Urteilsanalyse
Honorarkürzung wegen verspätet eingereichter Fortbildungsnachweise
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Bei der Nachweisfrist über die Ableistung der Pflichtfortbildung eines Vertragsarztes für die zurückliegenden fünf Jahre handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Der Nachweis muss nach Ansicht des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen mittels Zertifikate der zuständigen Ärztekammer erfolgen. Ein Ausdruck des Punktekontos bei der Ärztekammer ist nicht ausreichend.

6. Aug 2021

Anmerkung von 
Rechtsanwalt Sebastian Menke, LL.M., BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin
 
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 08/2021 vom 02.08.2021

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Sachverhalt

Der Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin und nimmt seit 1982 ununterbrochen an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In dem Zeitraum vom 01.07.2004 bis 30.06.2009 nahm der Kläger in einem Umfang an Fortbildungsveranstaltungen teil, wodurch ihm 494 Fortbildungspunkte bei der zuständigen Ärztekammer gutgeschrieben wurden. Ein Fortbildungsnachweis wurde ihm am 04.04.2011 ausgestellt. Darin war vermerkt, dass das Zertifikat bis zum 03.04.2016 Gültigkeit hat. Daraufhin gab die Beklagte, die Kassenärztliche Vereinigung, dem Kläger den Hinweis, dass der nächste Nachweis am 30.06.2014 fällig werde. Zu diesem Zeitpunkt waren dem Kläger auf seinem Punktekonto bei der Ärztekammer nach deren Auskunft 163 anrechenbare Fortbildungspunkte gutgeschrieben, welche nach dem 04.04.2011 erworben worden waren.

Die Beklagte forderte den Kläger im Zeitraum von Juli 2013 bis Mai 2014 mindestens dreimal auf, für den streitgegenständlichen Nachweiszeitraum Fortbildungszertifikate der Ärztekammer vorzulegen, da andernfalls Honorarkürzungen drohten. Der Kläger kam den Aufforderungen nicht nach, sodass die Beklagte mit Schreiben vom 08.10.2014 Honorarkürzungen ankündigte. Am 03.11.2014 legte der Kläger der Beklagten einen Auszug aus dem Konto der Ärztekammer vor. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass sich hieraus 134 Fortbildungspunkte ergäben. Weitere Fortbildungspunkte seien nicht anrechenbar, da diese bereits im Fortbildungszertifikat vom 04.04.2011 berücksichtigt seien.

Sodann kürzte die Beklagte das Honorar des Klägers um 10 % bzw. um 25 %.

Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein und behauptete, Fortbildungspunkte in ausreichendem Umfang erworben zu haben.

Am 30.12.2015 übersandte der Kläger der Beklagten ein neues Fortbildungszertifikat der Ärztekammer, welches vom 04.04.2011 bis zum 03.12.2015 mindestens 250 Fortbildungspunkte bescheinigte.

Der Kläger erhob am 20.08.2016 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund. Das Sozialgericht Dortmund hat mit Urteil vom 15.05.2019 die Bescheide der Beklagten teilweise aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein. 

Entscheidung

Die zulässige Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das LSG hob die Entscheidung des Sozialgerichts auf und bestätigte die Honorarkürzungen der Beklagten. 

Gemäß § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V sei ein Vertragsarzt verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung der Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig sei. Dies habe er durch Vorlage entsprechender Nachweise zu belegen. Der Kläger hätte den Nachweis bis zum 30.06.2014 vorlegen müssen. Diese Frist habe der Kläger versäumt. Bei der Frist nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V handele es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ausgeschlossen, sodass die Vorlage eines Fortbildungsnachweises am 30.12.2015 verspätet gewesen sei.

Die Vorlage eines Ausdrucks des Punktekontos der Ärztekammer sei nicht ausreichend. Hierbei handele es sich nicht, wie § 95d Abs. 6 Satz 2 SGB V i.V.m. der Regelung zur Fortbildung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten vom 31.03.2009 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorsiehe, um ein Zertifikat der Ärztekammer. Ein Ausnahmefall, in dem der Nachweis auf andere Art erbracht werden könne (§ 3 Abs. 1 der KBV-Regelung), liege nicht vor. § 3 Abs. 1 der KBV-Regelung sei bereits deshalb nicht anwendbar gewesen, weil es sich bei der Ärztekammer um eine Berufskammer handele, die Grundsätze für Fortbildungszertifikate erstelle. Ungeachtet dessen handele es sich bei einem Punktekontoausdruck auch nicht um einen Einzelnachweis i.S.d. § 3 Abs. 1, 4 der KBV-Regelung. Im Übrigen müssten entsprechende Einzelnachweise in ihrer Struktur, ihrer Bewertung und den Bewertungsvoraussetzungen dem Bewertungsmaßstab der für die Erteilung der Fortbildungszertifikate zuständigen Ärztekammern entsprechen. Dies gelte für den Ausdruck eines Punktekontos nicht.

Praxishinweis

Mit der vorliegenden Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen wird die streng formalistische Herangehensweise des § 95d Abs. 3 SGB V bestätigt. Es ist dem Vertragsarzt dringend zu empfehlen, die entsprechenden Fortbildungszertifikate und -nachweise rechtzeitig zu erbringen und bei der Kassenärztlichen Vereinigung einzureichen. Andernfalls drohen erhebliche Honorarkürzungen.

Die Entscheidung ist nicht zu beanstanden und bestätigt die im Übrigen hierzu ergangenen Entscheidungen.

LSG Nord­rhein-West­fa­len, Urteil vom 17.02.2021 - L 11 KA 47/19 (SG Dortmund), BeckRS 2021, 10660