Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 03/2021 vom 11.02.2021
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Sachverhalt
Die 74-jährige Mieterin eines Zweifamilienhauses, das sie seit über 30 Jahren bewohnt, äußerte sich anlässlich der Neuvermietung der anderen Wohnung gegenüber Mietinteressenten in einer abschreckenden Art und Weise, um diese von der Anmietung der Nachbarwohnung abzuhalten. Nachdem die Vermieterin die Mieterin wegen ihres Verhaltens mehrfach abgemahnt hatte, zuletzt unter Androhung der fristlosen Kündigung, kündigte sie - rund vier Monate nach dem Vorfall – das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich und nimmt dabei zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf ihre vorangegangenen Abmahnungen. Das Amtsgericht hält die fristlose Kündigung für wirksam. Ihre hiergegen eingelegte Berufung stützt die Mieterin im Wesentlichen darauf, dass aufgrund der erteilten Abmahnungen der Vorwurf des Verhinderns des Zustandekommens eines Mietverhältnisses "verbraucht" sei, da es keine Verpflichtung gebe, für das Zustandekommen eines neuen Mietverhältnisses Sorge zu tragen.
Entscheidung
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Jedenfalls sei das Mietverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet worden. Die Klägerin habe zur Begründung der Kündigung im Wesentlichen auf die der Beklagten zugestellten Abmahnungen Bezug genommen. Diese Bezugnahme sei hier in dem Sinne wirksam, dass die in den Abmahnungen konkret dargestellten Vorfälle grundsätzlich verwertet werden können, da die Bezugnahme klar und eindeutig erfolgt sei. Diese Vorfälle seien auch nicht dadurch „verbraucht“, dass sie Gegenstand der Abmahnungen waren, da es bei einer ordentlichen Kündigung keiner vorherigen Abmahnung bedürfe. Damit dürfe die Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens auch nicht zur Voraussetzung der ordentlichen Kündigung gemacht werden.
Darüber hinaus sei selbst für den Bereich der außerordentlichen Kündigung ein Zuwarten von vier Monaten zwischen dem kündigungsrelevanten Vorfall, der Vertragsverletzung, und dem Aussprechen der Kündigung unschädlich.
Schließlich ergebe sich auch unter Berücksichtigung des Alters der Beklagten und der Tatsache, dass es sich um ein Jahrzehnte andauerndes Mietverhältnis gehandelt habe, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hatte. Das Verhalten der Beklagten habe jedenfalls wiederholt und nachhaltig den Hausfrieden in einer Weise gestört, dass die Mitbewohner gegenüber der Klägerin angedroht haben, ihr Mietverhältnis zu kündigen.
Praxishinweis
Wirksamkeitsvoraussetzung einer ordentlichen Kündigung ist gemäß § 573 Abs. 3 BGB die Angabe des Vermieters, aus welchen Gründen er sein berechtigtes Interesse ableitet. Diese Gründe hat er im Kündigungsschreiben an den Mieter darzulegen. Für die Frage, inwieweit der Vermieter auf frühere mitgeteilte Kündigungsgründe verweisen kann, ist zu differenzieren:
Die ausdrückliche Bezugnahme im Kündigungsschreiben auf mündlich mitgeteilte Kündigungsgründe reicht nicht aus (LG Berlin, Urteil vom 02.10.1992 - 64 S 252/92, ZMR 1993, 118). Überwiegend wird jedoch die Ansicht vertreten, dass im Kündigungsschreiben eine ausdrückliche Bezugnahme auf schriftlich mitgeteilte Gründe zulässig ist, wenn dem Mieter eine schriftliche Erklärung zugegangen ist, die Gründe sich nicht geändert haben und die Bezugnahme klar und eindeutig erfolgt (BVerfG, Beschluss vom 31.03.1992 - 1 BvR 1492/91, NJW 1992, 1877; BGH, Urteil vom 02.02.2011 – VIII ZR 74/10, NZM 2011, 275; Weidenkaff in Palandt, 80. Auflage 2021, § 573 BGB Rn. 48). Dieser Ansicht folgt auch das LG Wuppertal zurecht.
LG Wuppertal, Urteil vom 30.04.2020 - 9 S 208/19 (AG Mettmann), BeckRS 2020, 38458