Urteilsanalyse
Insolvenzverwaltervergütung - Bemessung von Zu- und Abschlägen durch den Tatrichter
Urteilsanalyse
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Die Bemessung von Zu- und Abschlägen ist von dem Tatrichter ist nach einem Beschluss des BGH so vorzunehmen, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine angemessene Vergütung gewährt wird. Eine Vergleichsrechnung anhand der Anzahl der aufgewendeten Stunden des Verwalters und seiner Mitarbeiter habe nicht stattzufinden.

12. Nov 2021

Anmerkung von

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 23/2021 vom 11.11.2021

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Sachverhalt

Auf den Eigenantrag der Schuldnerin bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten mit Beschluss vom 19.7.2017 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Für seine Tätigkeit als Sachverständiger erhielt der weitere Beteiligte eine Vergütung iHv 2.119 EUR. Mit Beschluss vom 1.9.2017 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter.

Der weitere Beteiligte hat beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter nach einer Berechnungsgrundlage von 2.491.855 EUR auf das 2,5fache der Regelvergütung des Insolvenzverwalters, insgesamt auf 231.646 EUR, festzusetzen. Die Recherche der Vermögensverhältnisse der Schuldnerin habe sich - auch vor dem Hintergrund strafrechtlicher Ermittlungen - als schwierig erwiesen. Zuschläge begründeten sich weiter insbesondere aus der arbeitsaufwendigen Verwaltung des vermieteten Grundeigentums, der Einleitung vorbereitender Maßnahmen zur Fortführung des schuldnerischen Unternehmens, der Beteiligung von mehr als 100 Gläubigern, dem Auslandsbezug, der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten, den komplexen Konzernstrukturen und der Höhe des Jahresumsatzes der Schuldnerin.

Das Insolvenzgericht hat eine Erhöhung der Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters um 75 % für gerechtfertigt erachtet und die Vergütung auf 93.193 EUR festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde verfolgte er seinen Vergütungsantrag weiter. 

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

Die Bemessung von Zu- und Abschlägen sei grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie sei in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringe (vgl. zB BGH WM 2021, 1194). Zu prüfen seien die Maßstäbe (Rechtsgrundsätze) und ihre Beachtung, nach denen das Leistungsbild der entfalteten Verwaltertätigkeit im Einzelfall gewürdigt und zu dem Grundsatz einer leistungsangemessenen Vergütung in Beziehung gesetzt worden sei (BGH ZIP 2002, 1459).

Maßgebend sei, ob die Bearbeitung den Insolvenzverwalter stärker oder schwächer als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen habe, also der real gestiegene oder gefallene Arbeitsaufwand. Das Insolvenzgericht habe dabei die in Betracht kommenden Tatbestände im Einzelnen zu überprüfen und zu beurteilen. Einer Bewertung der Höhe jedes einzelnen Zu- oder Abschlags bedürfe es nicht. Es genüge, wenn der Tatrichter die möglichen Zu- und Abschlagstatbestände dem Grunde nach prüfe und anschließend in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen und einer auf das Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder Gesamtabschlag bestimme (vgl. zB BGH WM 2021, 1503).

Diesen Grundsätzen genüge die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht. Insbesondere fehle es an einer tragfähigen Würdigung der Gesamtlage, die im Hinblick auf den konkreten Festsetzungsfall nachvollziehbar begründet, in welchem Maße der weitere Beteiligte durch die Aufgabe der vorläufigen Verwaltung stärker als allgemein üblich in Anspruch genommen worden sei und inwieweit der Tätigkeitsumfang daher auch in einer vom Normalfall abweichenden Festsetzung der Vergütung Niederschlag finden müsse. Nach der Begründung des Beschwerdegerichts sei weder auszuschließen, dass der Mehraufwand in zu geringem, noch dass er - was auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten allerdings nicht zu einer Schlechterstellung in einer Gesamthöhe führen könne - vom Insolvenzgericht bereits in zu hohem Maße berücksichtigt worden sei. Der für die Bewertung der Angemessenheit des Gesamtzuschlags neben den Überschneidungen der einzelnen Zuschlagstatbestände herangezogene Gesichtspunkt der Höhe des Stundensatzes, der sich aus der gewährten Erhöhung von 75 % bei Zugrundelegung der vom Beschwerdegericht geschätzten Zahl der aufgewendeten Arbeitsstunden des Verwalters ergebe, verschiebe die Maßstäbe. Der darin vorgenommene Vergleich mit Stundensätzen sei, wie der Senat bereits entschieden habe, kein geeignetes Kriterium für die Bemessung der Höhe des Vergütungsantrages (BGH ZInsO 2007, 370).

Praxishinweis

Der BGH wies in der Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass bei der Bewertung der Angemessenheit des Gesamtzuschlags angesichts einer für die Berechnungsgrundlage maßgeblichen Masse von rd. 2,5 Mio. EUR weiter zu beachten ist, dass in einem größeren Insolvenzverfahren der regelmäßig anfallende Mehraufwand des Verwalters im Grundsatz bereits dadurch abgegolten wird, dass die größere Vermögensmasse zu einer höheren Vergütung führt (vgl. BGH WM 2021, 1194). Zuschläge für einen quantitativ höheren Aufwand setzen daher voraus, dass der tatsächlich erforderliche Aufwand in dem fraglichen Verfahrensabschnitt erheblich über dem bei vergleichbaren Massen üblichen liegt (vgl. BGH aaO).

BGH, Beschluss vom 07.10.2021 - IX ZB 4/20 (LG Krefeld), BeckRS 2021, 32814