Der deutsche Gesetzgeber vertraut der behördlichen Rechtsdurchsetzung (Public Law Enforcement, s. BT-Drs. 19/30505, 39; rechtspolitisch Rühl/Knauer JZ 2022, 107). Ihre Effektivität hängt aufgrund des umfangreichen Aufgabenkanons des zuständigen BAFA, das nach § 14 I Nr. 2 LkSG auch auf Antrag von Privatpersonen tätig wird, von seiner personellen Ausstattung ab. Wenn jedoch künftig dessen Durchsetzungsinstrumente (§§ 15, 17, 24 LkSG) uneffektiv bleiben sollten, wird auf (flankierendes) Private Law Enforcement nicht verzichtet werden können.
Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 23.2.2022 (COM (2022), 71) setzt hingegen auf ein Durchsetzungssystem, das auf zwei Säulen ruht. Behördliche Sanktionen (Artt. 18, 20 RiLi-E) und (international zwingende) zivilrechtliche Haftung (Art. 22 I, V RiLi-E) werden auf ambitionierte Weise kombiniert. Bei der künftigen Umsetzung sollte die Statuierung einer unternehmerischen Gefährdungshaftung vermieden werden. Der Kompromisstext des Rats vom 30.11.2022 sieht deswegen ein haftungsbegrenzendes Verschuldenserfordernis vor, während der Rechtsausschuss des EU-Parlaments in seiner Stellungnahme vom 7.11.2022 – tendenziell gegenläufig – Verschärfungen vorschlägt (lange Verjährungsfristen; Beweislastumkehr). Korrekturbedürftig erscheint die im Verhältnis zu § 14 LkSG überschießende Antragsbefugnis von Privatpersonen (Art. 19 I RiLi-E), welche auf eine individuelle Betroffenheit verzichtet (Popularbeschwerden). Begrüßenswert ist die (umsatzabhängige) Einbeziehung drittstaatlicher Unternehmen (Art. 2 II RiLi-E), welche auf dem europäischen Absatzmarkt tätig sind, sowie die Einrichtung eines europäischen Netzes von Aufsichtsbehörden (Art. 21 RiLi-E).
Bei Umsetzung der Richtlinie dürfte das deutsche LkSG eine sinnvolle Effektuierung hin zu einem verschränkten Modell aus privater und öffentlich-rechtlicher Rechtsdurchsetzung erfahren (s. i.E. wohl auch Spindler ZHR 186 (2022), 124). Informationsdefizite bezüglich Lieferketten lassen sich unter Umständen behördlich leichter überwinden als durch Privatpersonen, die zudem finanziell entlastet werden. Denkbar erscheint auch, dass Behörden verstärkt als „Datengeber“ für Privatklagen fungieren. Public Law Enforcement ermöglicht überdies eine anlassorientierte Kollektivierung der Maßnahmen, welche die individuelle Verletztensicht des Zivilrechts ausblendet. Dass beide Wege verknüpfbar sind, zeigt sich etwa darin, dass Art. 22 II RiLi-E (systemneu) behördlich eingeforderte und erfüllte Abhilfemaßnahmen bei der Bewertung des zivilrechtlichen Haftungsumfangs berücksichtigen will.
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