Urteilsanalyse
Inhaltliche Anforderungen an eine Berufungsbegründung
Urteilsanalyse
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Für die Frage, ob eine zulässige Berufung vorliegt, kommt es darauf an, ob die Berufungsbegründung einen Angriff auf jede die angefochtene Entscheidung selbständig tragende Erwägung enthält. Ob eine Erwägung der ersten Instanz von der obergerichtlichen Judikatur abweicht, ist dabei nach Meinung des BGH nicht erheblich.

3. Aug 2022

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 15/2022 vom 29.07.2022

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Sachverhalt

K nimmt B auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einem bei einem Autohaus als Gebrauchtwagen erworbenen, von B hergestellten und im März 2014 an K übergebenes Fahrzeug in Anspruch. Das LG weist die Klage ab.

Die hiergegen eingelegte Berufung verwirft das OLG mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig, da die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO genüge. Das LG habe seine Klageabweisung auch darauf gestützt, dass ein K im Rahmen eines Anspruchs nach § 826 BGB zu ersetzender kausaler Schaden, auf den sich der Vorsatz der B habe beziehen müssen, nicht ersichtlich sei. Das LG habe dies damit begründet, dass K für den Kaufpreis ein Fahrzeug erhalten habe, welches er im Straßenverkehr habe nutzen können. Auch eine Wertminderung sei nicht ersichtlich und zudem nicht von einem Vorsatz gedeckt gewesen. Mit der Thematik des Schadens befasse sich die Berufungsbegründung an keiner Stelle konkret. Dagegen wendet sich K mit der Rechtsbeschwerde. Ohne Erfolg.

Entscheidung: Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig!

Habe das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, müsse die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen (Hinweis auf stRspr, ua BGH BeckRS 2021, 23969 Rn. 10 und BGH NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 = FD-ZVR 2020, 428245 mAnm Toussaint).

Hieran fehle es. Ob die LG-Rechtsauffassung zum Schadensbegriff von der obergerichtlichen Judikatur abweiche, sei nicht erheblich. Für die Frage, ob eine zulässige Berufung vorliege, komme es vielmehr darauf an, ob die Berufungsbegründung einen Angriff auf jede die angefochtene landgerichtliche Entscheidung selbständig tragende Erwägung enthalte. Die in der Berufungsbegründung zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des K, ihm sei durch den Kauf ein Schaden entstanden, der vom Vorsatz der Mitglieder des Vorstands der B umfasst sei, ersetze nicht einen konkreten Angriff auf die landgerichtliche abweichende Würdigung des Schadensbegriffs.

Praxishinweis

Der Clou der Entscheidung liegt darin, dass der Berufungsführer nach Ansicht des VII. Zivilsenats auch eine abwegige Rechtsauffassung, mit der die erste Instanz ihre Entscheidung begründet hat, bekämpfen muss. Dies könnten die meisten Berufungsgerichte bislang so nicht gesehen haben. Hier muss man also gegebenenfalls umdenken. Ferner ist interessant, dass die Darstellung eine Rechtsansicht, die der Haltung der klagenden Partei in der ersten Instanz entspricht, als Angriff nicht ausreichen soll. Was hätte K im Tatsächlichen noch sagen können?


BGH, Beschluss vom 18.05.2022 - VII ZB 40/21 (OLG München), BeckRS 2022, 15509