Urteilsanalyse
Insolvenzanfechtung bei SEPA-Lastschriftzahlungen
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Eine Zahlung im Wege der SEPA-Lastschrift ist - so der BGH - erst mit ihrer vorbehaltlosen Einlösung durch die Schuldnerbank insolvenzanfechtungsrechtlich vorgenommen worden.

13. Dez 2022

Rechtsanwalt Karsten Kiesel, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 25/2022 vom 08.12.2022

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Sachverhalt

Der Kläger verlangt als Sachwalter der Schuldnerin die Erstattung einer Zahlung, die der Beklagte im Rahmen eines SEPA-Lastschriftmandats erhielt. Seine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO stützt der Kläger auf eine im maßgeblichen Zeitpunkt bei der Beklagten bestehende Kenntnis des Insolvenzantrages.

Der Beklagte zog den Zahlbetrag am 12.11.2019 ein. Am 14.11.2019 erfolgten die Belastung des Kontos der Schuldnerin, die Wertstellung beim Beklagten, der Eingang des Insolvenzantrags sowie die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung. Der Beklagte wurde am 15.11.2019 vormittags vom Eröffnungsantrag informiert, der zur Insolvenzeröffnung am 1.2.2020 führte.

Nach den von zwischen der Schuldnerin und der ihr Konto führenden Bank vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen waren „Lastschriften […] eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag […] nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht“ werden.

Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Die zugelassene Revision blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Der XI. Zivilsenat meint, die Lastschrift sei im Rechtssinne nach Erlangung der Kenntnis vom Eröffnungsantrag durch den Beklagten eingelöst worden. Durch die vorbehaltlose Einlösung der Schuldnerbank träten im SEPA-Lastschriftverfahren im Verhältnis zum Lastschriftschuldner die gem. § 140 Abs. 1 InsO insolvenzanfechtungsrechtlich relevanten rechtlichen Wirkungen ein.

Im Valutaverhältnis zwischen dem zahlungspflichtigen (Insolvenz-)Schuldner und dem Forderungsgläubiger träte die Erfüllungswirkungen zwar grds. mit der vorbehaltlosen Gutschrift der Empfängerbank auf dem Empfängerkonto ein. Die nach der Belastungsbuchung ggf. bestehenden Möglichkeit eines Erstattungsverlangens nach § 675x II, IV BGB innerhalb von acht Wochen hindere den Eintritt der Erfüllungswirkungen nicht.

Insolvenzanfechtungsrechtlich komme es allerdings nicht auf die Erfüllungswirkungen im Valutaverhältnis an, sondern auf die endgültige Verfügung des Schuldners im Deckungsverhältnis und das Erlangen einer gesicherten Rechtsposition durch den Zahlungsempfänger. Maßgeblich sei die vorbehaltlose Einlösung der Lastschrift durch die Schuldnerbank.

Eine nach der Zustimmung zum Lastschriftmandat erfolgte Buchung sei wirksam und der Schuldner habe idR keine Möglichkeit mehr, seiner Bank den Aufwendungsersatzanspruch zu entziehen. Die Lastschrift werde allerdings wie beim früheren Abbuchungsverfahren erst mit der Einlösung durch die Schuldnerbank wirksam. Wann diese eine Lastschrift als eingelöst ansieht, könne vertraglich im Zahlungsdienstrahmenvertrag geregelt werden, wobei die entsprechende Regelung hier nicht nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei. Vor Ablauf der vereinbarten zweitägigen Stornierungsfrist sei die Lastschrift nicht vorbehaltlos eingelöst. Die bis zu acht Wochen bestehende Möglichkeit zur Ausübung des Rechts gem. § 675x Abs. 1 BGB durch den Schuldner habe auch insoweit keinen Einfluss auf den Bestand der Belastungsbuchung. Es bestehe ein eigenständiger Anspruch und die Autorisierung der Belastungsbuchung werde dadurch nicht beeinflusst. Der Zahlungsempfänger erhalte seinerseits aufgrund eines entsprechenden Vorbehalts in den AGB-Banken kein unentziehbares Recht, solange der Schuldner nicht endgültig verfügt habe.

Die Einlösung setze als Rechtshandlung einen entsprechenden Willen der Schuldnerbank voraus. Gem. der AGB-Banken sei die Lastschrift eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht werde. Eine Vordisposition bzw. deren Verlautbarung durch die Schuldnerbank sei nicht dargetan oder erkennbar.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung stellt der BGH bzgl. des SEPA-Lastschriftverfahrens klar, dass für die Bestimmung des insolvenzanfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkts nicht (alleine) die vorbehaltlose Gutschrift auf dem Konto des Zahlungsempfängers maßgeblich ist. Zusätzlich sind die Einlösung durch die Schuldnerbank und der Wegfall des Vorbehalts erforderlich. In der Praxis werden gem. der AGB-Banken/AGB-Sparkassen die rechtlichen Wirkungen mit Ablauf des zweiten (bzw. bei SEPA-Firmenlastschriften u.U. des dritten) Bankarbeitstages nach Einlösung bei der Schuldnerbank eintreten. Damit können für entsprechende Belastungen, bei denen die Stornierungsfrist noch läuft, durch die sofortige Information des Gläubigers über den Insolvenzeröffnungsantrag die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung der Lastschriftzahlung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt InsO geschaffen werden. Eigen- und Insolvenzverwalter sowie die Eigenverwalter und deren Berater haben dies künftig zu berücksichtigen.

Nicht geklärt ist, ob und ggf. unter welche Voraussetzungen bei der SEPA-Basislastschrift das Unterlassen der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs gem. § 675x BGB als eigenständige Rechtshandlung der Insolvenzanfechtung unterliegt und insoweit der anfechtungsrechtlich maßgebliche Zeitpunkt gem. § 140 Abs. 1, Abs. 3 InsO mit Ablauf der Acht-Wochen-Frist des § 675x Abs. 4 anzunehmen ist (MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock InsO § 140 Rn. 17; K. Schmidt InsO/Büteröwe InsO § 140 Rn. 8). Nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH fällt der Anspruch aus § 675x BGB aber in analoger Anwendung des § 377 Abs. 1 BGB nicht in die Insolvenzmasse (BeckRS 2010, 19389 Rn 29). Damit wird es für eine Anfechtbarkeit m.E. an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung iSd § 129 Abs. 1 InsO fehlen.

BGH, Urteil vom 13.10.2022 - IX ZR 70/21 (OLG München), BeckRS 2022, 32125