NJW: Sind Sie ausschließlich im Rahmen von Bauvorhaben mit dem Kampfmittelrecht befasst oder hat sich diese Spezialisierung über diesen Bereich hinaus entwickelt?
Englert: Das Kampfmittelrecht hat im Kontext von Bauvorhaben einen großen Stellenwert, insbesondere im Tiefbaubereich, ist jedoch wesentlich vielfältiger und bietet über das Baurecht hinaus noch weitere Felder, insbesondere wenn es um das Thema der einzelnen Kampfmittelverordnungen der Länder geht. Es herrscht hier viel Beratungsbedarf. So ist es nämlich trotz eindeutiger gesetzlicher Regelungen, welche leider in der Literatur noch nicht so erfasst worden sind, sehr häufig der Fall, dass Behörden in den jeweiligen Bundesländern diese Regelungen nicht immer stimmig auszulegen wissen. Hinzu kommen selbstverständlich die Auseinandersetzungen über die Kostentragungspflicht für die vorgenommenen Sondierungsmaßnahmen und auch straf- und bußgeldrechtliche Fragen.
NJW: Erzählen Sie doch mal, wie es zu dieser Spezialisierung kam.
Englert: Bereits im Studium entwickelte ich eine große Liebe zum Strafrecht, was insbesondere meinen damaligen Professoren geschuldet war. Dieses Gebiet wollte ich mit dem Eintritt ins Berufsleben nicht missen und habe mich sodann neben dem in meiner Kanzlei obligaten Bau- und Architektenrecht auch noch auf das Strafrecht spezialisiert. Auf der Suche nach einem Thema für die Dissertation stieß ich dann auf die eine Norm im Baustrafrecht, welche den höchsten Strafrahmen mit sich bringt, nämlich § 308 III StGB „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ mit der Rechtsfolge lebenslange Freiheitsstrafe bei leichtfertiger Verursachung des Todes eines Menschen. Die Schnittmenge war dann das Kampfmittelrecht.
NJW: Es klang bereits an, Sie beraten seit vielen Jahren vor allem im privaten Baurecht. Wie häufig kam es in dieser Zeit vor, dass eine Baustelle wegen eines Blindgängers stillgelegt wurde? Und wie lange hat es im Normalfall gedauert, bis weitergebaut werden konnte?
Englert: Es kam schon öfters vor, dass eine Baustelle stillgelegt wurde. Oft wird man erst hier involviert. Wenn dies bereits bei baubegleitender Rechtsberatung geschieht, so ist man als Berater natürlich gehalten, von vornherein die Weichen richtig zu stellen. Bei einer Beratung der Auftraggeberseite beginnt dies bereits im Vergabeverfahren. Bei einer Beratung der Auftragnehmerseite ist insbesondere das Thema der Kampfmittelfreigabe zu beachten und es sind die daraus folgenden Schlüsse zu ziehen.
NJW: Wenn der Bauablauf wegen eines Blindgängers im Boden ins Stocken gerät, wird es schnell teuer. Über welche Kosten reden wir hier, wer trägt sie und kann man sich dagegen, auch vertraglich, absichern?
Englert: Pauschal lässt sich das nicht sagen, dafür mit der typischen Juristenantwort: Es kommt darauf an. So kommt es hier vor allen Dingen darauf an, ob denn der Bombenblindgänger schnell und einfach geborgen werden kann. Ist dies der Fall, dann handelt es sich um eine Unterbrechung von wenigen Stunden. Es kann jedoch auch ein weit höherer Aufwand nötig sein, etwa der Übergang zur baubegleitenden Kampfmittelräumung. Das bedeutet, dass die ausführende Firma nur noch im Takt und nach Vorgaben der Kampfmittelräumfirma arbeiten darf, welche dann das Sagen auf der Baustelle hat. Dies sind unkalkulierbare Vorgänge und können dann den Bauherren ziemlich teuer zu stehen kommen. Vertraglich gesehen besteht für den Auftraggeber lediglich die Möglichkeit eine Eventualposition für baubegleitende Kampfmittelräumung einzuführen, ein komplettes Überbürden der Risiken aus Kampfmitteln ist in der Regel schwer zu konstruieren.
NJW: Zur Planung einer Baumaßnahme gehört auch eine Bodenerkundung. Sollte dabei nicht auffallen, dass Kampfmittel im Boden sind?
