundlage für die sicherheitsrelevante Vorbereitung und Durchführung der UEFA EURO 2024 sind umfassende Gefährdungsbewertungen. Dabei gibt es bereits im Vorfeld abgestimmte Sicherheitskonzepte. Alle Sicherheitsverantwortlichen bereiten sich gemeinsam auf mögliche Szenarien vor, insbesondere auch im Kontext der jeweiligen Zuständigkeit rund um die öffentliche und die private Sicherheit. Wir begleiten dies nur hinsichtlich einzelner Fragen, da die Netzwerkpartner in diesem Bereich über hervorragende juristische Expertise verfügen.
NJW: Ihr Tipp: Welche beiden Mannschaften werden sich beim Endspiel im Berliner Olympiastadion Mitte Juli gegenüberstehen?
Englisch: Ich hoffe jedenfalls, dass unsere Mannschaft dabei ist. Wenn wir die Vorrunde erfolgreich spielen und gut ins Turnier starten, traue ich ihr das zu. Ich freu mich auf die EM!
Bereits die Wahlstation während des Referendariats führte Dr. Jörg Englisch in die Rechtsabteilung des DFB. Dort habe es ihm so gut gefallen, dass er geblieben sei, wie er mal in einem Interview meinte. Seit 2007 steht er an der Spitze der Rechtsabteilung, seit 2016 ist er Direktor Recht des DFB.
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