Englert: Bei einer Bodenerkundung durch einen Baugrundgutachter sollte in der Regel nicht nach Kampfmitteln gesucht werden. Das Aufsuchen der Kampfmittel stellt nämlich schon einen Umgang mit Sprengstoff im Sinne des Sprengstoffgesetzes dar. Somit ist der Baugrundgutachter nicht berechtigt, aufgrund seiner Ergebnisse beispielsweise des Georadars Aussagen über die Kampfmittelbelastung zu treffen. Dies ist allein einem Kampfmittelräumunternehmen gestattet, welches die sprengstoffrechtliche Erlaubnis gemäß § 7 Sprengstoffgesetz innehat.
NJW: Gleichwohl: Wer ist für derartige Untersuchungen eigentlich verantwortlich bzw. zuständig?
Englert: Für die erste Untersuchung ist immer der Bauherr verantwortlich, in vielen Bundesländern ist dies auch schon den einzelnen Kampfmittelverordnungen zu entnehmen. Ausführen dürfen sie aber nur staatliche Stellen oder zugelassene Kampfmittelräumfirmen.
NJW: Gibt es in Deutschland Regionen, in denen mit besonders vielen Blindgängern zu rechnen ist? Und was bedeutet das für die anwaltliche Beratung?
Englert: Tatsächlich gibt es bei uns unterschiedliche Hotspots der Kampfmittelbelastung, insbesondere sind hier Bereiche im Osten Deutschlands und die Innenstädte der größeren Städte zu nennen. Jedoch ist man auch in Gewässern und in Nord- und Ostsee nicht vor Kampfmitteln sicher. Wo gebaut wird, ist also von entscheidender Bedeutung. Man kann sich aber eigentlich nie sicher sein und sollte das Thema immer ansprechen und untersuchen.
NJW: Und wie reagieren Ihre Mandanten, wenn Sie sie auf diese Problematik bzw. Gefahren hinweisen? Ist das Gefahrenbewusstsein bei öffentlichen Bauherren größerer als beim Generalunternehmer oder dem privaten Häuslebauer?
Englert: In den letzten Jahren hat sich das Gefahrenbewusstsein beim öffentlichen Bauherrn und Generalunternehmer immer mehr ausgeprägt. Der private Häuslebauer ist hier etwas anders abzuholen, da das Thema außerhalb der Baubranche doch noch ziemlich unbekannt ist. Ich werde öfters gefragt, was man sich denn unter Kampfmitteln vorzustellen habe und ob es denn noch Bomben gäbe. Immerhin sei der Krieg schon sehr lange vorbei.
NJW: Was können bzw. sollten Kolleginnen und Kollegen, die im Baurecht beraten, ihren bauwilligen Mandanten präventiv mit auf den Weg geben, um die mit einer möglichen Kampfmittelbelastung einhergehenden Risiken zu minimieren?
Englert: In der anwaltlichen Beratung im Baurecht sollte vom Mandanten verlangt werden, sich mit dem Thema Kampfmittel zu beschäftigen. Wie oben schon angedeutet, ist die kostengünstigste Art des Umgangs mit Kampfmitteln die frühe Entdeckung derselbigen. Ich empfehle hier immer, dem bauwilligen Mandanten das Merkblatt „Kampfmittelfrei bauen“ an die Hand zu geben.
NJW: Wenn auf der Baustelle Ihres Mandanten ein Blindgänger gefunden wird, weiß er dann, was zu tun ist?
Englert: Ja, denn in so einem Fall ist die Lösung einfach: nichts anfassen, Abstand halten und die Polizei verständigen. Dies ist auch ein günstiger Zeitpunkt einen Bauanwalt einzuschalten, falls noch nicht geschehen.
Zunächst sah es nicht so aus, als ob Dr. Florian Englert Karriere als Jurist machen würde. Denn nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung als staatlich geprüfter Börsenhändler und war drei Jahre auf dem Frankfurter Börsenparkett tätig. Anschließend studierte er Jura in Würzburg und Augsburg. Nach dem Referendariat, das ihn unter anderem in eine Schweizer Wirtschaftskanzlei führte, wurde er 2010 zur Anwaltschaft zugelassen. Schnell spezialisierte er sich im Bau- und Strafrecht und erwarb die jeweiligen Fachanwaltstitel. Englert ist Lehrbeauftragter für Baustrafrecht und Baugrundrisiken an der Akademie der HBC. Hochschule Biberach, Mitglied des Fachgremiums „Kampfmittel“ im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. und publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften und -büchern.
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